Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.Aqua Pavlina Hervordlinken; über die Basteien auf dem Höhenrande ragen die 56*
Aqua Pavlina Hervordlinken; über die Basteien auf dem Höhenrande ragen die 56*
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Aqua Pavlina Hervordlinken; über die Basteien auf dem Höhenrande ragen die
Pinicnhaine der Villa Pamphili hervor. Links schweift der Blick weiter über
das große Hospiz von >se. Michele hinweg in die Campagna. während er,
wenn wir uns noch mehr nach dieser Seite wenden, begrenzt wird durch den Ka¬
pitolinischen Hügel, durch den Torre della Milizie und'durch den päpstlichen Pa¬
last auf dem Quirinal. Auf der anderen Seite des Pincio sieht man hinab
in den Park der Villa Borghese und über das dunkle Laub der immergrü¬
nen Steineichen hinweg auf das Sabinergebirge und die Schneegipfel der
Abruzzen. Von den Spaziergängern ist die Hälfte französische Soldaten, der
Rest eine bunte Gesellschaft. Hier wandelt ein Cardina-l im scharlachnen Man¬
tel, ditto Strümpfen, Handschuhen und Band um den Hut, mit seinem schwär.
zen Gentiluomv auf und ab, gefolgt von drei Bedienten in schlotternden, ab¬
geschabten Livreen; die rothe Carosse fährt langsam nebenher. Da kommt
ein Zug von Jünglingen und Knaben daher in langem käseartigen Ueberwurf
mit herabhangenden Aermeln, eine Schärpe um den'Leib und auf dem Kopfe
den Dreimaster der Jesuiten; paarweise gehen sie; ein komischer Contrast, die
jugendlichen Gesichter und der ehrbare Anzug. Es sind Zöglinge der geistlichen
Collegien. die Nationalitäten durch Farben geschieden, die rothen sind die
Deutschen, die violetten Franzosen, die hellblauen Engländerund Schotten, die
weißen Spanier und die schwarzen von der Propaganda Fide. junge Missionäre,
in allen Sprachen der Welt redend. Außerhalb "der Stadt sieht man zuweilen,
wie diese Knaben die Ehrbarkeit bei Seite legen, das Gewand hoch schürzen,
lausen, springen und spielen, wie andere ihres Alters. Um uns herum hören
wir wenig Italienisch, etwas Deutsch, viel Englisch und noch mehr Französisch
reden. Die Deutschen erkennst Du an der vernachlässigten Toilette und an der
Bescheidenheit, mit der sie auftreten, die Engländer an ihrem praktischen, so¬
liden, um die übrige Welt unbekümmerten Wesen und Anzüge, an dem
schlanken Wuchse und dem frischen, gesunden, thatkräftigen Aussehen. Alle
Franzosen und Französinnen haben einen fatalen Anstrich von äsmi rrwncke.
Die Römerin rauscht in Sammet und Seide mit stolzer Haltung und ruhigem
Blicke an uns vorüber; der Mann an ihrem Arme trägt einen ganz neuen Hut,
neue Handschuhe und einen frischbereitctcn Scheitel, raucht aber die billigsten
und übelriechendsten Cigarren. Man sieht viele sehr elegante Equipagen. Die
Römerin von Stande zeigt sich öffentlich nie zu Fuß; hat sie Einkäufe zu be¬
sorgen, so läßt sie ihren Wagen vor dem Laden halten und der Kaufmann
muß sich mit den gewünschten Waaren an den Wagenschlag begeben. Auf dem
Pincio siehst Du sie täglich, wie sie in die Kissen nachlässig zurückgelehnt mit halb
zugeschlossenen Augen, gelangweiltem Gesicht auf die Fußgänger herabschaut, die¬
sen oder j^enen Bekannten mit einer graziösen Kopf- und Handbewegung grüßend.
Jahr aus Jahr ein fährt sie um vier Uhr in die Villa Borghese, dann auf den
Pincio und nach dem Ave Maria den Corso auf und ab, und man sagt, daß
viele nie die Campagna, nie das Colosseum gesehen haben. Horch! die Musik
spielt soeben ein deutsches Lied: Kückens „Wer will unter die Soldaten" :c.
Uns hüpft das Herz; wir fragen einen rotbhosigen Soldaten, was das für
ein Stück sei, und er antwortet: „e'est le etant. clos cent garäes". Setzen
wir uns auf eine Bank und lassen wir die Menschen an uns vorübergehen.
Wer ist der dort? Es ist Lord X., der bei Sebastopol einen Arm verlor; jene
Dame ist Lady N„ deren Mann in Indien umgebracht wurde und die nicht
gleichgültig gegen den vornehm aussehenden Mann sein soll, der an ihrem
Wagen steht; dieser aber ist der ExPräsident einer südamerikanischen Republik,
der. um ans Ruder zu gelangen, die ganze Notablenversammlung seines Vater-
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