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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Flußufer in der Villa Pamphili enfiüvien, sich noch deutlich erkennen lassen,
bat man eine prachtvolle Aussicht über die ganze Stadt, über die Campagna
bis zu den Sabiner und Albaner Bergen und bis zum Meere. Im Vorder¬
grunde zieht sich die Aurelianische Stadtmauer hin ', an ihrem Fuße, bei der
Pyramide des Cestius. neigen schlanke, dunkle Cypressen schwermüthig ihre
Gipfel über dem Kirchhofe der Protestanten. Unter dem Tcstaccio auf den
Prati del Popolo weiden Schaf- und Rinderheerden; dort feierte in früheren
Jahren das Volk während der Carnevalstage seine Spiele, Pferde und Esel¬
rennen. Thierhetzen, Erinnerungen an die Saturnalien der Heidenzeit.

Wir leeren unsere Foliettc feurigen Weines von Marsala und treten unse¬
ren Heimweg an auf der Straße, die zwischen dem Aventin und dem Fluß
an dem User der Marmorata entlang, vom Paülsthor kommend, sich in die
Stadt hineinzieht. Da steigen rechts von uns, untermischt mit antiken Mauern
und Wölbungen die schroffen Felshänge des Aventin empor; sie find fast be¬
deckt mit dem vielfach schattirter Grün von Lorbeeren, Aloen, Cypressen und
Epheu. Auf der Höhe des Berges schauen wir mittelalterliche Bastionen, von
Schlingpflanzen umwuchert, überragt von den Gebäuden des Maltheserconvents
und mehrer Klöster. Links unseres Weges, unmittelbar am diesseitigen Tiber¬
user liegen unzählige Blöcke carrarischen und griechischen Marmors; ein Künst¬
ler wandert eifrig prüfend unter ihnen umher, hier ist der Stapelplatz der
Marmvrhändler. Aus der Straße sehen wir jene malerischen Büffelkarren, wir
sehen den Campagnolen zu Wagen, zu Fuß, zu Pferd, zu Esel, wir sehen
Caravanen von Lastthieren an uns vorüberziehen, denn wir befinden uns
auf einer der Hauptverkehrsstraßen aus der Stadt in den südwestlich gelegenen
Theil der Campagna hinein. Der Strom wälzt seine gelben, schlammigen
Fluthen dahin, die Ufer sind mit vielen kleinen einmastigen Seeschiffen bedeckt,
welche Getreidelasten nach der Stadt gebracht haben, aber nicht weiter flußauf¬
wärts vordringen können, weil die aus dem Wasser hervorragenden schwarzen
Mauerreste der Sublicischen Brücke das Fahrwasser sperren, das dort nach jedem
Hochwasser sich ändert und höher hinauf zu seicht wird. Die Schiffe und
die Menschen, welche mit dem Löschen der Ladung beschäftigt sind, sind Neapo¬
litaner. Die Schiffe haben hohe, mit einem Türkenbund gezierte, buntbemalte
Scbiffsschnäbcl und große' dreieckige Barbarcskcnsegcl, die Menschen sind nur
mit einer hoch aufgestreiften Hose bekleidet, sonst völlig nackt; es sind kräf¬
tig gebaute dunkelbraune Gesellen mit funkelnden Augen und auf dem schwar¬
zen wolligen Haar die rothe phrygische Beutelmütze. Drüben am jenseitigen
Ufer am Quai des Porto ti Ripa grande unter dem großartigen Hospital
von S. Michele, liegen noch zahlreicher die Schiffe, auch einige Dampfer,
und das Treiben dort hat etwas von dem einer-Handelsstadt, die einzige
derartige Reminiscenz in Rom. Auch erblicken wir außerhalb der Porta Portese


Flußufer in der Villa Pamphili enfiüvien, sich noch deutlich erkennen lassen,
bat man eine prachtvolle Aussicht über die ganze Stadt, über die Campagna
bis zu den Sabiner und Albaner Bergen und bis zum Meere. Im Vorder¬
grunde zieht sich die Aurelianische Stadtmauer hin ', an ihrem Fuße, bei der
Pyramide des Cestius. neigen schlanke, dunkle Cypressen schwermüthig ihre
Gipfel über dem Kirchhofe der Protestanten. Unter dem Tcstaccio auf den
Prati del Popolo weiden Schaf- und Rinderheerden; dort feierte in früheren
Jahren das Volk während der Carnevalstage seine Spiele, Pferde und Esel¬
rennen. Thierhetzen, Erinnerungen an die Saturnalien der Heidenzeit.

Wir leeren unsere Foliettc feurigen Weines von Marsala und treten unse¬
ren Heimweg an auf der Straße, die zwischen dem Aventin und dem Fluß
an dem User der Marmorata entlang, vom Paülsthor kommend, sich in die
Stadt hineinzieht. Da steigen rechts von uns, untermischt mit antiken Mauern
und Wölbungen die schroffen Felshänge des Aventin empor; sie find fast be¬
deckt mit dem vielfach schattirter Grün von Lorbeeren, Aloen, Cypressen und
Epheu. Auf der Höhe des Berges schauen wir mittelalterliche Bastionen, von
Schlingpflanzen umwuchert, überragt von den Gebäuden des Maltheserconvents
und mehrer Klöster. Links unseres Weges, unmittelbar am diesseitigen Tiber¬
user liegen unzählige Blöcke carrarischen und griechischen Marmors; ein Künst¬
ler wandert eifrig prüfend unter ihnen umher, hier ist der Stapelplatz der
Marmvrhändler. Aus der Straße sehen wir jene malerischen Büffelkarren, wir
sehen den Campagnolen zu Wagen, zu Fuß, zu Pferd, zu Esel, wir sehen
Caravanen von Lastthieren an uns vorüberziehen, denn wir befinden uns
auf einer der Hauptverkehrsstraßen aus der Stadt in den südwestlich gelegenen
Theil der Campagna hinein. Der Strom wälzt seine gelben, schlammigen
Fluthen dahin, die Ufer sind mit vielen kleinen einmastigen Seeschiffen bedeckt,
welche Getreidelasten nach der Stadt gebracht haben, aber nicht weiter flußauf¬
wärts vordringen können, weil die aus dem Wasser hervorragenden schwarzen
Mauerreste der Sublicischen Brücke das Fahrwasser sperren, das dort nach jedem
Hochwasser sich ändert und höher hinauf zu seicht wird. Die Schiffe und
die Menschen, welche mit dem Löschen der Ladung beschäftigt sind, sind Neapo¬
litaner. Die Schiffe haben hohe, mit einem Türkenbund gezierte, buntbemalte
Scbiffsschnäbcl und große' dreieckige Barbarcskcnsegcl, die Menschen sind nur
mit einer hoch aufgestreiften Hose bekleidet, sonst völlig nackt; es sind kräf¬
tig gebaute dunkelbraune Gesellen mit funkelnden Augen und auf dem schwar¬
zen wolligen Haar die rothe phrygische Beutelmütze. Drüben am jenseitigen
Ufer am Quai des Porto ti Ripa grande unter dem großartigen Hospital
von S. Michele, liegen noch zahlreicher die Schiffe, auch einige Dampfer,
und das Treiben dort hat etwas von dem einer-Handelsstadt, die einzige
derartige Reminiscenz in Rom. Auch erblicken wir außerhalb der Porta Portese


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[0528] Flußufer in der Villa Pamphili enfiüvien, sich noch deutlich erkennen lassen, bat man eine prachtvolle Aussicht über die ganze Stadt, über die Campagna bis zu den Sabiner und Albaner Bergen und bis zum Meere. Im Vorder¬ grunde zieht sich die Aurelianische Stadtmauer hin ', an ihrem Fuße, bei der Pyramide des Cestius. neigen schlanke, dunkle Cypressen schwermüthig ihre Gipfel über dem Kirchhofe der Protestanten. Unter dem Tcstaccio auf den Prati del Popolo weiden Schaf- und Rinderheerden; dort feierte in früheren Jahren das Volk während der Carnevalstage seine Spiele, Pferde und Esel¬ rennen. Thierhetzen, Erinnerungen an die Saturnalien der Heidenzeit. Wir leeren unsere Foliettc feurigen Weines von Marsala und treten unse¬ ren Heimweg an auf der Straße, die zwischen dem Aventin und dem Fluß an dem User der Marmorata entlang, vom Paülsthor kommend, sich in die Stadt hineinzieht. Da steigen rechts von uns, untermischt mit antiken Mauern und Wölbungen die schroffen Felshänge des Aventin empor; sie find fast be¬ deckt mit dem vielfach schattirter Grün von Lorbeeren, Aloen, Cypressen und Epheu. Auf der Höhe des Berges schauen wir mittelalterliche Bastionen, von Schlingpflanzen umwuchert, überragt von den Gebäuden des Maltheserconvents und mehrer Klöster. Links unseres Weges, unmittelbar am diesseitigen Tiber¬ user liegen unzählige Blöcke carrarischen und griechischen Marmors; ein Künst¬ ler wandert eifrig prüfend unter ihnen umher, hier ist der Stapelplatz der Marmvrhändler. Aus der Straße sehen wir jene malerischen Büffelkarren, wir sehen den Campagnolen zu Wagen, zu Fuß, zu Pferd, zu Esel, wir sehen Caravanen von Lastthieren an uns vorüberziehen, denn wir befinden uns auf einer der Hauptverkehrsstraßen aus der Stadt in den südwestlich gelegenen Theil der Campagna hinein. Der Strom wälzt seine gelben, schlammigen Fluthen dahin, die Ufer sind mit vielen kleinen einmastigen Seeschiffen bedeckt, welche Getreidelasten nach der Stadt gebracht haben, aber nicht weiter flußauf¬ wärts vordringen können, weil die aus dem Wasser hervorragenden schwarzen Mauerreste der Sublicischen Brücke das Fahrwasser sperren, das dort nach jedem Hochwasser sich ändert und höher hinauf zu seicht wird. Die Schiffe und die Menschen, welche mit dem Löschen der Ladung beschäftigt sind, sind Neapo¬ litaner. Die Schiffe haben hohe, mit einem Türkenbund gezierte, buntbemalte Scbiffsschnäbcl und große' dreieckige Barbarcskcnsegcl, die Menschen sind nur mit einer hoch aufgestreiften Hose bekleidet, sonst völlig nackt; es sind kräf¬ tig gebaute dunkelbraune Gesellen mit funkelnden Augen und auf dem schwar¬ zen wolligen Haar die rothe phrygische Beutelmütze. Drüben am jenseitigen Ufer am Quai des Porto ti Ripa grande unter dem großartigen Hospital von S. Michele, liegen noch zahlreicher die Schiffe, auch einige Dampfer, und das Treiben dort hat etwas von dem einer-Handelsstadt, die einzige derartige Reminiscenz in Rom. Auch erblicken wir außerhalb der Porta Portese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/528>, abgerufen am 06.02.2025.