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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Die deutsche Flotte vor der Marinecomimssion des
Abgeordnetenhauses.

Wenn die deutsche Nation, und voran das preußische Volk, mit seltener
Energie die Herstellung einer Kriegsflotte forderte, wenn die Nation sich
eine freiwillige Besteuerung von mehr als einer halben Million Thaler auf¬
erlegte, um den Ernst ihres Wunsches darzuthun, so waren es zwei Motive,
welche dieser in Deutschland außerordentlichen Erscheinung zu Grunde lagen,
-- ein allgemeines und ein der momentanen Lage entnommenes Motiv.

Das allgemeine -- die Nation hält sich nicht länger für bestimmt, unter
dem Zwiespalt ihrer hohen und höchsten Regierungen zu Grunde zu gehen,
sondern glaubt, daß auch sie ein Recht habe, unter den Völkern Europa's
ebenbürtig dazustehen, weiß aber, daß ihre Geltung in der Welt von dem
Besitz einer Flotte abhängt, daß ihr Wohlstand durch die Blüthe ihres Welt¬
handels, dieser aber durch den Schutz ihrer Kriegsmarine bedingt ist.

Dazu kommt aber ein besonderes Motiv. Die deutsche Nation, und vor
allem Preußen, haben nicht nur geduldet, daß eine nach dem legitimsten Rechte
und nach dem Rechte der Nationalität zu Deutschland gehörige Bevölkerung von
Deutschland abgerissen ist, und von einem kleinen Nachbarvolke noch jetzt mi߬
handelt wird, sondern die Herzogtümer Schleswig-Holstein sind sogar durch
deutsche Truppen entwaffnet und den Dänen überliefert worden. Es geschah das
gleichzeitig mit der Verauctionirung der deutschen Flotte. -- Selbst dem blöde¬
sten Auge ist es klar, nicht nur daß die Befreiung der deutschen Herzogthümer
ein höchstes und letztes Gebot der nationalen Ehre ist -- Preußen und
Deutschland werden unter den Völkern Europa's ohne Geltung sein, so lange
als bis jene Schuld gesühnt ist. Diese Sühne ist aber nur durch eine Flotte
möglich. Dänemark, der unterdrückende Feind, ist wesentlich Inselstaat, und
wenn auch eine der kleinsten Seemächte -- immerhin eine Seemacht, die
mehr Schiffe besitzt, als das sechzehn Mal größere Deutschland. Wer von
Sympathien für die von den Dänen wegen ihrer deutschen Gesinnung zer¬
tretenen Herzogthümer spricht, ohne die Herstellung einer, wenn auch nur
sehr mäßigen deutschen Flotte zu wollen, ist entweder Dummkopf oder Heuchler.

Wenn wir die Begeisterung, welche sich sür den Gedanken einer deutschen
Flotte kundgegeben hat, richtig auffassen, so sind die Empfindungen, welche
sich an das traurige Schicksal der deutschen Herzogthümer knüpfen, die Ge-


Grenjboten III. 1L62.
Die deutsche Flotte vor der Marinecomimssion des
Abgeordnetenhauses.

Wenn die deutsche Nation, und voran das preußische Volk, mit seltener
Energie die Herstellung einer Kriegsflotte forderte, wenn die Nation sich
eine freiwillige Besteuerung von mehr als einer halben Million Thaler auf¬
erlegte, um den Ernst ihres Wunsches darzuthun, so waren es zwei Motive,
welche dieser in Deutschland außerordentlichen Erscheinung zu Grunde lagen,
— ein allgemeines und ein der momentanen Lage entnommenes Motiv.

Das allgemeine — die Nation hält sich nicht länger für bestimmt, unter
dem Zwiespalt ihrer hohen und höchsten Regierungen zu Grunde zu gehen,
sondern glaubt, daß auch sie ein Recht habe, unter den Völkern Europa's
ebenbürtig dazustehen, weiß aber, daß ihre Geltung in der Welt von dem
Besitz einer Flotte abhängt, daß ihr Wohlstand durch die Blüthe ihres Welt¬
handels, dieser aber durch den Schutz ihrer Kriegsmarine bedingt ist.

Dazu kommt aber ein besonderes Motiv. Die deutsche Nation, und vor
allem Preußen, haben nicht nur geduldet, daß eine nach dem legitimsten Rechte
und nach dem Rechte der Nationalität zu Deutschland gehörige Bevölkerung von
Deutschland abgerissen ist, und von einem kleinen Nachbarvolke noch jetzt mi߬
handelt wird, sondern die Herzogtümer Schleswig-Holstein sind sogar durch
deutsche Truppen entwaffnet und den Dänen überliefert worden. Es geschah das
gleichzeitig mit der Verauctionirung der deutschen Flotte. — Selbst dem blöde¬
sten Auge ist es klar, nicht nur daß die Befreiung der deutschen Herzogthümer
ein höchstes und letztes Gebot der nationalen Ehre ist — Preußen und
Deutschland werden unter den Völkern Europa's ohne Geltung sein, so lange
als bis jene Schuld gesühnt ist. Diese Sühne ist aber nur durch eine Flotte
möglich. Dänemark, der unterdrückende Feind, ist wesentlich Inselstaat, und
wenn auch eine der kleinsten Seemächte — immerhin eine Seemacht, die
mehr Schiffe besitzt, als das sechzehn Mal größere Deutschland. Wer von
Sympathien für die von den Dänen wegen ihrer deutschen Gesinnung zer¬
tretenen Herzogthümer spricht, ohne die Herstellung einer, wenn auch nur
sehr mäßigen deutschen Flotte zu wollen, ist entweder Dummkopf oder Heuchler.

Wenn wir die Begeisterung, welche sich sür den Gedanken einer deutschen
Flotte kundgegeben hat, richtig auffassen, so sind die Empfindungen, welche
sich an das traurige Schicksal der deutschen Herzogthümer knüpfen, die Ge-


Grenjboten III. 1L62.
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[0409] Die deutsche Flotte vor der Marinecomimssion des Abgeordnetenhauses. Wenn die deutsche Nation, und voran das preußische Volk, mit seltener Energie die Herstellung einer Kriegsflotte forderte, wenn die Nation sich eine freiwillige Besteuerung von mehr als einer halben Million Thaler auf¬ erlegte, um den Ernst ihres Wunsches darzuthun, so waren es zwei Motive, welche dieser in Deutschland außerordentlichen Erscheinung zu Grunde lagen, — ein allgemeines und ein der momentanen Lage entnommenes Motiv. Das allgemeine — die Nation hält sich nicht länger für bestimmt, unter dem Zwiespalt ihrer hohen und höchsten Regierungen zu Grunde zu gehen, sondern glaubt, daß auch sie ein Recht habe, unter den Völkern Europa's ebenbürtig dazustehen, weiß aber, daß ihre Geltung in der Welt von dem Besitz einer Flotte abhängt, daß ihr Wohlstand durch die Blüthe ihres Welt¬ handels, dieser aber durch den Schutz ihrer Kriegsmarine bedingt ist. Dazu kommt aber ein besonderes Motiv. Die deutsche Nation, und vor allem Preußen, haben nicht nur geduldet, daß eine nach dem legitimsten Rechte und nach dem Rechte der Nationalität zu Deutschland gehörige Bevölkerung von Deutschland abgerissen ist, und von einem kleinen Nachbarvolke noch jetzt mi߬ handelt wird, sondern die Herzogtümer Schleswig-Holstein sind sogar durch deutsche Truppen entwaffnet und den Dänen überliefert worden. Es geschah das gleichzeitig mit der Verauctionirung der deutschen Flotte. — Selbst dem blöde¬ sten Auge ist es klar, nicht nur daß die Befreiung der deutschen Herzogthümer ein höchstes und letztes Gebot der nationalen Ehre ist — Preußen und Deutschland werden unter den Völkern Europa's ohne Geltung sein, so lange als bis jene Schuld gesühnt ist. Diese Sühne ist aber nur durch eine Flotte möglich. Dänemark, der unterdrückende Feind, ist wesentlich Inselstaat, und wenn auch eine der kleinsten Seemächte — immerhin eine Seemacht, die mehr Schiffe besitzt, als das sechzehn Mal größere Deutschland. Wer von Sympathien für die von den Dänen wegen ihrer deutschen Gesinnung zer¬ tretenen Herzogthümer spricht, ohne die Herstellung einer, wenn auch nur sehr mäßigen deutschen Flotte zu wollen, ist entweder Dummkopf oder Heuchler. Wenn wir die Begeisterung, welche sich sür den Gedanken einer deutschen Flotte kundgegeben hat, richtig auffassen, so sind die Empfindungen, welche sich an das traurige Schicksal der deutschen Herzogthümer knüpfen, die Ge- Grenjboten III. 1L62.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/409>, abgerufen am 22.07.2024.