Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.Die Protestanten in der Diasporn. i. Wenn wir im Folgenden ein Bild von den in der Zerstreuung lebenden Betrachten wir zunächst die Zustände der Evangelischen in Böhmen, Wie bekannt, fand die Reformation in diesen Ländern, der Heimath der Ebenfalls bekannt ist, wie der Protestantismus diese Position verlor. Nach Grenzboten III. 1362. 6
Die Protestanten in der Diasporn. i. Wenn wir im Folgenden ein Bild von den in der Zerstreuung lebenden Betrachten wir zunächst die Zustände der Evangelischen in Böhmen, Wie bekannt, fand die Reformation in diesen Ländern, der Heimath der Ebenfalls bekannt ist, wie der Protestantismus diese Position verlor. Nach Grenzboten III. 1362. 6
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Die Protestanten in der Diasporn.
i.
Wenn wir im Folgenden ein Bild von den in der Zerstreuung lebenden
Protestantischen Gemeinden zu geben versuchen, so wurde schon in dem Aufsatz
über den Gustav-Adolf-Verein (Ur. 26) angedeutet, daß unsre Arbeit keinen
Anspruch auf Vollständigkeit macht, indem es uns nur darauf ankommt, die¬
jenigen evangelischen Gemeinden oder Gruppen von solchen Gemeinden zu
schildern, welche vorzüglich der Unterstützung bedürfen, auf welche darum der
Gustav-Adolf-Verein in den letzten Jahren vor Allem sein Augenmerk richtete,
und auf die er es auch in der nächsten Zukunft hauptsächlich zu richten haben
wird.
Betrachten wir zunächst die Zustände der Evangelischen in Böhmen,
Mähren und Oestreichisch-Schlesien nach Auszügen aus den „Fliegenden
Blättern" der Stiftung und andern Mittheilungen derselben.
Wie bekannt, fand die Reformation in diesen Ländern, der Heimath der
Hussiten und mährischen Brüder, die bereitwilligste und allgemeinste Aufnahme.
Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts war die große Mehrzahl der Bewoh¬
ner Böhmens und Mährens dem Protestantismus zugethan. Ueber fünfhundert
Geistliche dieses Bekenntnisses verkündeten' hier die Lehre der Reformatoren, fast
der gesammte Adel czechischer Nationalität hielt sich zu derselben, in Prag
allein hatten die Evangelischen fünfzehn Kirchen inne.
Ebenfalls bekannt ist, wie der Protestantismus diese Position verlor. Nach
der Schlacht am Weißen Berge begann die bigotte Politik der Habsburger das
Werk der Ketzerausrottung. Was die Säbel ihrer Dragoner nicht erzwangen,
das erheblich die Schlauheit ihrer Jesuiten. Am 21. Juni 1621 starben auf
dem Prager Markt 27 der vornehmsten Protestanten durch Scharfrichtershand
den Märtyrertod, andere flohen aus dem Lande, 728 Ritter und Herren ver¬
loren ihre Güter, alle Evangelischen Böhmens ihre Rechte. Man schloß ihre
Schulen, überwies ihre Kirchen den Katholiken, trieb ihre Geistlichen über die
Grenzen, untersagte bei schwerer Strafe jede Ausübung protestantischen Gottes¬
dienstes, drang in die Häuser und nahm alle Bibeln sowie alle nichtkatholischen
Grenzboten III. 1362. 6
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