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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Inhalte der Flugschrift "das preußische Militärbudget für 1862" einverstanden ist,
dick Wahres darin, aber leider ebenso viel Uebertreibung, ja offenbare Unwahrheit.
Folgendes in Kurzem der Inhalt: Die Roonsche Reorganisation ist nichts Anderes
als ein Mittel, die Hülfsquellen der großen Versorgungsanstalt des preußische"
Adels, welche man das preußische Heer nennt, zu vermehren. Man sollte statt
dessen den Offiziersstand reformiren, was jedenfalls nothwendiger noch ist als die
Herabsetzung des Präsenzstandes der Soldaten auf zwei Jahre. Die Statistik
beweist, daß der Adel im Osfiziersstande durchschnittlich etwa zwanzigmal so stark
vertreten ist, als er im Verhältniß seiner Zahl zu der Zahl der Gebildeten in Preußen
vertreten sein sollte. Der vierte Theil des gesammten preußischen Adels lebt vom
Militärbudget, die Summe, die ihm der Staat aus diesem jährlich zahltj, beläuft
sich auf mindestens acht Millionen Thaler. Folgt dann eine höchst wunderbare, mit
verschiedenen Späßen gewürzte Geschichte der Entstehung des deutschen Dienstadels
und insbesondere des preußische", eine Geschichte, die darauf hinausläuft, daß sich
dieser Adel nicht gebildet hat, sondern von den Fürsten zu selbstsüchtigen Zwecken
geschaffen worden ist, und in der wieder fast allenthalben die Wahrheit in der
Grimasse der Uebertreibung auftritt, und das Gute, was der Dienstadel als behar¬
render Kern und Träger des Staatswesens hat, vor den Uebeln, die sich mit ihm
verbinden, gänzlich verkqnnt wird. Das ungefähr wäre die Anklqge, deren zum
Theil beachtenswerthe Belege (wir rechnen zu letztern vorzüglich was über die Zahl
der adeligen Offiziere in den höhern Chargen gesagt ist) man in der Schrift selbst
nachlesen möge. Die positiven Vorschläge sind: Wie in der Schweiz soll nur etwa
ein Achtel der Offiziere, welche der Krieg, verlangt, aus Berufsoffizieren bestehen,
die übrigen eilen erst, wenn der Kampf ruft, zu den Fahnen. Dann zerfallen die
Offiziere wie in Frankreich in zwei Classen, "von denen die eine, mit einer tief¬
gehenden militärischen Bildung ausgerüstet, wesentlich bestimmt ist, die höhern
Stellen auszufüllen, die Generalstabe zu bilden, während die übrigen bei der Truppe,
in dem engsten Verbände bleiben. Jene eigentlich militärisch gebildeten Offiziere
werden so auf natürliche Weise den andern imponiren; es wird nicht in den untern
Schichten jeder Befehl bekrittelt werden; der Gehorsam wird viel prompter, sicherer,
überzeugungsvoller sein." Wir bedauern, daß mau die Schrift in Preußen verboten
hat. Besser wäre gewesen, sie in dem, was "ach Abzug der vielen Uebertreibungen
als Rest bleibt, zu beachten, die unschickliche Schreibart aber, die Hrn. Nüstow
einmal zur audern Natur geworden ist, mit jenen Uebertreibungen dem Urtheil der
öffentlichen Meinung zu überlassen.




Mi Ätr. beginnt diese Zeitschrift, ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1862.
Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Rufes.
Verlag von F. L. Her dig. -- Druck von C,. E, Elbert in Leipzig.

Inhalte der Flugschrift „das preußische Militärbudget für 1862" einverstanden ist,
dick Wahres darin, aber leider ebenso viel Uebertreibung, ja offenbare Unwahrheit.
Folgendes in Kurzem der Inhalt: Die Roonsche Reorganisation ist nichts Anderes
als ein Mittel, die Hülfsquellen der großen Versorgungsanstalt des preußische»
Adels, welche man das preußische Heer nennt, zu vermehren. Man sollte statt
dessen den Offiziersstand reformiren, was jedenfalls nothwendiger noch ist als die
Herabsetzung des Präsenzstandes der Soldaten auf zwei Jahre. Die Statistik
beweist, daß der Adel im Osfiziersstande durchschnittlich etwa zwanzigmal so stark
vertreten ist, als er im Verhältniß seiner Zahl zu der Zahl der Gebildeten in Preußen
vertreten sein sollte. Der vierte Theil des gesammten preußischen Adels lebt vom
Militärbudget, die Summe, die ihm der Staat aus diesem jährlich zahltj, beläuft
sich auf mindestens acht Millionen Thaler. Folgt dann eine höchst wunderbare, mit
verschiedenen Späßen gewürzte Geschichte der Entstehung des deutschen Dienstadels
und insbesondere des preußische», eine Geschichte, die darauf hinausläuft, daß sich
dieser Adel nicht gebildet hat, sondern von den Fürsten zu selbstsüchtigen Zwecken
geschaffen worden ist, und in der wieder fast allenthalben die Wahrheit in der
Grimasse der Uebertreibung auftritt, und das Gute, was der Dienstadel als behar¬
render Kern und Träger des Staatswesens hat, vor den Uebeln, die sich mit ihm
verbinden, gänzlich verkqnnt wird. Das ungefähr wäre die Anklqge, deren zum
Theil beachtenswerthe Belege (wir rechnen zu letztern vorzüglich was über die Zahl
der adeligen Offiziere in den höhern Chargen gesagt ist) man in der Schrift selbst
nachlesen möge. Die positiven Vorschläge sind: Wie in der Schweiz soll nur etwa
ein Achtel der Offiziere, welche der Krieg, verlangt, aus Berufsoffizieren bestehen,
die übrigen eilen erst, wenn der Kampf ruft, zu den Fahnen. Dann zerfallen die
Offiziere wie in Frankreich in zwei Classen, „von denen die eine, mit einer tief¬
gehenden militärischen Bildung ausgerüstet, wesentlich bestimmt ist, die höhern
Stellen auszufüllen, die Generalstabe zu bilden, während die übrigen bei der Truppe,
in dem engsten Verbände bleiben. Jene eigentlich militärisch gebildeten Offiziere
werden so auf natürliche Weise den andern imponiren; es wird nicht in den untern
Schichten jeder Befehl bekrittelt werden; der Gehorsam wird viel prompter, sicherer,
überzeugungsvoller sein." Wir bedauern, daß mau die Schrift in Preußen verboten
hat. Besser wäre gewesen, sie in dem, was »ach Abzug der vielen Uebertreibungen
als Rest bleibt, zu beachten, die unschickliche Schreibart aber, die Hrn. Nüstow
einmal zur audern Natur geworden ist, mit jenen Uebertreibungen dem Urtheil der
öffentlichen Meinung zu überlassen.




Mi Ätr. beginnt diese Zeitschrift, ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1862.
Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Rufes.
Verlag von F. L. Her dig. — Druck von C,. E, Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/536>, abgerufen am 24.08.2024.