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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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doch ist derselbe einer fast unbegrenzten Ausdehnung nach dem Innern hin fähig,
da die Eingebornen sich gern an das mehr Sicherheit gewährende Land an¬
schließen. Das Gebiet von Liberia ist durch mehr als zwanzig Verträge mit
den Wilden im Innern zusammengekauft worden. Sein Hauptaugenmerk rich¬
tete man dabei auf die Striche an der See. welche die verschiedenen Nieder¬
lassungen einst trennten und jetzt zu einem compacten Ganzen verbinden, und
durch deren Erwerb erst die Möglichkeit erlangt war, den Sklavenhandel, der
früher hier in größter Ausdehnung betrieben wurde, vollkommen auszuschließen.
Friedlicher Ackerbau und immer mehr aufblühender Handel verbreiten ihre Seg¬
nungen jetzt, wo vor wenigen Jahrzehnten noch Raub und Verkauf von Men¬
schen fast das einzige lebhast betriebene Geschäft der Stämme dieser Küste war.

Die ersten Ansiedler kamen am 25. April 1822 in Liberia an. Sie stiegen
am Cap Mesurado ans Land, zogen, sich als Colonie der Vereinigten Staa¬
ten betrachtend, die amerikanische Flagge aufund gründeten Monrovia, die jetzige
Hauptstadt des Landes. Ein Vierteljahrhundert verblieben sie hier unter der
Obhut der genannten Cvlonisationsgesellschaft, die sie von Gouverneurs re¬
gieren ließ. Am 24. August 1847 endlich wurden sie und die später Hinzu-
gekvmmenen zu einem freien und unabhängigen Staat erklärt, der den Namen
der Republik Liberia erhielt und sofort von England und Frankreich, dann
allmächtig auch von den übrigen Seemächten Europa's anerkannt wurde. Später
erfolgte die Anerkennung mehrer amerikanischer Staaten. Nur die Nord¬
amerikaner hielten bis jetzt zurück, 'doch ist zu hoffen, daß bei der jetzigen Lage
der Dinge auch von dieser Seite die Sanction der Existenz Liberia's als unab¬
hängigen Staats demnächst stattfinden wird.

Obwohl Liberia ursprünglich nur eine Colonie freigeborner Farbiger aus
den Vereinigten Staaten sein sollte, so öffnete man doch bald auch den Frei¬
gelassenen hier eine Zufluchtsstätte, und es kam dahin, daß viele Sklavenbesitzer
ihre Schwarzen unter der ausdrücklichen Bedingung sofortiger Abfahrt nach
Liberia freigaben. Beispiele der Art waren in den Südstaaten nichts Seltenes,
eines der letzten war der Fall einer Miß Mattie Griffith in Louisville, welche,
mündig geworden, ohne Verzug nicht nur allen von ihr ererbten Negern die
Freiheit, sondern zugleich die Mittel zur Auswanderung nach Afrika gab. Mehr
als sechstausend Bewohner von Liberia gehören in diese Kategorie, und von
der großen Mehrzahl derselben läßt sich die erfreuliche Wahrnehmung berichten,
daß sie nützliche und werthvolle Angehörige ihrer jetzigen Heimath geworden
sind, während sie. hätte man sie in Amerika gelassen, unter dem Druck der Ge¬
ringschätzung von Seiten der Weißen nur den Pöbel der großen Städte ver¬
stärkt haben würden.

Die Erziehung der Kolonisten durch die Colonisationsgesellschaft ging aber
nicht blos aus Gewöhnung zum Fleiß, zur Ordnung und zur Sparsamkeit aus.


doch ist derselbe einer fast unbegrenzten Ausdehnung nach dem Innern hin fähig,
da die Eingebornen sich gern an das mehr Sicherheit gewährende Land an¬
schließen. Das Gebiet von Liberia ist durch mehr als zwanzig Verträge mit
den Wilden im Innern zusammengekauft worden. Sein Hauptaugenmerk rich¬
tete man dabei auf die Striche an der See. welche die verschiedenen Nieder¬
lassungen einst trennten und jetzt zu einem compacten Ganzen verbinden, und
durch deren Erwerb erst die Möglichkeit erlangt war, den Sklavenhandel, der
früher hier in größter Ausdehnung betrieben wurde, vollkommen auszuschließen.
Friedlicher Ackerbau und immer mehr aufblühender Handel verbreiten ihre Seg¬
nungen jetzt, wo vor wenigen Jahrzehnten noch Raub und Verkauf von Men¬
schen fast das einzige lebhast betriebene Geschäft der Stämme dieser Küste war.

Die ersten Ansiedler kamen am 25. April 1822 in Liberia an. Sie stiegen
am Cap Mesurado ans Land, zogen, sich als Colonie der Vereinigten Staa¬
ten betrachtend, die amerikanische Flagge aufund gründeten Monrovia, die jetzige
Hauptstadt des Landes. Ein Vierteljahrhundert verblieben sie hier unter der
Obhut der genannten Cvlonisationsgesellschaft, die sie von Gouverneurs re¬
gieren ließ. Am 24. August 1847 endlich wurden sie und die später Hinzu-
gekvmmenen zu einem freien und unabhängigen Staat erklärt, der den Namen
der Republik Liberia erhielt und sofort von England und Frankreich, dann
allmächtig auch von den übrigen Seemächten Europa's anerkannt wurde. Später
erfolgte die Anerkennung mehrer amerikanischer Staaten. Nur die Nord¬
amerikaner hielten bis jetzt zurück, 'doch ist zu hoffen, daß bei der jetzigen Lage
der Dinge auch von dieser Seite die Sanction der Existenz Liberia's als unab¬
hängigen Staats demnächst stattfinden wird.

Obwohl Liberia ursprünglich nur eine Colonie freigeborner Farbiger aus
den Vereinigten Staaten sein sollte, so öffnete man doch bald auch den Frei¬
gelassenen hier eine Zufluchtsstätte, und es kam dahin, daß viele Sklavenbesitzer
ihre Schwarzen unter der ausdrücklichen Bedingung sofortiger Abfahrt nach
Liberia freigaben. Beispiele der Art waren in den Südstaaten nichts Seltenes,
eines der letzten war der Fall einer Miß Mattie Griffith in Louisville, welche,
mündig geworden, ohne Verzug nicht nur allen von ihr ererbten Negern die
Freiheit, sondern zugleich die Mittel zur Auswanderung nach Afrika gab. Mehr
als sechstausend Bewohner von Liberia gehören in diese Kategorie, und von
der großen Mehrzahl derselben läßt sich die erfreuliche Wahrnehmung berichten,
daß sie nützliche und werthvolle Angehörige ihrer jetzigen Heimath geworden
sind, während sie. hätte man sie in Amerika gelassen, unter dem Druck der Ge¬
ringschätzung von Seiten der Weißen nur den Pöbel der großen Städte ver¬
stärkt haben würden.

Die Erziehung der Kolonisten durch die Colonisationsgesellschaft ging aber
nicht blos aus Gewöhnung zum Fleiß, zur Ordnung und zur Sparsamkeit aus.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/397>, abgerufen am 02.10.2024.