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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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derer gestempelt, denen ihre Eheweiber Hörner aufsetzen; einen Ehemann am
S. Josephstage zu beglückwünschen, heißt so viel, als ihm höhnend sagen:
"Deine Frau betrügt Dich." Was also der Kranz an der Hausthür des jungen
Ehepaares heute früh zu bedeuten hatte, wirst Du Dir zu erklären wissen; ob aber
Grund zu dem Glückwunsch vorhanden war. oder sich ein abgewiesener Liebhaber
zu einem perfiden Streiche der Rache hatte hinreißen lassen -- das vermögen
wir Dir nicht zu sagen.

Die Procession sieht merkwürdig aus. Voraus marschirt das Musikcorps
eines päpstlichen Infanterieregiments, kriegerische Märsche oder Tänze spielend,
dann folgen Cäpuzinermöche. paarweise, einzelne Brüderschaften der vermumm¬
ten Sacconi, jeder eine Kerze in der Hand. Gassenjungen laufen mit großen
Papierdüten neben jedem Licht her, um das herabträufelnde Wachs aufzufangen,
Crucifixe, Heiligenbilder, Fahnen und Kirchenbanner, bunte Laternen bilden den
Vortrab für die mit Blumen und Laubguirlanden geschmückte Bildsäule des
heiligen Joseph; sie ist umgeben von dem Klerus der Kirche, der ein eintöniges
Lied singt, das aber nicht zur Geltung kommt, denn ihm folgt wieder ein
Militärmusikcorps mit seinen Märschen und Polkas, dann eine Abtheilung In¬
fanterie und endlich eine große Masse Volks, hauptsächlich Weiber. Bei den
Männern ist S- Giuseppe im Allgemeinen in keiner großen Gunst; eine Aus¬
nahme davon machen nur die Tischler und Zimmerleute, deren legitimer paclionc;
er ist, und die kleine Kirche über den Mamertinischen Gefängnissen heißt des¬
halb L. Giuseppe ciel t'-üöL'mani d. h. der Tischler. Tischler und Zimmer¬
leute stehen aber in Rom in dem Rufe, daß sie jeden erworbenen Bajoccho in
dem Wirthshause vertrinken und verjubeln zum Aerger ihrer Ehehälften, und
der S. Giuseppe soll mit seinen Schützlingen seine liebe Noth haben. Da er¬
zählt nun das Volk sich folgende Legende:

Einst klopfte ein Tischler, Einlaß begehrend an die Thüre des Himmels.
Petrus steckte den Kopf zum Thürfensterlein hinaus und fragte, wer draußen
sei. Als er den Tischler erkannte, erklärte er, ihn nicht einlassen zu können
und schloß wieder das Fensterlein. Der Tischler aber pochte von Neuem heftig
und verlangte durchaus, eingelassen zu werdender habe sein ganzes Leben kein>g
S. Giuseppe eifrig verehrt, und wenn Petrus ihm nicht glauben wolle, so solle
er S. Giuseppe herbeirufen. S. Giuseppe ward gerufen und als er seinen
Schützling erkannte, verlangte er, daß Petrus die Thüre des Himmels öffne;
aber Petrus weigerte sich nach wie vor. Darüber entstand nun am Himmels¬
thor ein gewaltiger Spektakel, Lärm und Gezänk zwischen Petrus einerseits,
S. Giuseppe und dem Tischler andererseits, so daß Gott Vater aufmerksam
wurde und fragte, was es denn dort draußen gäbe. Beide Parteien trugen
ihre Sache, vor und Gott Vater entschied zu Gunsten des Petrus. Da erklärte
nun S. Giuseppe, wenn der Tischler nicht in den Himmel käme, dann würde


derer gestempelt, denen ihre Eheweiber Hörner aufsetzen; einen Ehemann am
S. Josephstage zu beglückwünschen, heißt so viel, als ihm höhnend sagen:
„Deine Frau betrügt Dich." Was also der Kranz an der Hausthür des jungen
Ehepaares heute früh zu bedeuten hatte, wirst Du Dir zu erklären wissen; ob aber
Grund zu dem Glückwunsch vorhanden war. oder sich ein abgewiesener Liebhaber
zu einem perfiden Streiche der Rache hatte hinreißen lassen — das vermögen
wir Dir nicht zu sagen.

Die Procession sieht merkwürdig aus. Voraus marschirt das Musikcorps
eines päpstlichen Infanterieregiments, kriegerische Märsche oder Tänze spielend,
dann folgen Cäpuzinermöche. paarweise, einzelne Brüderschaften der vermumm¬
ten Sacconi, jeder eine Kerze in der Hand. Gassenjungen laufen mit großen
Papierdüten neben jedem Licht her, um das herabträufelnde Wachs aufzufangen,
Crucifixe, Heiligenbilder, Fahnen und Kirchenbanner, bunte Laternen bilden den
Vortrab für die mit Blumen und Laubguirlanden geschmückte Bildsäule des
heiligen Joseph; sie ist umgeben von dem Klerus der Kirche, der ein eintöniges
Lied singt, das aber nicht zur Geltung kommt, denn ihm folgt wieder ein
Militärmusikcorps mit seinen Märschen und Polkas, dann eine Abtheilung In¬
fanterie und endlich eine große Masse Volks, hauptsächlich Weiber. Bei den
Männern ist S- Giuseppe im Allgemeinen in keiner großen Gunst; eine Aus¬
nahme davon machen nur die Tischler und Zimmerleute, deren legitimer paclionc;
er ist, und die kleine Kirche über den Mamertinischen Gefängnissen heißt des¬
halb L. Giuseppe ciel t'-üöL'mani d. h. der Tischler. Tischler und Zimmer¬
leute stehen aber in Rom in dem Rufe, daß sie jeden erworbenen Bajoccho in
dem Wirthshause vertrinken und verjubeln zum Aerger ihrer Ehehälften, und
der S. Giuseppe soll mit seinen Schützlingen seine liebe Noth haben. Da er¬
zählt nun das Volk sich folgende Legende:

Einst klopfte ein Tischler, Einlaß begehrend an die Thüre des Himmels.
Petrus steckte den Kopf zum Thürfensterlein hinaus und fragte, wer draußen
sei. Als er den Tischler erkannte, erklärte er, ihn nicht einlassen zu können
und schloß wieder das Fensterlein. Der Tischler aber pochte von Neuem heftig
und verlangte durchaus, eingelassen zu werdender habe sein ganzes Leben kein>g
S. Giuseppe eifrig verehrt, und wenn Petrus ihm nicht glauben wolle, so solle
er S. Giuseppe herbeirufen. S. Giuseppe ward gerufen und als er seinen
Schützling erkannte, verlangte er, daß Petrus die Thüre des Himmels öffne;
aber Petrus weigerte sich nach wie vor. Darüber entstand nun am Himmels¬
thor ein gewaltiger Spektakel, Lärm und Gezänk zwischen Petrus einerseits,
S. Giuseppe und dem Tischler andererseits, so daß Gott Vater aufmerksam
wurde und fragte, was es denn dort draußen gäbe. Beide Parteien trugen
ihre Sache, vor und Gott Vater entschied zu Gunsten des Petrus. Da erklärte
nun S. Giuseppe, wenn der Tischler nicht in den Himmel käme, dann würde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/530>, abgerufen am 05.02.2025.