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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Ob die Einteilung des Bataillons in sechs oder in vier Compagnien
vortheilhafter sei, können wir hier nicht untersuchen. Erstere Eintheilung ge¬
stattet Dctachirungen von ein bis zwei Compagnien, ohne daß das Bataillon aus¬
hört, ein selbständiges taktisches Ganze zu bilden, ein Vorzug, der bei kleineren
Corps wohl zu berücksichtigen ist, und kann dann den Bataillonen eine größere
Starke zugetheilt werden. Die Stärke der Compagnien betreffend, sind wir
der Ansicht, daß nicht mehr als 150 Mann unter Gewehr genügend von dem
Compagnieführer geleitet werden können. Der Hauptmann kann eine größere
Anzahl junger Männer bei kurzer Dienstzeit unmöglich genau kennen und richtig
beurtheilen. Wir fügen nur noch die Bemerkung hinzu, daß die französische
Einrichtung, die Flügelcompagnien bei den Evolutionen zu Halbiren uns stets
fehlerhaft erschienen ist. Sehr gerechtfertigt ist das wiederholt lautgewordene Ver¬
langen, daß die Brigaden in geeigneter Jahreszeit und nicht zu offenem Terrain
alljährlich ein festes Lager beziehen, um größere" Uebungen durchzumachen, die
jungen Soldaten an das Lagerleben zu gewöhnen. Das Lagerleben bildet den
Soldaten vollständiger und rascher aus, als das Leben in der Garnison. Im
Leiter lernen Offiziere und Mannschaft erst sich gegenseitig kennen, das gemein¬
same Leben vereinigt beide zu einem Ganzen; den nothwendigen Uebungen
kann eine größere Ausdehnung und Mannigfaltigkeit gegeben werden, als dieses
in der Nähe der größeren Städte zu ermöglichen ist, auch werden dem Soldaten
die Uebungen erleichtert. ,

Die sardische Armee verdankte den alljährlich bezogenen Lagern ihre frühere
musterhafte Ausbildung. Die Jndelten schwedischen Regimenter, (eine eigen¬
thümliche Landwehr, in welcher der Obrist sowohl wie der gemeine Mann
anstatt des Soldes ein Gehöft bewirthschaftet) werden stets in Lager zusammen¬
gezogen und eingeübt. Kostspieliger Lqger, wie die der Engländer bei Alder-
shvtt, der Franzosen im römischen Lager bei Chalvns bedarf es nicht, so vor¬
theilhaft sie in mehrer Beziehung, namentlich für die höheren Befehlshaber
und die Herren vom Generalstabe auch sind. Luxuslager wie das k. sächsische
unweit Großenhain und das russische bei Kalisch waren nur Luxuslager und
sind daher verwerflich.

In Betreff der Ausbildung der Recruten, die freilich nach einem ratio¬
nelleren Princip zu bewerkstelligen ist, als nach der bisherigen althergebrachten
Routine, der zufolge der Unterricht damit begann, dem ungelenken Recruten
eine stramme Stellung und Haltung beizubringen, ihn die Gewehrgriffe zu lehren,
bevor er das ihm völlig unbekannte und fremde Gewehr anzufassen und in die
Hand zu nehmen vermochte, haben wir zu bemerken, daß die königlich sächsische
Armee den richtigen Grundsatz befolgt, die junge Mannschaft nicht in der
Garnison, sondern in entfernten Dörfern zusammenzuziehen. Vortheilhafter
wäre es freilich, die Recruten, anstatt sie bei den Landleuten einzuquartiren,


Ob die Einteilung des Bataillons in sechs oder in vier Compagnien
vortheilhafter sei, können wir hier nicht untersuchen. Erstere Eintheilung ge¬
stattet Dctachirungen von ein bis zwei Compagnien, ohne daß das Bataillon aus¬
hört, ein selbständiges taktisches Ganze zu bilden, ein Vorzug, der bei kleineren
Corps wohl zu berücksichtigen ist, und kann dann den Bataillonen eine größere
Starke zugetheilt werden. Die Stärke der Compagnien betreffend, sind wir
der Ansicht, daß nicht mehr als 150 Mann unter Gewehr genügend von dem
Compagnieführer geleitet werden können. Der Hauptmann kann eine größere
Anzahl junger Männer bei kurzer Dienstzeit unmöglich genau kennen und richtig
beurtheilen. Wir fügen nur noch die Bemerkung hinzu, daß die französische
Einrichtung, die Flügelcompagnien bei den Evolutionen zu Halbiren uns stets
fehlerhaft erschienen ist. Sehr gerechtfertigt ist das wiederholt lautgewordene Ver¬
langen, daß die Brigaden in geeigneter Jahreszeit und nicht zu offenem Terrain
alljährlich ein festes Lager beziehen, um größere« Uebungen durchzumachen, die
jungen Soldaten an das Lagerleben zu gewöhnen. Das Lagerleben bildet den
Soldaten vollständiger und rascher aus, als das Leben in der Garnison. Im
Leiter lernen Offiziere und Mannschaft erst sich gegenseitig kennen, das gemein¬
same Leben vereinigt beide zu einem Ganzen; den nothwendigen Uebungen
kann eine größere Ausdehnung und Mannigfaltigkeit gegeben werden, als dieses
in der Nähe der größeren Städte zu ermöglichen ist, auch werden dem Soldaten
die Uebungen erleichtert. ,

Die sardische Armee verdankte den alljährlich bezogenen Lagern ihre frühere
musterhafte Ausbildung. Die Jndelten schwedischen Regimenter, (eine eigen¬
thümliche Landwehr, in welcher der Obrist sowohl wie der gemeine Mann
anstatt des Soldes ein Gehöft bewirthschaftet) werden stets in Lager zusammen¬
gezogen und eingeübt. Kostspieliger Lqger, wie die der Engländer bei Alder-
shvtt, der Franzosen im römischen Lager bei Chalvns bedarf es nicht, so vor¬
theilhaft sie in mehrer Beziehung, namentlich für die höheren Befehlshaber
und die Herren vom Generalstabe auch sind. Luxuslager wie das k. sächsische
unweit Großenhain und das russische bei Kalisch waren nur Luxuslager und
sind daher verwerflich.

In Betreff der Ausbildung der Recruten, die freilich nach einem ratio¬
nelleren Princip zu bewerkstelligen ist, als nach der bisherigen althergebrachten
Routine, der zufolge der Unterricht damit begann, dem ungelenken Recruten
eine stramme Stellung und Haltung beizubringen, ihn die Gewehrgriffe zu lehren,
bevor er das ihm völlig unbekannte und fremde Gewehr anzufassen und in die
Hand zu nehmen vermochte, haben wir zu bemerken, daß die königlich sächsische
Armee den richtigen Grundsatz befolgt, die junge Mannschaft nicht in der
Garnison, sondern in entfernten Dörfern zusammenzuziehen. Vortheilhafter
wäre es freilich, die Recruten, anstatt sie bei den Landleuten einzuquartiren,


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[0466] Ob die Einteilung des Bataillons in sechs oder in vier Compagnien vortheilhafter sei, können wir hier nicht untersuchen. Erstere Eintheilung ge¬ stattet Dctachirungen von ein bis zwei Compagnien, ohne daß das Bataillon aus¬ hört, ein selbständiges taktisches Ganze zu bilden, ein Vorzug, der bei kleineren Corps wohl zu berücksichtigen ist, und kann dann den Bataillonen eine größere Starke zugetheilt werden. Die Stärke der Compagnien betreffend, sind wir der Ansicht, daß nicht mehr als 150 Mann unter Gewehr genügend von dem Compagnieführer geleitet werden können. Der Hauptmann kann eine größere Anzahl junger Männer bei kurzer Dienstzeit unmöglich genau kennen und richtig beurtheilen. Wir fügen nur noch die Bemerkung hinzu, daß die französische Einrichtung, die Flügelcompagnien bei den Evolutionen zu Halbiren uns stets fehlerhaft erschienen ist. Sehr gerechtfertigt ist das wiederholt lautgewordene Ver¬ langen, daß die Brigaden in geeigneter Jahreszeit und nicht zu offenem Terrain alljährlich ein festes Lager beziehen, um größere« Uebungen durchzumachen, die jungen Soldaten an das Lagerleben zu gewöhnen. Das Lagerleben bildet den Soldaten vollständiger und rascher aus, als das Leben in der Garnison. Im Leiter lernen Offiziere und Mannschaft erst sich gegenseitig kennen, das gemein¬ same Leben vereinigt beide zu einem Ganzen; den nothwendigen Uebungen kann eine größere Ausdehnung und Mannigfaltigkeit gegeben werden, als dieses in der Nähe der größeren Städte zu ermöglichen ist, auch werden dem Soldaten die Uebungen erleichtert. , Die sardische Armee verdankte den alljährlich bezogenen Lagern ihre frühere musterhafte Ausbildung. Die Jndelten schwedischen Regimenter, (eine eigen¬ thümliche Landwehr, in welcher der Obrist sowohl wie der gemeine Mann anstatt des Soldes ein Gehöft bewirthschaftet) werden stets in Lager zusammen¬ gezogen und eingeübt. Kostspieliger Lqger, wie die der Engländer bei Alder- shvtt, der Franzosen im römischen Lager bei Chalvns bedarf es nicht, so vor¬ theilhaft sie in mehrer Beziehung, namentlich für die höheren Befehlshaber und die Herren vom Generalstabe auch sind. Luxuslager wie das k. sächsische unweit Großenhain und das russische bei Kalisch waren nur Luxuslager und sind daher verwerflich. In Betreff der Ausbildung der Recruten, die freilich nach einem ratio¬ nelleren Princip zu bewerkstelligen ist, als nach der bisherigen althergebrachten Routine, der zufolge der Unterricht damit begann, dem ungelenken Recruten eine stramme Stellung und Haltung beizubringen, ihn die Gewehrgriffe zu lehren, bevor er das ihm völlig unbekannte und fremde Gewehr anzufassen und in die Hand zu nehmen vermochte, haben wir zu bemerken, daß die königlich sächsische Armee den richtigen Grundsatz befolgt, die junge Mannschaft nicht in der Garnison, sondern in entfernten Dörfern zusammenzuziehen. Vortheilhafter wäre es freilich, die Recruten, anstatt sie bei den Landleuten einzuquartiren,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/466>, abgerufen am 28.08.2024.