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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Klingeln am Halse, ohne Zaum, das Getreide oder die Waaren auf mächtigem
Packsattel, so ziehen die Lastpferde langsam den Speichern in der Stadt zu.
Ist die Last abgeliefert, dann versammeln sie sich zu Hunderten um die öffent¬
lichen Brunnen; gegen Mittag wird der Rückweg angetreten. Der Leitgaul
kennt genau den Weg durch die winkeligen Gassen zum Thore hinaus; in kur¬
zem paßartigen Trabe, die Führer nachlässig hinter dem Zuge, zuweilen durch
Zuruf die Heerde ermunternd, eine Wolke Staubes auswirbelnd, so geht es
wieder in die Campagna; zwanglos bleiben einzelne Thiere bei besonders ver¬
lockenden Grasbüscheln am Wege stehen, um nachher in langem Galopp den
Zug wieder einzuholen. Und noch lebendiger ist das. Bild, wenn eine Heerde
junger Pferde, um von einem Tiberufer auf das andere zu gelangen, durch die
bevölkerten Straßen der Stadt getrieben wird. Trübselig nagt der mit allen
Knochenfehlern behaftete Karrengaul an dem Heubündel, das ihm sein Peiniger
vorn an den rechten Arm der Gabeldeichsel gebunden hat und schaut theilnahm¬
los auf die munteren, springenden, hintenausschlagenden Füllen hin; in einem
Fiakergaul regen sich vielleicht jugendliche Erinnerungen und verlocken ihn zu
einigen Extavaganzen; der stolze Clevelander vor der Karosse spitzt ganz verwundert
die Ohren; uns aber, den polizeilich so gut geschulten Deutschen, will solche
Zwanglosigkeit gar nicht recht in den Sinn passen.

Zahlreich kommen hohe zweirädrige Ochsenkarren zu den Thoren herein.
Ein merkwürdiges Gestell, solch ein Karren, ein Gefährt der allerprimitivsten
Alt; die Räder 8 bis 9 Fuß im Durchmesser, das Geleise wohl 7 Fuß breit.
Auf der Achse valancirt eine Bretterlage, die mit Fässern, Kisten und Korn-
säckeN thurmartig beladen ist, und da, wo die Deichsel beginnt, ein aus Holz
und Häuten construirter Schirm, welcher, drehbar, dem Karrensührer Schutz
gegen die Sonne, den Wind und den Regen gewährt. An einem solchen Karren
hängt ein Wirrwarr von Töpfen, Flaschen, Bündeln und Stricken herum, das
drs oimbulünte Einrichtung des Führers ausmacht, der oft mehre Tagereisen
weit herkommt und gewohnt ist im Freien zu campiren. Der Mensch steht
aufrecht und lenkt mit einem langen Stäbe das Gespann der weißen, breit und
gewaltig gehörnten Stiere von demselben Schlage, wie ihn schon die Relief¬
darstellungen der Alten ausweisen. Das Campo Vaccino, das Forum Ro-
manum, in dessen Nähe die Magazine der Regierung, ist der Sammelplatz
dieser Karren, wo sie in eine Art von Wagenburg auffahren, die Thiere aber
träge und wiederkäuend im Sonnenschein lagern.

Auf leichtem Vehikel, das Pferd phantastisch mit Federbusch, bunten Quasten
und Messingbeschlägen aufgeputzt, jagt ein iriei-eg,lief al eainpagrul oder Tenuten-
besitzer über den vor uns liegenden Platz, seine schwarzäugige Donna neben
sich auf dem Sitze. Auch eine Rinderheerde kommt daher, von berittenen Hir¬
ten geleitet; einer der Stiere, von Heimweh erfaßt, wie von einer fixen Idee


Klingeln am Halse, ohne Zaum, das Getreide oder die Waaren auf mächtigem
Packsattel, so ziehen die Lastpferde langsam den Speichern in der Stadt zu.
Ist die Last abgeliefert, dann versammeln sie sich zu Hunderten um die öffent¬
lichen Brunnen; gegen Mittag wird der Rückweg angetreten. Der Leitgaul
kennt genau den Weg durch die winkeligen Gassen zum Thore hinaus; in kur¬
zem paßartigen Trabe, die Führer nachlässig hinter dem Zuge, zuweilen durch
Zuruf die Heerde ermunternd, eine Wolke Staubes auswirbelnd, so geht es
wieder in die Campagna; zwanglos bleiben einzelne Thiere bei besonders ver¬
lockenden Grasbüscheln am Wege stehen, um nachher in langem Galopp den
Zug wieder einzuholen. Und noch lebendiger ist das. Bild, wenn eine Heerde
junger Pferde, um von einem Tiberufer auf das andere zu gelangen, durch die
bevölkerten Straßen der Stadt getrieben wird. Trübselig nagt der mit allen
Knochenfehlern behaftete Karrengaul an dem Heubündel, das ihm sein Peiniger
vorn an den rechten Arm der Gabeldeichsel gebunden hat und schaut theilnahm¬
los auf die munteren, springenden, hintenausschlagenden Füllen hin; in einem
Fiakergaul regen sich vielleicht jugendliche Erinnerungen und verlocken ihn zu
einigen Extavaganzen; der stolze Clevelander vor der Karosse spitzt ganz verwundert
die Ohren; uns aber, den polizeilich so gut geschulten Deutschen, will solche
Zwanglosigkeit gar nicht recht in den Sinn passen.

Zahlreich kommen hohe zweirädrige Ochsenkarren zu den Thoren herein.
Ein merkwürdiges Gestell, solch ein Karren, ein Gefährt der allerprimitivsten
Alt; die Räder 8 bis 9 Fuß im Durchmesser, das Geleise wohl 7 Fuß breit.
Auf der Achse valancirt eine Bretterlage, die mit Fässern, Kisten und Korn-
säckeN thurmartig beladen ist, und da, wo die Deichsel beginnt, ein aus Holz
und Häuten construirter Schirm, welcher, drehbar, dem Karrensührer Schutz
gegen die Sonne, den Wind und den Regen gewährt. An einem solchen Karren
hängt ein Wirrwarr von Töpfen, Flaschen, Bündeln und Stricken herum, das
drs oimbulünte Einrichtung des Führers ausmacht, der oft mehre Tagereisen
weit herkommt und gewohnt ist im Freien zu campiren. Der Mensch steht
aufrecht und lenkt mit einem langen Stäbe das Gespann der weißen, breit und
gewaltig gehörnten Stiere von demselben Schlage, wie ihn schon die Relief¬
darstellungen der Alten ausweisen. Das Campo Vaccino, das Forum Ro-
manum, in dessen Nähe die Magazine der Regierung, ist der Sammelplatz
dieser Karren, wo sie in eine Art von Wagenburg auffahren, die Thiere aber
träge und wiederkäuend im Sonnenschein lagern.

Auf leichtem Vehikel, das Pferd phantastisch mit Federbusch, bunten Quasten
und Messingbeschlägen aufgeputzt, jagt ein iriei-eg,lief al eainpagrul oder Tenuten-
besitzer über den vor uns liegenden Platz, seine schwarzäugige Donna neben
sich auf dem Sitze. Auch eine Rinderheerde kommt daher, von berittenen Hir¬
ten geleitet; einer der Stiere, von Heimweh erfaßt, wie von einer fixen Idee


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[0436] Klingeln am Halse, ohne Zaum, das Getreide oder die Waaren auf mächtigem Packsattel, so ziehen die Lastpferde langsam den Speichern in der Stadt zu. Ist die Last abgeliefert, dann versammeln sie sich zu Hunderten um die öffent¬ lichen Brunnen; gegen Mittag wird der Rückweg angetreten. Der Leitgaul kennt genau den Weg durch die winkeligen Gassen zum Thore hinaus; in kur¬ zem paßartigen Trabe, die Führer nachlässig hinter dem Zuge, zuweilen durch Zuruf die Heerde ermunternd, eine Wolke Staubes auswirbelnd, so geht es wieder in die Campagna; zwanglos bleiben einzelne Thiere bei besonders ver¬ lockenden Grasbüscheln am Wege stehen, um nachher in langem Galopp den Zug wieder einzuholen. Und noch lebendiger ist das. Bild, wenn eine Heerde junger Pferde, um von einem Tiberufer auf das andere zu gelangen, durch die bevölkerten Straßen der Stadt getrieben wird. Trübselig nagt der mit allen Knochenfehlern behaftete Karrengaul an dem Heubündel, das ihm sein Peiniger vorn an den rechten Arm der Gabeldeichsel gebunden hat und schaut theilnahm¬ los auf die munteren, springenden, hintenausschlagenden Füllen hin; in einem Fiakergaul regen sich vielleicht jugendliche Erinnerungen und verlocken ihn zu einigen Extavaganzen; der stolze Clevelander vor der Karosse spitzt ganz verwundert die Ohren; uns aber, den polizeilich so gut geschulten Deutschen, will solche Zwanglosigkeit gar nicht recht in den Sinn passen. Zahlreich kommen hohe zweirädrige Ochsenkarren zu den Thoren herein. Ein merkwürdiges Gestell, solch ein Karren, ein Gefährt der allerprimitivsten Alt; die Räder 8 bis 9 Fuß im Durchmesser, das Geleise wohl 7 Fuß breit. Auf der Achse valancirt eine Bretterlage, die mit Fässern, Kisten und Korn- säckeN thurmartig beladen ist, und da, wo die Deichsel beginnt, ein aus Holz und Häuten construirter Schirm, welcher, drehbar, dem Karrensührer Schutz gegen die Sonne, den Wind und den Regen gewährt. An einem solchen Karren hängt ein Wirrwarr von Töpfen, Flaschen, Bündeln und Stricken herum, das drs oimbulünte Einrichtung des Führers ausmacht, der oft mehre Tagereisen weit herkommt und gewohnt ist im Freien zu campiren. Der Mensch steht aufrecht und lenkt mit einem langen Stäbe das Gespann der weißen, breit und gewaltig gehörnten Stiere von demselben Schlage, wie ihn schon die Relief¬ darstellungen der Alten ausweisen. Das Campo Vaccino, das Forum Ro- manum, in dessen Nähe die Magazine der Regierung, ist der Sammelplatz dieser Karren, wo sie in eine Art von Wagenburg auffahren, die Thiere aber träge und wiederkäuend im Sonnenschein lagern. Auf leichtem Vehikel, das Pferd phantastisch mit Federbusch, bunten Quasten und Messingbeschlägen aufgeputzt, jagt ein iriei-eg,lief al eainpagrul oder Tenuten- besitzer über den vor uns liegenden Platz, seine schwarzäugige Donna neben sich auf dem Sitze. Auch eine Rinderheerde kommt daher, von berittenen Hir¬ ten geleitet; einer der Stiere, von Heimweh erfaßt, wie von einer fixen Idee

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/436>, abgerufen am 26.08.2024.