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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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hinein und, heraus.' Von den 210 größeren Kirchen der Stadt feiert jede außer
dem Stiftungsfeste noch den Namenstag irgend eines Heiligen, diese oder jene
kirchengeschichtliche Begebenheit. Man kann sich also vorstellen, wie kein Tag
vergeht, ohne mindestens eine dieser Kirchenfeierlichkeiten gesehen zu haben,
und wenn sie auch mit dem vollendetsten Geschmacke, mit dem großartigsten
Pompe, der in Se. Peter, wenn der Papst in der Procession einherzieht, seinen
Kulminationspunkt erreicht, aufgeführt werden, so verlieren sie doch durch die
ewige Wiederholung bald von ihrem Reize.

Wir sind auf dem Navonaplatz. dem umfangreichsten der Stadt, denn er
nimmt den ganzen Raum des alten Circus agonale ein, dessen Form man deut¬
lich erkennen kann. Ein großartiger Springbrunnen, zwei kleinere zu seineu
Seiten zieren den Platz. Was Rom von allen anderen Städten unterscheidet,
ist die Menge der Fontainen auf öffentlichen Plätzen und in den Straßen.
Von den elf Wasserleitungen der Cäsaren und Konsuln sind drei wieder her¬
gestellt, um eine Fluth gesunden und kühlen Wassers in die Marmorbecken zu
ergießen. Die Aqua Paolina versorgt den ganzen Stadttheil des rechten Tiber¬
ufers mit Wasser, füllt die unvergleichlichen Fontainen ^des Petersplatzes und
speist, unter dem Ponte Sisto über den Fluß geleitet, die Brunnen am Farne¬
sischen und Navonaplatz. Wer in Rom war, hat jene altberühmten Hügel des
Janiculus besucht, die von Porsenna bis zu den Zeiten der letzten französischen
Belagerung so manches feindliche Heer über der Stadt erscheinen sahen ; wer
hat nicht dort, wo die Aqua Paolina in mächtigen Wasserströmen hervorbraust,
über San Pietro in Mvntorio hinweggeschaut über die ewige Stadt und das
Land bis zu den fernen Bergen, die der Abend mit wundervoll farbigem Dufte,
mit einem durchsichtigen Schleier bedeckt? Es ist bezaubernd schön, dort auf
jener Höhe unter Wein- und Obstgärten und Ruinen. Auf dem weilen Trüm-
merfelde der Stad.t sind, nächst de,in Colosseum. die Ruinen der Thermen die
bedeutendsten; geborsten strecken die gewaltigen Wölbungen und Mauern sich
gen Himmel, zur Schmach der ungewaschenen Nachkommenschaft. Denn der
moderne Römer hat einen Widerwillen gegen den äußeren und inneren Ge¬
brauch des Wassers; "lÄ mal^ sagt er, trinkt Wein und badet sich nie. Zu
seiner Ehre müssen wir aber gestehen, daß Hoch und Gering einen ebenso
billigen als anmuthigen Luxus mit Wäsche treibt, und daß das reichlich zur
Schau getragene Weißzeug der Nationaltracht stets von blendender Frische ist.

Der Navonaplatz ist das Hauptquartier der Trödler und Antiquitäten¬
krämer, und der Sammler kann manchen interessanten Fund machen unter allen
den Kuriositäten, die vom elendesten rostigen Nagel, vom abgetragensten Schuh oder
Hut bis zu vergoldeten Möbeln', römischen Alterthümern und den seltensten Büchern
vor ihm ausgebreitet sind. Da ist neben der geschmacklosen Facade der Kirche
S. Agnese ein Marionettentheater; ungeheure Anschlagzettel mit lebensgroßen,


hinein und, heraus.' Von den 210 größeren Kirchen der Stadt feiert jede außer
dem Stiftungsfeste noch den Namenstag irgend eines Heiligen, diese oder jene
kirchengeschichtliche Begebenheit. Man kann sich also vorstellen, wie kein Tag
vergeht, ohne mindestens eine dieser Kirchenfeierlichkeiten gesehen zu haben,
und wenn sie auch mit dem vollendetsten Geschmacke, mit dem großartigsten
Pompe, der in Se. Peter, wenn der Papst in der Procession einherzieht, seinen
Kulminationspunkt erreicht, aufgeführt werden, so verlieren sie doch durch die
ewige Wiederholung bald von ihrem Reize.

Wir sind auf dem Navonaplatz. dem umfangreichsten der Stadt, denn er
nimmt den ganzen Raum des alten Circus agonale ein, dessen Form man deut¬
lich erkennen kann. Ein großartiger Springbrunnen, zwei kleinere zu seineu
Seiten zieren den Platz. Was Rom von allen anderen Städten unterscheidet,
ist die Menge der Fontainen auf öffentlichen Plätzen und in den Straßen.
Von den elf Wasserleitungen der Cäsaren und Konsuln sind drei wieder her¬
gestellt, um eine Fluth gesunden und kühlen Wassers in die Marmorbecken zu
ergießen. Die Aqua Paolina versorgt den ganzen Stadttheil des rechten Tiber¬
ufers mit Wasser, füllt die unvergleichlichen Fontainen ^des Petersplatzes und
speist, unter dem Ponte Sisto über den Fluß geleitet, die Brunnen am Farne¬
sischen und Navonaplatz. Wer in Rom war, hat jene altberühmten Hügel des
Janiculus besucht, die von Porsenna bis zu den Zeiten der letzten französischen
Belagerung so manches feindliche Heer über der Stadt erscheinen sahen ; wer
hat nicht dort, wo die Aqua Paolina in mächtigen Wasserströmen hervorbraust,
über San Pietro in Mvntorio hinweggeschaut über die ewige Stadt und das
Land bis zu den fernen Bergen, die der Abend mit wundervoll farbigem Dufte,
mit einem durchsichtigen Schleier bedeckt? Es ist bezaubernd schön, dort auf
jener Höhe unter Wein- und Obstgärten und Ruinen. Auf dem weilen Trüm-
merfelde der Stad.t sind, nächst de,in Colosseum. die Ruinen der Thermen die
bedeutendsten; geborsten strecken die gewaltigen Wölbungen und Mauern sich
gen Himmel, zur Schmach der ungewaschenen Nachkommenschaft. Denn der
moderne Römer hat einen Widerwillen gegen den äußeren und inneren Ge¬
brauch des Wassers; „lÄ mal^ sagt er, trinkt Wein und badet sich nie. Zu
seiner Ehre müssen wir aber gestehen, daß Hoch und Gering einen ebenso
billigen als anmuthigen Luxus mit Wäsche treibt, und daß das reichlich zur
Schau getragene Weißzeug der Nationaltracht stets von blendender Frische ist.

Der Navonaplatz ist das Hauptquartier der Trödler und Antiquitäten¬
krämer, und der Sammler kann manchen interessanten Fund machen unter allen
den Kuriositäten, die vom elendesten rostigen Nagel, vom abgetragensten Schuh oder
Hut bis zu vergoldeten Möbeln', römischen Alterthümern und den seltensten Büchern
vor ihm ausgebreitet sind. Da ist neben der geschmacklosen Facade der Kirche
S. Agnese ein Marionettentheater; ungeheure Anschlagzettel mit lebensgroßen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/445>, abgerufen am 26.08.2024.