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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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war Pius der Neunte, der Freiheitsheld, Der prächtige Zug bewegte sich vom
Monte Cavallo abwärts über das alte Forum, durch den Titusbogen, am
Kolosseum vorüber, weiter nach dem Lateran, auf einem Wege, der mit Blumen
und geputzten Menschen geschmückt war. Voran die päpstlichen Truppen, die
stattlichen Nvbelgarden, die geharnischten Schweizer, die alterthümlichen Trachten
der Palastbeamten, der Principi, der violetten Monsignore's und der rothen Car¬
dinäle, in ihren weiten Mänteln und breitrandigen Hüten, alle zu Pferde; dann
die Träger der Kirchcninsignien. der Crocifcro auf weißem Maulthier, endlich
im goldenen von acht prächtig geschmückten Rossen gezogenen Gallawagen, zu
den Seiten die großen Pfauenwedel, der Papst selbst mit seinem milden freund¬
lichen Gesicht, die jubelnde Menge segnend. Es war ein alterthümliches Bild,
an die Zeiten Karl des Fünften erinnernd, an Pracht würdig des Triumph-
zugo eines römischen Cäsar. Pius der Neunte sprach damals auf dem Cul-
minationspunkte seines Glücks- "Um meine Pläne durchzuführen, bedarf es
nur einer starken Brust und eines Lächelns." Wie schnell zerstob dieser Wahn!
Ein Jahr später und Pius saß flüchtig in Gaöta und auf welche Art von Ver¬
sammlung das Colosseum am letzten Faschingsdvnnerstag herabschaute, baben
wir schon oben erwähnt. Oh! die Zeiten ändern sich!

Was sehen wir aber im Colosseum? Ein rothhosiger Soldat steht Wache
in der Nähe des Crucifix', vor einer der Stationen kniet eine elegante Donna
mit einem Bedienten hinter sich; Inglesi klettern auf den Mauer" herum und
zählen die Fensterlöcher, ob sie auch mit den Angaben ihres Murray überein¬
stimmen; eine sentimentale Dame zeichnet eine schauderhafte Skizze in ihr
Album. Zur Zeit des Advents und der Fasten indeß wandelt der Zug einer
vermummten Brüderschaft mit Lichtern in der Hand von einem Bild zum an¬
deren, bis er vor der hölzernen Kanzel Halt macht, von welcher zum Schlüsse
eine Kapuzinerpredigt schauerlich an dem Gemäuer wiederhallt.

Wir verlassen das Colosseum, schreiten durch den Kvnstantinsbogen, die
Via San Gregorio entlang in dem Thale zwischen dem Cello und dem Palatin,
auf dem die Ruinen der Kaiserpaläste in den blauen Aether emporragen. Welch
infernalischer, betäubender Lärm beleidigt unser Ohr? Es sind die Tambours und
Hornisten der Garnison, welche ihre Uebungsstunden auf diesem Wege oder in
den danebenliegenden Baumpflanzungen abhalten. Laß uns weiter eilen in
der Richtung des Paulsthvres. Bald umschließen endlose Mauern von Gärten
und Vignen unsern Weg 'zu beiden Seiten,, so daß sie jegliche Umsicht hin¬
dern; die Gegend ist ungemein öde, selten begegnet uns ein Mensch; man
könnte hier, innerhalb der Ringmauern einer großen Stadt, ein Einsiedlerleben
führen.

Unfern des Paulsthvres liegt eine Weideflächc, die den stolzen Namen
Prati del Popolo romano führt, und über ihr erhebt sich der Monte Testaccio,


war Pius der Neunte, der Freiheitsheld, Der prächtige Zug bewegte sich vom
Monte Cavallo abwärts über das alte Forum, durch den Titusbogen, am
Kolosseum vorüber, weiter nach dem Lateran, auf einem Wege, der mit Blumen
und geputzten Menschen geschmückt war. Voran die päpstlichen Truppen, die
stattlichen Nvbelgarden, die geharnischten Schweizer, die alterthümlichen Trachten
der Palastbeamten, der Principi, der violetten Monsignore's und der rothen Car¬
dinäle, in ihren weiten Mänteln und breitrandigen Hüten, alle zu Pferde; dann
die Träger der Kirchcninsignien. der Crocifcro auf weißem Maulthier, endlich
im goldenen von acht prächtig geschmückten Rossen gezogenen Gallawagen, zu
den Seiten die großen Pfauenwedel, der Papst selbst mit seinem milden freund¬
lichen Gesicht, die jubelnde Menge segnend. Es war ein alterthümliches Bild,
an die Zeiten Karl des Fünften erinnernd, an Pracht würdig des Triumph-
zugo eines römischen Cäsar. Pius der Neunte sprach damals auf dem Cul-
minationspunkte seines Glücks- „Um meine Pläne durchzuführen, bedarf es
nur einer starken Brust und eines Lächelns." Wie schnell zerstob dieser Wahn!
Ein Jahr später und Pius saß flüchtig in Gaöta und auf welche Art von Ver¬
sammlung das Colosseum am letzten Faschingsdvnnerstag herabschaute, baben
wir schon oben erwähnt. Oh! die Zeiten ändern sich!

Was sehen wir aber im Colosseum? Ein rothhosiger Soldat steht Wache
in der Nähe des Crucifix', vor einer der Stationen kniet eine elegante Donna
mit einem Bedienten hinter sich; Inglesi klettern auf den Mauer» herum und
zählen die Fensterlöcher, ob sie auch mit den Angaben ihres Murray überein¬
stimmen; eine sentimentale Dame zeichnet eine schauderhafte Skizze in ihr
Album. Zur Zeit des Advents und der Fasten indeß wandelt der Zug einer
vermummten Brüderschaft mit Lichtern in der Hand von einem Bild zum an¬
deren, bis er vor der hölzernen Kanzel Halt macht, von welcher zum Schlüsse
eine Kapuzinerpredigt schauerlich an dem Gemäuer wiederhallt.

Wir verlassen das Colosseum, schreiten durch den Kvnstantinsbogen, die
Via San Gregorio entlang in dem Thale zwischen dem Cello und dem Palatin,
auf dem die Ruinen der Kaiserpaläste in den blauen Aether emporragen. Welch
infernalischer, betäubender Lärm beleidigt unser Ohr? Es sind die Tambours und
Hornisten der Garnison, welche ihre Uebungsstunden auf diesem Wege oder in
den danebenliegenden Baumpflanzungen abhalten. Laß uns weiter eilen in
der Richtung des Paulsthvres. Bald umschließen endlose Mauern von Gärten
und Vignen unsern Weg 'zu beiden Seiten,, so daß sie jegliche Umsicht hin¬
dern; die Gegend ist ungemein öde, selten begegnet uns ein Mensch; man
könnte hier, innerhalb der Ringmauern einer großen Stadt, ein Einsiedlerleben
führen.

Unfern des Paulsthvres liegt eine Weideflächc, die den stolzen Namen
Prati del Popolo romano führt, und über ihr erhebt sich der Monte Testaccio,


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[0526] war Pius der Neunte, der Freiheitsheld, Der prächtige Zug bewegte sich vom Monte Cavallo abwärts über das alte Forum, durch den Titusbogen, am Kolosseum vorüber, weiter nach dem Lateran, auf einem Wege, der mit Blumen und geputzten Menschen geschmückt war. Voran die päpstlichen Truppen, die stattlichen Nvbelgarden, die geharnischten Schweizer, die alterthümlichen Trachten der Palastbeamten, der Principi, der violetten Monsignore's und der rothen Car¬ dinäle, in ihren weiten Mänteln und breitrandigen Hüten, alle zu Pferde; dann die Träger der Kirchcninsignien. der Crocifcro auf weißem Maulthier, endlich im goldenen von acht prächtig geschmückten Rossen gezogenen Gallawagen, zu den Seiten die großen Pfauenwedel, der Papst selbst mit seinem milden freund¬ lichen Gesicht, die jubelnde Menge segnend. Es war ein alterthümliches Bild, an die Zeiten Karl des Fünften erinnernd, an Pracht würdig des Triumph- zugo eines römischen Cäsar. Pius der Neunte sprach damals auf dem Cul- minationspunkte seines Glücks- „Um meine Pläne durchzuführen, bedarf es nur einer starken Brust und eines Lächelns." Wie schnell zerstob dieser Wahn! Ein Jahr später und Pius saß flüchtig in Gaöta und auf welche Art von Ver¬ sammlung das Colosseum am letzten Faschingsdvnnerstag herabschaute, baben wir schon oben erwähnt. Oh! die Zeiten ändern sich! Was sehen wir aber im Colosseum? Ein rothhosiger Soldat steht Wache in der Nähe des Crucifix', vor einer der Stationen kniet eine elegante Donna mit einem Bedienten hinter sich; Inglesi klettern auf den Mauer» herum und zählen die Fensterlöcher, ob sie auch mit den Angaben ihres Murray überein¬ stimmen; eine sentimentale Dame zeichnet eine schauderhafte Skizze in ihr Album. Zur Zeit des Advents und der Fasten indeß wandelt der Zug einer vermummten Brüderschaft mit Lichtern in der Hand von einem Bild zum an¬ deren, bis er vor der hölzernen Kanzel Halt macht, von welcher zum Schlüsse eine Kapuzinerpredigt schauerlich an dem Gemäuer wiederhallt. Wir verlassen das Colosseum, schreiten durch den Kvnstantinsbogen, die Via San Gregorio entlang in dem Thale zwischen dem Cello und dem Palatin, auf dem die Ruinen der Kaiserpaläste in den blauen Aether emporragen. Welch infernalischer, betäubender Lärm beleidigt unser Ohr? Es sind die Tambours und Hornisten der Garnison, welche ihre Uebungsstunden auf diesem Wege oder in den danebenliegenden Baumpflanzungen abhalten. Laß uns weiter eilen in der Richtung des Paulsthvres. Bald umschließen endlose Mauern von Gärten und Vignen unsern Weg 'zu beiden Seiten,, so daß sie jegliche Umsicht hin¬ dern; die Gegend ist ungemein öde, selten begegnet uns ein Mensch; man könnte hier, innerhalb der Ringmauern einer großen Stadt, ein Einsiedlerleben führen. Unfern des Paulsthvres liegt eine Weideflächc, die den stolzen Namen Prati del Popolo romano führt, und über ihr erhebt sich der Monte Testaccio,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/526>, abgerufen am 06.02.2025.