Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.gleich unter die Fahnen der Altliberalen und der Fortschrittsmänner. In Kurzem Und so wie der Regierung ist es auch ihrer bisherigen Bundesgenossin, der Die Wahlen sind allerdings noch nicht vollendet, aber der Sieg der liberalen Bekannt sind die Enthüllungen über "hessische Zustände" (I -- V) in der gleich unter die Fahnen der Altliberalen und der Fortschrittsmänner. In Kurzem Und so wie der Regierung ist es auch ihrer bisherigen Bundesgenossin, der Die Wahlen sind allerdings noch nicht vollendet, aber der Sieg der liberalen Bekannt sind die Enthüllungen über „hessische Zustände" (I — V) in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0493" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114807"/> <p xml:id="ID_1928" prev="#ID_1927"> gleich unter die Fahnen der Altliberalen und der Fortschrittsmänner. In Kurzem<lb/> wird Deutschland das interessante Schauspiel genießen, den an drei Orten zugleich<lb/> gewählten Hofgerichtsadvocaten Metz als Führer einer imposanten Linken seinem hohen<lb/> Verfolger, Hrn. v. Dalwigk, Ange in Auge in der Ständetammer gegenüverttetcu<lb/> zU sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1929"> Und so wie der Regierung ist es auch ihrer bisherigen Bundesgenossin, der<lb/> Ultramontanen Partei ergangen. Die Provinz Rheinhessen hat bei der Wahl fast<lb/> einmüthig ihre Mißbilligung des Regiments kundgegeben, welches Bischof Ketteler führt.<lb/> In andern Landestheilen waren eine Reihe katholischer Orte besser disciplinirt, indeß<lb/> wurden sie, in gemischten Wahlbezirken gelegen, fast allenthalben überstimmt, und<lb/> se» werden die Ultramontanen diesmal im Ständesaal schwerlich mehr als zwei oder<lb/> drei Vertreter haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1930"> Die Wahlen sind allerdings noch nicht vollendet, aber der Sieg der liberalen<lb/> Partei ist vollkommen sicher, und würde der Kampf in einem Lande gekämpft, wo<lb/> das parlamentarische System herrscht, so konnte man ihn als beendigt ansehen. Wie<lb/> er unter den hier obwaltenden Umständen enden wird, ist zur Stunde noch nicht<lb/> zu sagen. Es gibt in Deutschland Minister mit ehernen Stirnen, und Hr. v. Dal¬<lb/> wigk, der die ungestümsten Angriffe der Presse ausgehalten, wird, der Gnade seines<lb/> grvßherjoglichen Herrn sicher, vermuthlich auch die Kammer bis auf Weiteres nicht<lb/> zU sehr fürchten. Möglich aber, daß sich allmälig zu der Opposition der bessere<lb/> Theil der Beamten gesellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1931" next="#ID_1932"> Bekannt sind die Enthüllungen über „hessische Zustände" (I — V) in der<lb/> „Wochenschrift des Nationalvcreius". Eine schwere und schneidende Verunhe>in»g<lb/> des Ministeriums Dalwigk-Crövc, fielen sie wie platzende Petarden in Darmstadls<lb/> idyllische Stille hinein. Das Aussehen Und der Schrecken, den sie erregten, war um<lb/> so größer, als Man bald erkannte, daß selbst hohe Beamte mit der Nationalpartei<lb/> im Einverständnis) sein müßten; denn ohne die eingehendsten Mittheilungen von<lb/> solcher Seite war es Unmöglich, das System der Dalwigks in dieser Weise bis in<lb/> seine geheintstett Getriebe bloszulegen. In jenen Enthüllungen wurde dem Lande<lb/> Und ganz Deutschland ein'brttübeNder Blick in das eröffnet, was im großherzoglichen<lb/> Hessen in dem letzten Jahrzehnt alles möglich gewesen. Man sah Zustände vor sich,<lb/> welche die vielbcscholtcncn Verhältnisse im Kurstaale noch um vieles überboten.<lb/> Denn traf man hier einen offenen Gewaltact der Negierung, und war hier die ein¬<lb/> fache Losung: „Hie Verfassung von 1831 — hie Verfassung von 1860," so wurde<lb/> dort im Großherzogthum ein für die öffentliche LandcSmoral höchst gefährliches Spiel<lb/> mit dem Schein getrieben, und unter der Decke constitutioneller Formen eine der<lb/> verbrieften Freiheiten nach der andern hinwegescamotirt und in den großen Dalwigt-<lb/> schcn Papierkorb geworfen. Unwahrheitsgetreu zu reden und zu handeln wurde<lb/> zur zweiten Natur. Die gleißnerische Lüge, die sich gelegentlich selbst in Parallelen<lb/> zwischen hessischen Zuständen und den Zuständen in den freiesten Ländern Europa's gefiel,<lb/> war die Signatur dieser Periode und fraß sich als glatter Wurm in den selbst unter<lb/> du Theil noch ziemlich unbescholtenen, hessischen Beamtenstand ein. Jene „Enthüllungen"<lb/> der Wochenschrift führten mit Utlwiderleglichen Thatsachen den Beweis, daß unter der<lb/> Herrschaft der Dalwigks der Freiheitsbrief des Landes, der vom K. Mürz 1848 datirt<lb/> und vom jetzigen Großherzog gezeichnet, von „Heinrich Gagern" gegengezeichnet war, fast</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0493]
gleich unter die Fahnen der Altliberalen und der Fortschrittsmänner. In Kurzem
wird Deutschland das interessante Schauspiel genießen, den an drei Orten zugleich
gewählten Hofgerichtsadvocaten Metz als Führer einer imposanten Linken seinem hohen
Verfolger, Hrn. v. Dalwigk, Ange in Auge in der Ständetammer gegenüverttetcu
zU sehen.
Und so wie der Regierung ist es auch ihrer bisherigen Bundesgenossin, der
Ultramontanen Partei ergangen. Die Provinz Rheinhessen hat bei der Wahl fast
einmüthig ihre Mißbilligung des Regiments kundgegeben, welches Bischof Ketteler führt.
In andern Landestheilen waren eine Reihe katholischer Orte besser disciplinirt, indeß
wurden sie, in gemischten Wahlbezirken gelegen, fast allenthalben überstimmt, und
se» werden die Ultramontanen diesmal im Ständesaal schwerlich mehr als zwei oder
drei Vertreter haben.
Die Wahlen sind allerdings noch nicht vollendet, aber der Sieg der liberalen
Partei ist vollkommen sicher, und würde der Kampf in einem Lande gekämpft, wo
das parlamentarische System herrscht, so konnte man ihn als beendigt ansehen. Wie
er unter den hier obwaltenden Umständen enden wird, ist zur Stunde noch nicht
zu sagen. Es gibt in Deutschland Minister mit ehernen Stirnen, und Hr. v. Dal¬
wigk, der die ungestümsten Angriffe der Presse ausgehalten, wird, der Gnade seines
grvßherjoglichen Herrn sicher, vermuthlich auch die Kammer bis auf Weiteres nicht
zU sehr fürchten. Möglich aber, daß sich allmälig zu der Opposition der bessere
Theil der Beamten gesellt.
Bekannt sind die Enthüllungen über „hessische Zustände" (I — V) in der
„Wochenschrift des Nationalvcreius". Eine schwere und schneidende Verunhe>in»g
des Ministeriums Dalwigk-Crövc, fielen sie wie platzende Petarden in Darmstadls
idyllische Stille hinein. Das Aussehen Und der Schrecken, den sie erregten, war um
so größer, als Man bald erkannte, daß selbst hohe Beamte mit der Nationalpartei
im Einverständnis) sein müßten; denn ohne die eingehendsten Mittheilungen von
solcher Seite war es Unmöglich, das System der Dalwigks in dieser Weise bis in
seine geheintstett Getriebe bloszulegen. In jenen Enthüllungen wurde dem Lande
Und ganz Deutschland ein'brttübeNder Blick in das eröffnet, was im großherzoglichen
Hessen in dem letzten Jahrzehnt alles möglich gewesen. Man sah Zustände vor sich,
welche die vielbcscholtcncn Verhältnisse im Kurstaale noch um vieles überboten.
Denn traf man hier einen offenen Gewaltact der Negierung, und war hier die ein¬
fache Losung: „Hie Verfassung von 1831 — hie Verfassung von 1860," so wurde
dort im Großherzogthum ein für die öffentliche LandcSmoral höchst gefährliches Spiel
mit dem Schein getrieben, und unter der Decke constitutioneller Formen eine der
verbrieften Freiheiten nach der andern hinwegescamotirt und in den großen Dalwigt-
schcn Papierkorb geworfen. Unwahrheitsgetreu zu reden und zu handeln wurde
zur zweiten Natur. Die gleißnerische Lüge, die sich gelegentlich selbst in Parallelen
zwischen hessischen Zuständen und den Zuständen in den freiesten Ländern Europa's gefiel,
war die Signatur dieser Periode und fraß sich als glatter Wurm in den selbst unter
du Theil noch ziemlich unbescholtenen, hessischen Beamtenstand ein. Jene „Enthüllungen"
der Wochenschrift führten mit Utlwiderleglichen Thatsachen den Beweis, daß unter der
Herrschaft der Dalwigks der Freiheitsbrief des Landes, der vom K. Mürz 1848 datirt
und vom jetzigen Großherzog gezeichnet, von „Heinrich Gagern" gegengezeichnet war, fast
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