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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Der Mohr, so denkt das Volk bei uns in der Regel, gehört auf das
Schild des Tabaksladens, in die Sklavenplantage, im günstigern Fall in die
Bedientenstube, in die Kombüse des Kauffahrers oder in die Bereiterbude. In
unserm Fall sah man die beiden Neger in Gesellschaft angesehener Kaufleute die
Merkwürdigkeiten der Stadt in Augenschein nehmen, in Begleitung der jüngern
Diplomatie ausfahren, sogar den Ministern in ihren Hotels Besuch abstatten.
Man fragte hin und her über die interessanten Gäste, erfuhr dies und jenes,
horchte heraus, daß sie ein ganz gutes Englisch mit einem Anflug des amerika¬
nischen Nasentons sprachen, und wurde endlich, wenn man es sehr eilig mit der
Lösung des Räthsels hatte, vom Fremdenbuch des Hotels, wenn man warten
konnte, von der Abendnummer seiner Zeitung belehrt, daß die schwarzen Gent¬
lemen in der That distinguirte Persönlichkeiten, nämlich Se. Excellenz, Herr
Stephen Allen Benson, Präsident der Republik Liberia, und ^dessen Secretär
waren, wozu das Gerücht die Nachricht fügte, daß die Herren die europäischen
Höfe bereisten, um im Namen ihres Staats den Abschluß von Handelsver¬
trägen zu betreiben.

Von den Personen wird sich bei Vielen das Interesse dem Lande, aus
dem sie kamen, zugelenkt haben, und da dieses bei der jetzigen Verwickelung in
Amerika eine gewisse Rolle spielen könnte, so glauben wir den Lesern ein kurzes
Capitel über dasselbe schuldig zu sein, zu dem wir das Material aus officieller
Quelle*) entnehmen.

Die Republik Liberia ist das Resultat eines Privatunternehmens. Sie
wurde, zunächst nicht als Republik, durch das Wohlwollen der Amerikanischen
Colonisations - Gesellschaft zu Washington in der Absicht gegründet, freien Far¬
bigen in den Vereinigten Staaten, welche sich wegen des dort gegen alle Neger
herrschenden Vorurtheils nicht wohl fühlten, in Afrika ein Asyl zu schaffen. Später
kamen zu denen, die dieses Anerbieten durch Auswanderung benutzten, noch alle
die Schwarzen, welche durch amerikanische Kreuzer von Sklavenhändlerschiffen be¬
freit wurden, auch schlössen sich eine beträchtliche Anzahl von Landeseingebornen
dem neuen Gemeinwesen an, so daß der kleine Staat gegenwärtig eine halbe
Million Einwohner zählt, worunter sich circa 16,000 von Amerika Eingewan¬
derte befinden.

Liberia liegt in dem Theil von Guinea, welcher wegen seiner reichen Reisfelder
die Kornküste heißt. Seine südöstliche Grenze ist der San Pedro. 78 engl. Meilen
östlich vom Cap Palmas, seine nordwestliche der Schebar, 125 engl. Meilen von
Monrovia, de.r größten Stadt des Landes. Die Küstenlinie des Staats ist un¬
gefähr 600 Meilen lang, die Breite desselben beträgt durchschnittlich 100 Meilen,



Der Abhandlung Gerard Ralstons, des Londoner Gencralconsuls für Liberia. "Oil tds Rs-
pudlio ok I^ibsria, its kroäuots s,v.ä Rssouress", enthalten im Journal der Looistz? ok
^.res, 23. Mai 1862.

Der Mohr, so denkt das Volk bei uns in der Regel, gehört auf das
Schild des Tabaksladens, in die Sklavenplantage, im günstigern Fall in die
Bedientenstube, in die Kombüse des Kauffahrers oder in die Bereiterbude. In
unserm Fall sah man die beiden Neger in Gesellschaft angesehener Kaufleute die
Merkwürdigkeiten der Stadt in Augenschein nehmen, in Begleitung der jüngern
Diplomatie ausfahren, sogar den Ministern in ihren Hotels Besuch abstatten.
Man fragte hin und her über die interessanten Gäste, erfuhr dies und jenes,
horchte heraus, daß sie ein ganz gutes Englisch mit einem Anflug des amerika¬
nischen Nasentons sprachen, und wurde endlich, wenn man es sehr eilig mit der
Lösung des Räthsels hatte, vom Fremdenbuch des Hotels, wenn man warten
konnte, von der Abendnummer seiner Zeitung belehrt, daß die schwarzen Gent¬
lemen in der That distinguirte Persönlichkeiten, nämlich Se. Excellenz, Herr
Stephen Allen Benson, Präsident der Republik Liberia, und ^dessen Secretär
waren, wozu das Gerücht die Nachricht fügte, daß die Herren die europäischen
Höfe bereisten, um im Namen ihres Staats den Abschluß von Handelsver¬
trägen zu betreiben.

Von den Personen wird sich bei Vielen das Interesse dem Lande, aus
dem sie kamen, zugelenkt haben, und da dieses bei der jetzigen Verwickelung in
Amerika eine gewisse Rolle spielen könnte, so glauben wir den Lesern ein kurzes
Capitel über dasselbe schuldig zu sein, zu dem wir das Material aus officieller
Quelle*) entnehmen.

Die Republik Liberia ist das Resultat eines Privatunternehmens. Sie
wurde, zunächst nicht als Republik, durch das Wohlwollen der Amerikanischen
Colonisations - Gesellschaft zu Washington in der Absicht gegründet, freien Far¬
bigen in den Vereinigten Staaten, welche sich wegen des dort gegen alle Neger
herrschenden Vorurtheils nicht wohl fühlten, in Afrika ein Asyl zu schaffen. Später
kamen zu denen, die dieses Anerbieten durch Auswanderung benutzten, noch alle
die Schwarzen, welche durch amerikanische Kreuzer von Sklavenhändlerschiffen be¬
freit wurden, auch schlössen sich eine beträchtliche Anzahl von Landeseingebornen
dem neuen Gemeinwesen an, so daß der kleine Staat gegenwärtig eine halbe
Million Einwohner zählt, worunter sich circa 16,000 von Amerika Eingewan¬
derte befinden.

Liberia liegt in dem Theil von Guinea, welcher wegen seiner reichen Reisfelder
die Kornküste heißt. Seine südöstliche Grenze ist der San Pedro. 78 engl. Meilen
östlich vom Cap Palmas, seine nordwestliche der Schebar, 125 engl. Meilen von
Monrovia, de.r größten Stadt des Landes. Die Küstenlinie des Staats ist un¬
gefähr 600 Meilen lang, die Breite desselben beträgt durchschnittlich 100 Meilen,



Der Abhandlung Gerard Ralstons, des Londoner Gencralconsuls für Liberia. „Oil tds Rs-
pudlio ok I^ibsria, its kroäuots s,v.ä Rssouress", enthalten im Journal der Looistz? ok
^.res, 23. Mai 1862.
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[0396] Der Mohr, so denkt das Volk bei uns in der Regel, gehört auf das Schild des Tabaksladens, in die Sklavenplantage, im günstigern Fall in die Bedientenstube, in die Kombüse des Kauffahrers oder in die Bereiterbude. In unserm Fall sah man die beiden Neger in Gesellschaft angesehener Kaufleute die Merkwürdigkeiten der Stadt in Augenschein nehmen, in Begleitung der jüngern Diplomatie ausfahren, sogar den Ministern in ihren Hotels Besuch abstatten. Man fragte hin und her über die interessanten Gäste, erfuhr dies und jenes, horchte heraus, daß sie ein ganz gutes Englisch mit einem Anflug des amerika¬ nischen Nasentons sprachen, und wurde endlich, wenn man es sehr eilig mit der Lösung des Räthsels hatte, vom Fremdenbuch des Hotels, wenn man warten konnte, von der Abendnummer seiner Zeitung belehrt, daß die schwarzen Gent¬ lemen in der That distinguirte Persönlichkeiten, nämlich Se. Excellenz, Herr Stephen Allen Benson, Präsident der Republik Liberia, und ^dessen Secretär waren, wozu das Gerücht die Nachricht fügte, daß die Herren die europäischen Höfe bereisten, um im Namen ihres Staats den Abschluß von Handelsver¬ trägen zu betreiben. Von den Personen wird sich bei Vielen das Interesse dem Lande, aus dem sie kamen, zugelenkt haben, und da dieses bei der jetzigen Verwickelung in Amerika eine gewisse Rolle spielen könnte, so glauben wir den Lesern ein kurzes Capitel über dasselbe schuldig zu sein, zu dem wir das Material aus officieller Quelle*) entnehmen. Die Republik Liberia ist das Resultat eines Privatunternehmens. Sie wurde, zunächst nicht als Republik, durch das Wohlwollen der Amerikanischen Colonisations - Gesellschaft zu Washington in der Absicht gegründet, freien Far¬ bigen in den Vereinigten Staaten, welche sich wegen des dort gegen alle Neger herrschenden Vorurtheils nicht wohl fühlten, in Afrika ein Asyl zu schaffen. Später kamen zu denen, die dieses Anerbieten durch Auswanderung benutzten, noch alle die Schwarzen, welche durch amerikanische Kreuzer von Sklavenhändlerschiffen be¬ freit wurden, auch schlössen sich eine beträchtliche Anzahl von Landeseingebornen dem neuen Gemeinwesen an, so daß der kleine Staat gegenwärtig eine halbe Million Einwohner zählt, worunter sich circa 16,000 von Amerika Eingewan¬ derte befinden. Liberia liegt in dem Theil von Guinea, welcher wegen seiner reichen Reisfelder die Kornküste heißt. Seine südöstliche Grenze ist der San Pedro. 78 engl. Meilen östlich vom Cap Palmas, seine nordwestliche der Schebar, 125 engl. Meilen von Monrovia, de.r größten Stadt des Landes. Die Küstenlinie des Staats ist un¬ gefähr 600 Meilen lang, die Breite desselben beträgt durchschnittlich 100 Meilen, Der Abhandlung Gerard Ralstons, des Londoner Gencralconsuls für Liberia. „Oil tds Rs- pudlio ok I^ibsria, its kroäuots s,v.ä Rssouress", enthalten im Journal der Looistz? ok ^.res, 23. Mai 1862.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/396>, abgerufen am 05.02.2025.