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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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erträglich. Man verbrannte die griechischen Bücher und setzte bulgarische an
ihre Stelle, man erhob die Volkssprache, die bis dahin von der bessern Classe
als nicht vornehm genug gegen die griechische zurückgesetzt worden war, wieder
allenthalben zur Umgangssprache, man trat, aus einer bloßen Race immer mehr
zur Nation sich entwickelnd, endlich auch gegen die Bischöfe auf. Deputationen
gingen an die Negierung nach Stambul ab, um zu bitten, daß man dem Volke
künftig nur geborne Bulgaren als Bischöfe sende. Es gab unter den Bulgaren
Männer genug, die dazu die Befähigung besaßen. Man glaubte ferner, daß
die Bitte Unterstützung bei den in der türkischen Hauptstadt residirenden Ge¬
sandten christlicher Mächte finden würde. Aber die Hoffnung wurde bitter ge¬
täuscht, das durch Bildung erworbene Recht nicht anerkannt. Die Pforte ver¬
weigerte auch das kleinste Zugestcindniß in der Angelegenheit und erklärte kurz
und barsch, daß es beim Alten zu verbleiben habe.

Bald erfuhr man, was der Abweisung zu Grunde gelegen. "Die uns
gewordene Antwort," so sagt unser bulgarischer Berichterstatter, "war von einer
Macht eingegeben, auf deren guten Willen man am meisten gebaut hatte. In
Rom und Paris glaubte man Grund zu haben, sich über den Zwiespalt zwi¬
schen Volk und Kirche in Bulgarien zu freuen. Dauerte er fort, steigerte er
sich -- so rechnete man im Vatican -- zum Bruch, dann war Hoffnung, daß
das Land sich für den Papst und die römische Kirche gewinnen ließ, wie einst
die Maroniten des Libanon. Wurde das Land -- so lautete das Ergebniß
des Studiums der bulgarischen Frage in den Tuilerien, -- katholisch, dann
gewann Frankreich die Sympathien desselben doppelt, einmal als Beschützer der
unterdrückten Nationalitäten, andererseits als oberste und thätigste Schutzmacht
aller Römisch-Katholischen in der Levante. Man hatte indeß die Rechnung
ohne den Wirth gemacht. Einige wenige ließen sich durch die Emissäre, die
für den Plan werbend, unter den Bulgaren in Konstantinopel sowie in mehren
Landbezirken umherzogen, gewinnen, aber auch diese nur deshalb, weil sie da¬
durch zu Schützlingen der französischen Gesandtschaft zu werden hoffen durften.
Die große Mehrzahl des Volkes wies, dem angestammten Glauben treu, alle
Anerbietungen der katholischen Propaganda von sich, und wenn die deutschen
Zeitungen nach Pariser Berichten von bedeutenden Erfolgen jener Seelensischer
Roms erzählten, so tischten sie dem Publicum arge Uebertreibungen auf.

Wir wollen ebenso wenig Römische, als Griechische werden, erklärten die
Bulgaren, und als die Regierung ihre Forderung nach einheimischen Bischöfen
abgeschlagen, beschlossen sie sich, so weit möglich, selbst zu helfen. Sobald jetzt
der griechische Bischof in der Kirche erscheint, entfernen wir uns. Niemand
thut ihm etwas zu Leide, aber er lebt in der Stadt ohne allen Einfluß. Nur
ein paar Panduren der Regierung, welche in den Dörfern umherziehen, um
dem Volte ungerechte Abgaben abzunöthigen, halten zu ihm als zu ihrem


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erträglich. Man verbrannte die griechischen Bücher und setzte bulgarische an
ihre Stelle, man erhob die Volkssprache, die bis dahin von der bessern Classe
als nicht vornehm genug gegen die griechische zurückgesetzt worden war, wieder
allenthalben zur Umgangssprache, man trat, aus einer bloßen Race immer mehr
zur Nation sich entwickelnd, endlich auch gegen die Bischöfe auf. Deputationen
gingen an die Negierung nach Stambul ab, um zu bitten, daß man dem Volke
künftig nur geborne Bulgaren als Bischöfe sende. Es gab unter den Bulgaren
Männer genug, die dazu die Befähigung besaßen. Man glaubte ferner, daß
die Bitte Unterstützung bei den in der türkischen Hauptstadt residirenden Ge¬
sandten christlicher Mächte finden würde. Aber die Hoffnung wurde bitter ge¬
täuscht, das durch Bildung erworbene Recht nicht anerkannt. Die Pforte ver¬
weigerte auch das kleinste Zugestcindniß in der Angelegenheit und erklärte kurz
und barsch, daß es beim Alten zu verbleiben habe.

Bald erfuhr man, was der Abweisung zu Grunde gelegen. „Die uns
gewordene Antwort," so sagt unser bulgarischer Berichterstatter, „war von einer
Macht eingegeben, auf deren guten Willen man am meisten gebaut hatte. In
Rom und Paris glaubte man Grund zu haben, sich über den Zwiespalt zwi¬
schen Volk und Kirche in Bulgarien zu freuen. Dauerte er fort, steigerte er
sich — so rechnete man im Vatican — zum Bruch, dann war Hoffnung, daß
das Land sich für den Papst und die römische Kirche gewinnen ließ, wie einst
die Maroniten des Libanon. Wurde das Land — so lautete das Ergebniß
des Studiums der bulgarischen Frage in den Tuilerien, — katholisch, dann
gewann Frankreich die Sympathien desselben doppelt, einmal als Beschützer der
unterdrückten Nationalitäten, andererseits als oberste und thätigste Schutzmacht
aller Römisch-Katholischen in der Levante. Man hatte indeß die Rechnung
ohne den Wirth gemacht. Einige wenige ließen sich durch die Emissäre, die
für den Plan werbend, unter den Bulgaren in Konstantinopel sowie in mehren
Landbezirken umherzogen, gewinnen, aber auch diese nur deshalb, weil sie da¬
durch zu Schützlingen der französischen Gesandtschaft zu werden hoffen durften.
Die große Mehrzahl des Volkes wies, dem angestammten Glauben treu, alle
Anerbietungen der katholischen Propaganda von sich, und wenn die deutschen
Zeitungen nach Pariser Berichten von bedeutenden Erfolgen jener Seelensischer
Roms erzählten, so tischten sie dem Publicum arge Uebertreibungen auf.

Wir wollen ebenso wenig Römische, als Griechische werden, erklärten die
Bulgaren, und als die Regierung ihre Forderung nach einheimischen Bischöfen
abgeschlagen, beschlossen sie sich, so weit möglich, selbst zu helfen. Sobald jetzt
der griechische Bischof in der Kirche erscheint, entfernen wir uns. Niemand
thut ihm etwas zu Leide, aber er lebt in der Stadt ohne allen Einfluß. Nur
ein paar Panduren der Regierung, welche in den Dörfern umherziehen, um
dem Volte ungerechte Abgaben abzunöthigen, halten zu ihm als zu ihrem


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[0475] erträglich. Man verbrannte die griechischen Bücher und setzte bulgarische an ihre Stelle, man erhob die Volkssprache, die bis dahin von der bessern Classe als nicht vornehm genug gegen die griechische zurückgesetzt worden war, wieder allenthalben zur Umgangssprache, man trat, aus einer bloßen Race immer mehr zur Nation sich entwickelnd, endlich auch gegen die Bischöfe auf. Deputationen gingen an die Negierung nach Stambul ab, um zu bitten, daß man dem Volke künftig nur geborne Bulgaren als Bischöfe sende. Es gab unter den Bulgaren Männer genug, die dazu die Befähigung besaßen. Man glaubte ferner, daß die Bitte Unterstützung bei den in der türkischen Hauptstadt residirenden Ge¬ sandten christlicher Mächte finden würde. Aber die Hoffnung wurde bitter ge¬ täuscht, das durch Bildung erworbene Recht nicht anerkannt. Die Pforte ver¬ weigerte auch das kleinste Zugestcindniß in der Angelegenheit und erklärte kurz und barsch, daß es beim Alten zu verbleiben habe. Bald erfuhr man, was der Abweisung zu Grunde gelegen. „Die uns gewordene Antwort," so sagt unser bulgarischer Berichterstatter, „war von einer Macht eingegeben, auf deren guten Willen man am meisten gebaut hatte. In Rom und Paris glaubte man Grund zu haben, sich über den Zwiespalt zwi¬ schen Volk und Kirche in Bulgarien zu freuen. Dauerte er fort, steigerte er sich — so rechnete man im Vatican — zum Bruch, dann war Hoffnung, daß das Land sich für den Papst und die römische Kirche gewinnen ließ, wie einst die Maroniten des Libanon. Wurde das Land — so lautete das Ergebniß des Studiums der bulgarischen Frage in den Tuilerien, — katholisch, dann gewann Frankreich die Sympathien desselben doppelt, einmal als Beschützer der unterdrückten Nationalitäten, andererseits als oberste und thätigste Schutzmacht aller Römisch-Katholischen in der Levante. Man hatte indeß die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Einige wenige ließen sich durch die Emissäre, die für den Plan werbend, unter den Bulgaren in Konstantinopel sowie in mehren Landbezirken umherzogen, gewinnen, aber auch diese nur deshalb, weil sie da¬ durch zu Schützlingen der französischen Gesandtschaft zu werden hoffen durften. Die große Mehrzahl des Volkes wies, dem angestammten Glauben treu, alle Anerbietungen der katholischen Propaganda von sich, und wenn die deutschen Zeitungen nach Pariser Berichten von bedeutenden Erfolgen jener Seelensischer Roms erzählten, so tischten sie dem Publicum arge Uebertreibungen auf. Wir wollen ebenso wenig Römische, als Griechische werden, erklärten die Bulgaren, und als die Regierung ihre Forderung nach einheimischen Bischöfen abgeschlagen, beschlossen sie sich, so weit möglich, selbst zu helfen. Sobald jetzt der griechische Bischof in der Kirche erscheint, entfernen wir uns. Niemand thut ihm etwas zu Leide, aber er lebt in der Stadt ohne allen Einfluß. Nur ein paar Panduren der Regierung, welche in den Dörfern umherziehen, um dem Volte ungerechte Abgaben abzunöthigen, halten zu ihm als zu ihrem 59-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/475>, abgerufen am 29.08.2024.