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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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eine siebzig- und eine achtzehnjährige, allen erdenklichen Folterqualen unter¬
worfen. Ein Mann und seine junge Tochter hielten alle Qualen aus, ohne zu
gestehen und wurden endlich freigesprochen. Ein armes Weib, die Liederfrau
aus dem Thurgau, hatte auch nicht gestehen wollen, aber Marter, Hunger
und Frost machten ihrem Leben ein Ende; man fand sie am 29. Januar 1,738
in einem Winkel ihres grabähnlichen Kerkers zusammengekauert und todt. Die
Uebrigen starben den Henkertod: die Angeberin wurde nur enthauptet, dreizehn
Frauen und Mädchen wurden verbrannt oder strangulirt; einigen von ihnen
schärfte man noch die Todesstrafe durch vorangehendes Reißen mit glühenden
Zangen; einer Frau wurde vorher die rechte Hand abgehauen und die Zunge
mit einer feurigen Zange aus dem Munde gerissen. Das Alles geschah im
Jahr des Heils 1738!"

Noch jetzt zeigt man das Lokal, wo die Folterungen der "Unholden" vor¬
genommen wurden. Es ist der innen vollkommen dunkle "Kaibenthurm".
Osenbrüggen gibt davon folgende Schilderung: "Nachdem zwei Kerzen ange¬
zündet waren, stiegen wir einige steile Treppen hinan zu der alten Folter¬
kammer ganz oben im Thurme, in welcher die peinliche Frage der Hexen statt¬
gefunden hat. Von dem gebrauchten Apparat war nur noch wenig vorhanden.
Wie man ein ziemlich großes Korbgeflecht in Form einer Muschel, "die Hexen¬
wanne" gebraucht hat, ist mir nicht recht klar geworden. Ein Querholz mit
Löchern gehörte dazu, und jedenfalls sind die Quästionirten in dieses Instru¬
ment eingezwängt und in exquisiter Weise gewaschen und gemartert worden.
Vollständiger ausgerüstet ist die neue Folterkammer, welche in diesem Jahr¬
hundert bezogen wurde. Man sieht den ganzen Apparat zum "Aufziehen",
die Balken, das Rad, die Rolle und die drei sauber behauenen Steine, von
denen der größte zwei Centner wiegen soll. In der Gradation der Folter
wurde bei hartnäckig Leagnenden bis zum Anhängen des größten Steins an
die Beine, dem dritten Grade, vorgeschritten; bisweilen wurden gar alle Steine
auf einmal angehängt. Der eiserne "Kranz", welcher den Unglücklichen aufgesetzt
wurde, ist nicht mehr vorhanden, wohl aber die "Geige" und der "spanische Bock".

Die Folter ist in Zug bis gegen das Jahr 1830 angewendet worden, ob¬
wohl in etwas milderer Weise als früher, d. h. man begnügte sich seit An¬
fang des Jahrhunderts allmälig mit dem Aufziehen ohne angehängte Steine,
mit dem Anlegen von Daumenschrauben und dem Hinstrecken des Angeschul¬
digten auf den Boden, in welchem Krämpen angebracht sind, an die man den
Unglücklichen befestigte, um ihn durch Ruthenstreiche zum Geständnis? zu noth¬
wendigen. Noch im Jahre 1824 hat eine Folterung wegen Incest statt ge¬
habt, und der Daumenschrauben bediente man sich ^noch später, j"aber nur",
wie der Führer unsres Berichterstatters naiv meinte, "wenn die Schuld ge¬
wiß war und blos das Geständnis; fehlte."


eine siebzig- und eine achtzehnjährige, allen erdenklichen Folterqualen unter¬
worfen. Ein Mann und seine junge Tochter hielten alle Qualen aus, ohne zu
gestehen und wurden endlich freigesprochen. Ein armes Weib, die Liederfrau
aus dem Thurgau, hatte auch nicht gestehen wollen, aber Marter, Hunger
und Frost machten ihrem Leben ein Ende; man fand sie am 29. Januar 1,738
in einem Winkel ihres grabähnlichen Kerkers zusammengekauert und todt. Die
Uebrigen starben den Henkertod: die Angeberin wurde nur enthauptet, dreizehn
Frauen und Mädchen wurden verbrannt oder strangulirt; einigen von ihnen
schärfte man noch die Todesstrafe durch vorangehendes Reißen mit glühenden
Zangen; einer Frau wurde vorher die rechte Hand abgehauen und die Zunge
mit einer feurigen Zange aus dem Munde gerissen. Das Alles geschah im
Jahr des Heils 1738!"

Noch jetzt zeigt man das Lokal, wo die Folterungen der „Unholden" vor¬
genommen wurden. Es ist der innen vollkommen dunkle „Kaibenthurm".
Osenbrüggen gibt davon folgende Schilderung: „Nachdem zwei Kerzen ange¬
zündet waren, stiegen wir einige steile Treppen hinan zu der alten Folter¬
kammer ganz oben im Thurme, in welcher die peinliche Frage der Hexen statt¬
gefunden hat. Von dem gebrauchten Apparat war nur noch wenig vorhanden.
Wie man ein ziemlich großes Korbgeflecht in Form einer Muschel, „die Hexen¬
wanne" gebraucht hat, ist mir nicht recht klar geworden. Ein Querholz mit
Löchern gehörte dazu, und jedenfalls sind die Quästionirten in dieses Instru¬
ment eingezwängt und in exquisiter Weise gewaschen und gemartert worden.
Vollständiger ausgerüstet ist die neue Folterkammer, welche in diesem Jahr¬
hundert bezogen wurde. Man sieht den ganzen Apparat zum „Aufziehen",
die Balken, das Rad, die Rolle und die drei sauber behauenen Steine, von
denen der größte zwei Centner wiegen soll. In der Gradation der Folter
wurde bei hartnäckig Leagnenden bis zum Anhängen des größten Steins an
die Beine, dem dritten Grade, vorgeschritten; bisweilen wurden gar alle Steine
auf einmal angehängt. Der eiserne „Kranz", welcher den Unglücklichen aufgesetzt
wurde, ist nicht mehr vorhanden, wohl aber die „Geige" und der „spanische Bock".

Die Folter ist in Zug bis gegen das Jahr 1830 angewendet worden, ob¬
wohl in etwas milderer Weise als früher, d. h. man begnügte sich seit An¬
fang des Jahrhunderts allmälig mit dem Aufziehen ohne angehängte Steine,
mit dem Anlegen von Daumenschrauben und dem Hinstrecken des Angeschul¬
digten auf den Boden, in welchem Krämpen angebracht sind, an die man den
Unglücklichen befestigte, um ihn durch Ruthenstreiche zum Geständnis? zu noth¬
wendigen. Noch im Jahre 1824 hat eine Folterung wegen Incest statt ge¬
habt, und der Daumenschrauben bediente man sich ^noch später, j„aber nur",
wie der Führer unsres Berichterstatters naiv meinte, „wenn die Schuld ge¬
wiß war und blos das Geständnis; fehlte."


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[0507] eine siebzig- und eine achtzehnjährige, allen erdenklichen Folterqualen unter¬ worfen. Ein Mann und seine junge Tochter hielten alle Qualen aus, ohne zu gestehen und wurden endlich freigesprochen. Ein armes Weib, die Liederfrau aus dem Thurgau, hatte auch nicht gestehen wollen, aber Marter, Hunger und Frost machten ihrem Leben ein Ende; man fand sie am 29. Januar 1,738 in einem Winkel ihres grabähnlichen Kerkers zusammengekauert und todt. Die Uebrigen starben den Henkertod: die Angeberin wurde nur enthauptet, dreizehn Frauen und Mädchen wurden verbrannt oder strangulirt; einigen von ihnen schärfte man noch die Todesstrafe durch vorangehendes Reißen mit glühenden Zangen; einer Frau wurde vorher die rechte Hand abgehauen und die Zunge mit einer feurigen Zange aus dem Munde gerissen. Das Alles geschah im Jahr des Heils 1738!" Noch jetzt zeigt man das Lokal, wo die Folterungen der „Unholden" vor¬ genommen wurden. Es ist der innen vollkommen dunkle „Kaibenthurm". Osenbrüggen gibt davon folgende Schilderung: „Nachdem zwei Kerzen ange¬ zündet waren, stiegen wir einige steile Treppen hinan zu der alten Folter¬ kammer ganz oben im Thurme, in welcher die peinliche Frage der Hexen statt¬ gefunden hat. Von dem gebrauchten Apparat war nur noch wenig vorhanden. Wie man ein ziemlich großes Korbgeflecht in Form einer Muschel, „die Hexen¬ wanne" gebraucht hat, ist mir nicht recht klar geworden. Ein Querholz mit Löchern gehörte dazu, und jedenfalls sind die Quästionirten in dieses Instru¬ ment eingezwängt und in exquisiter Weise gewaschen und gemartert worden. Vollständiger ausgerüstet ist die neue Folterkammer, welche in diesem Jahr¬ hundert bezogen wurde. Man sieht den ganzen Apparat zum „Aufziehen", die Balken, das Rad, die Rolle und die drei sauber behauenen Steine, von denen der größte zwei Centner wiegen soll. In der Gradation der Folter wurde bei hartnäckig Leagnenden bis zum Anhängen des größten Steins an die Beine, dem dritten Grade, vorgeschritten; bisweilen wurden gar alle Steine auf einmal angehängt. Der eiserne „Kranz", welcher den Unglücklichen aufgesetzt wurde, ist nicht mehr vorhanden, wohl aber die „Geige" und der „spanische Bock". Die Folter ist in Zug bis gegen das Jahr 1830 angewendet worden, ob¬ wohl in etwas milderer Weise als früher, d. h. man begnügte sich seit An¬ fang des Jahrhunderts allmälig mit dem Aufziehen ohne angehängte Steine, mit dem Anlegen von Daumenschrauben und dem Hinstrecken des Angeschul¬ digten auf den Boden, in welchem Krämpen angebracht sind, an die man den Unglücklichen befestigte, um ihn durch Ruthenstreiche zum Geständnis? zu noth¬ wendigen. Noch im Jahre 1824 hat eine Folterung wegen Incest statt ge¬ habt, und der Daumenschrauben bediente man sich ^noch später, j„aber nur", wie der Führer unsres Berichterstatters naiv meinte, „wenn die Schuld ge¬ wiß war und blos das Geständnis; fehlte."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/507>, abgerufen am 05.02.2025.