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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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zerstreut wohnenden Bevölkerung. Er würde manche moderne palastähnliche
Villa bemerken, die auch schon wieder dem Verfalle überlassen ist; denn die
Malaria hat allmälig Besitz genommen von jenen Gegenden, seitdem Robert
Guiscard sie in Schutt und Asche legte. Aber im Norden, auf dem ehemaligen
Marsfeld, einst ein Besitzthum der Tarquinier, seit der Vertreibung derselben
zum kriegerischen Uebungsplatze des Volks bestimmt und ausdrücklich zu be¬
wohnen verboten, wo erst seit den Kaiserzeiten sich allmälig öffentliche Ge¬
bäude erhoben, die Bäder des Agrippina, das Pantheon, das Mausoleum
des August, das Theater des Pompejus, da zeigt Rom sein junges Gesicht; und
der Corso, die Pulsader des modernen Lebens, folgt der alten Flaminischen
Straße bis zum Thore und die Fortsetzung in gerader Linie bis zur Miivischen
Brücke. Hadrian würde vergeblich die Millionen seines Roms suchen, aber er
würde dennoch das alte Volk wieder erkennen, das nach Brod und Spie¬
len ruft.

Wenn wir der Schilderung des alten Roms folgen, wie sie Papencordt in
seinem verdienstvollen'Werke liefert, so beschrieb die alte Stadt auf dem Höhen¬
punkte ihres Glanzes einen Umkreis von 10 deutschen Meilen, die Vorstädte
hinzugerechnet: 37 Thore führten in das Innere, 7 Brücken über den Fluß. 27
große gepflasterte Heerstraßen, welche von allen Seiten einmündeten, mochten
kaum hinreichen, der aus der Stadt in das weite Gartenland hinausströmenden
Menge, den aus der ganzen Welt dem gemeinsamen Mittelpunkt melkenden
Massen Ein- und Austritt zu gewähren. 11, nach andern 18 weit hinaus¬
ragende, auf Bogen gestellte Wasserleitungen, welche 30 und 40 Miglien weit her
eine Fülle frischen Wassers nach der Stadt brachten und 15 großartige, 1352
kleinere Brunnen speisten, und die wundervoll gebauten unterirdischen Kloaken
vereinigten sich, um die Stadt von schädlichen Ausdünstungen zu befreien.
Dicht gedrängt standen Tempel an Tempel, denen die modernen 210 größeren
Kirchen, von denen allein 44 der Madonna geweiht sind, würdig an die Seite
gestellt werden können. Von den beiden großen Amphitheatern des alten Roms
konnte eins 80,000 Menschen fassen, von den 8 Rennbahnen erstreckte sich
die größte von einem Hügel zum andern mit einem Raum für 300,000 Zu¬
schauer, und 5 besondere Naumachien gab es für Seegefechte. Die Pracht
und Ausdehnung von 16 öffentlichen und 856 Privatbadeanstalten wird nur
dadurch begreiflich, daß jeder nachfolgende Bauherr seinen Vorgänger zu über¬
treffen suchte. In den Thermen fanden sich die herrlichsten Statuen, die jetzt
das Vatikanische Museum schmücken, Gymnasien. Ballplätze. Bibliotheken, und
die des Diocletian hatten 3200 marmorne Badestellen. Die Berechnung der
Volksmenge schwankt zwischen 2 und 4 Millionen, und noch zu Honorius Zei¬
ten waren viele römische Familien, welche ein jährliches Einkommen von
1,500,000 Thir. genossen. Die Armuth war verboten; denn schlechte Häuser


zerstreut wohnenden Bevölkerung. Er würde manche moderne palastähnliche
Villa bemerken, die auch schon wieder dem Verfalle überlassen ist; denn die
Malaria hat allmälig Besitz genommen von jenen Gegenden, seitdem Robert
Guiscard sie in Schutt und Asche legte. Aber im Norden, auf dem ehemaligen
Marsfeld, einst ein Besitzthum der Tarquinier, seit der Vertreibung derselben
zum kriegerischen Uebungsplatze des Volks bestimmt und ausdrücklich zu be¬
wohnen verboten, wo erst seit den Kaiserzeiten sich allmälig öffentliche Ge¬
bäude erhoben, die Bäder des Agrippina, das Pantheon, das Mausoleum
des August, das Theater des Pompejus, da zeigt Rom sein junges Gesicht; und
der Corso, die Pulsader des modernen Lebens, folgt der alten Flaminischen
Straße bis zum Thore und die Fortsetzung in gerader Linie bis zur Miivischen
Brücke. Hadrian würde vergeblich die Millionen seines Roms suchen, aber er
würde dennoch das alte Volk wieder erkennen, das nach Brod und Spie¬
len ruft.

Wenn wir der Schilderung des alten Roms folgen, wie sie Papencordt in
seinem verdienstvollen'Werke liefert, so beschrieb die alte Stadt auf dem Höhen¬
punkte ihres Glanzes einen Umkreis von 10 deutschen Meilen, die Vorstädte
hinzugerechnet: 37 Thore führten in das Innere, 7 Brücken über den Fluß. 27
große gepflasterte Heerstraßen, welche von allen Seiten einmündeten, mochten
kaum hinreichen, der aus der Stadt in das weite Gartenland hinausströmenden
Menge, den aus der ganzen Welt dem gemeinsamen Mittelpunkt melkenden
Massen Ein- und Austritt zu gewähren. 11, nach andern 18 weit hinaus¬
ragende, auf Bogen gestellte Wasserleitungen, welche 30 und 40 Miglien weit her
eine Fülle frischen Wassers nach der Stadt brachten und 15 großartige, 1352
kleinere Brunnen speisten, und die wundervoll gebauten unterirdischen Kloaken
vereinigten sich, um die Stadt von schädlichen Ausdünstungen zu befreien.
Dicht gedrängt standen Tempel an Tempel, denen die modernen 210 größeren
Kirchen, von denen allein 44 der Madonna geweiht sind, würdig an die Seite
gestellt werden können. Von den beiden großen Amphitheatern des alten Roms
konnte eins 80,000 Menschen fassen, von den 8 Rennbahnen erstreckte sich
die größte von einem Hügel zum andern mit einem Raum für 300,000 Zu¬
schauer, und 5 besondere Naumachien gab es für Seegefechte. Die Pracht
und Ausdehnung von 16 öffentlichen und 856 Privatbadeanstalten wird nur
dadurch begreiflich, daß jeder nachfolgende Bauherr seinen Vorgänger zu über¬
treffen suchte. In den Thermen fanden sich die herrlichsten Statuen, die jetzt
das Vatikanische Museum schmücken, Gymnasien. Ballplätze. Bibliotheken, und
die des Diocletian hatten 3200 marmorne Badestellen. Die Berechnung der
Volksmenge schwankt zwischen 2 und 4 Millionen, und noch zu Honorius Zei¬
ten waren viele römische Familien, welche ein jährliches Einkommen von
1,500,000 Thir. genossen. Die Armuth war verboten; denn schlechte Häuser


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[0487] zerstreut wohnenden Bevölkerung. Er würde manche moderne palastähnliche Villa bemerken, die auch schon wieder dem Verfalle überlassen ist; denn die Malaria hat allmälig Besitz genommen von jenen Gegenden, seitdem Robert Guiscard sie in Schutt und Asche legte. Aber im Norden, auf dem ehemaligen Marsfeld, einst ein Besitzthum der Tarquinier, seit der Vertreibung derselben zum kriegerischen Uebungsplatze des Volks bestimmt und ausdrücklich zu be¬ wohnen verboten, wo erst seit den Kaiserzeiten sich allmälig öffentliche Ge¬ bäude erhoben, die Bäder des Agrippina, das Pantheon, das Mausoleum des August, das Theater des Pompejus, da zeigt Rom sein junges Gesicht; und der Corso, die Pulsader des modernen Lebens, folgt der alten Flaminischen Straße bis zum Thore und die Fortsetzung in gerader Linie bis zur Miivischen Brücke. Hadrian würde vergeblich die Millionen seines Roms suchen, aber er würde dennoch das alte Volk wieder erkennen, das nach Brod und Spie¬ len ruft. Wenn wir der Schilderung des alten Roms folgen, wie sie Papencordt in seinem verdienstvollen'Werke liefert, so beschrieb die alte Stadt auf dem Höhen¬ punkte ihres Glanzes einen Umkreis von 10 deutschen Meilen, die Vorstädte hinzugerechnet: 37 Thore führten in das Innere, 7 Brücken über den Fluß. 27 große gepflasterte Heerstraßen, welche von allen Seiten einmündeten, mochten kaum hinreichen, der aus der Stadt in das weite Gartenland hinausströmenden Menge, den aus der ganzen Welt dem gemeinsamen Mittelpunkt melkenden Massen Ein- und Austritt zu gewähren. 11, nach andern 18 weit hinaus¬ ragende, auf Bogen gestellte Wasserleitungen, welche 30 und 40 Miglien weit her eine Fülle frischen Wassers nach der Stadt brachten und 15 großartige, 1352 kleinere Brunnen speisten, und die wundervoll gebauten unterirdischen Kloaken vereinigten sich, um die Stadt von schädlichen Ausdünstungen zu befreien. Dicht gedrängt standen Tempel an Tempel, denen die modernen 210 größeren Kirchen, von denen allein 44 der Madonna geweiht sind, würdig an die Seite gestellt werden können. Von den beiden großen Amphitheatern des alten Roms konnte eins 80,000 Menschen fassen, von den 8 Rennbahnen erstreckte sich die größte von einem Hügel zum andern mit einem Raum für 300,000 Zu¬ schauer, und 5 besondere Naumachien gab es für Seegefechte. Die Pracht und Ausdehnung von 16 öffentlichen und 856 Privatbadeanstalten wird nur dadurch begreiflich, daß jeder nachfolgende Bauherr seinen Vorgänger zu über¬ treffen suchte. In den Thermen fanden sich die herrlichsten Statuen, die jetzt das Vatikanische Museum schmücken, Gymnasien. Ballplätze. Bibliotheken, und die des Diocletian hatten 3200 marmorne Badestellen. Die Berechnung der Volksmenge schwankt zwischen 2 und 4 Millionen, und noch zu Honorius Zei¬ ten waren viele römische Familien, welche ein jährliches Einkommen von 1,500,000 Thir. genossen. Die Armuth war verboten; denn schlechte Häuser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/487>, abgerufen am 24.08.2024.