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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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als wie er wirtlich handelte? Wußten doch nur wenige Offiziere, wie die Verhältnisse
standen. Mit dem Ruf: "Es lebe Ferdinand der Fünfte" zöge.n die Husaren in den
Kampf und geriethen in die größte Erbitterung, als die provisorische Regierung ihnen
ihre östreichischen -- schwarzgelben Abzeichen nehmen wollte. Auf Befehl ihres
Kaisers und Königs kämpften sie gegen den als offenen Rebellen erklärten
Jellachich und wurden dann selbst als Rebellen erklärt, weil sie nicht augen¬
blicklich nach der Veröffentlichung einiger Manifeste, welche kaum dem Tausend¬
sten zu Gesichte kamen, ihre Fahne verlassen und sich mit demselben Rebellen
vereinigt hatten. Doch wiederholte sich hier nur der so oft vorgekommene Fall,
in welchem es nur von dem Zufalle abhängt, ob eine und dieselbe Handlung
als Hochverrath oder als die unerschütterlichste Treue betrachtet wird.

Doch vergrößerte die damalige östreichische Regierung in muthwilliger
oder thörichter Weise die Zahl.ihrer Gegner, indem sie auch jene Husaren-
regimcnter, welche in den deutschen Provinzen standen, nach Ungarn schickte.

So erging es einem in Wien stationirten Regiments. Als der Befehl
zum Abmärsche erschienen war, meldete sich der Oberst krank, der nächste Stabs¬
offizier hatte Urlaub genommen. Das Unvermeidliche vorhersehend und um
seine eigene Zukunft oder um die Ehre seines Regiments besorgt, verlangte der
Stabsoffizier, welchem das Commando zukam, auf das dringendste, daß man seine
Husaren nach Italien schicken möge, wo er sich für die Treue des Regiments
verbürge, während er in Ungarn für Nichts stehen könne. Zweimal brachte
der Wackere seine Bitte vergeblich vor, das dritte Mal wurde er gar nicht vor¬
gelassen, sondern erhielt den gemessensten Befehl zum augenblicklichen Abmärsche.
Radetzky allein wußte seine Husaren zu behandeln. Von den beiden in Italien
stehenden Husarenregimentern desertirte auch nicht ein Mann, obgleich sich zahl¬
reiche Agenten Kossuths herumtrieben und es an den mannigfaltigsten Verlo¬
ckungen zur Heimkehr ins Vaterland nicht fehlte.

Spielte die östreichische Negierung auf diese Art den besten und größten
Theil ihrer leichten Reiterei in die Hände der Jnsurrection, so that dagegen
auch die ungarische Regierung alles, um den Geist und die materielle Trefflich¬
keit dieser Truppe vollständig zu ruiniren.

Aus den 64 Schwadronen, welche der ungarischen Regierung zu Gebote
standen, formirte man 180. Es mußten da viele untaugliche Subjecte und
viele unbrauchbare Pferde mit ausgenommen werden; aber damit noch nicht zufrie¬
den, löste man endlich auch die noch bestehenden Stämme auf und zerstreue
deren Mannschaft nach allen Richtungen, da man sich vermuthlich nach der
ausgesprochenen Erklärung der Republik vor den in monarchischen Institutionen
erzogenen Husaren fürchtete. Man gab ihnen unwissende Offiziere, die ihre
Patente gewöhnlich mehr ihrer republikanischen Gesinnung, als ihren Verdien¬
sten oder wenigstens ihrer Dienstzeit zu verdanken hatten. Und so kam es, daß


als wie er wirtlich handelte? Wußten doch nur wenige Offiziere, wie die Verhältnisse
standen. Mit dem Ruf: „Es lebe Ferdinand der Fünfte" zöge.n die Husaren in den
Kampf und geriethen in die größte Erbitterung, als die provisorische Regierung ihnen
ihre östreichischen — schwarzgelben Abzeichen nehmen wollte. Auf Befehl ihres
Kaisers und Königs kämpften sie gegen den als offenen Rebellen erklärten
Jellachich und wurden dann selbst als Rebellen erklärt, weil sie nicht augen¬
blicklich nach der Veröffentlichung einiger Manifeste, welche kaum dem Tausend¬
sten zu Gesichte kamen, ihre Fahne verlassen und sich mit demselben Rebellen
vereinigt hatten. Doch wiederholte sich hier nur der so oft vorgekommene Fall,
in welchem es nur von dem Zufalle abhängt, ob eine und dieselbe Handlung
als Hochverrath oder als die unerschütterlichste Treue betrachtet wird.

Doch vergrößerte die damalige östreichische Regierung in muthwilliger
oder thörichter Weise die Zahl.ihrer Gegner, indem sie auch jene Husaren-
regimcnter, welche in den deutschen Provinzen standen, nach Ungarn schickte.

So erging es einem in Wien stationirten Regiments. Als der Befehl
zum Abmärsche erschienen war, meldete sich der Oberst krank, der nächste Stabs¬
offizier hatte Urlaub genommen. Das Unvermeidliche vorhersehend und um
seine eigene Zukunft oder um die Ehre seines Regiments besorgt, verlangte der
Stabsoffizier, welchem das Commando zukam, auf das dringendste, daß man seine
Husaren nach Italien schicken möge, wo er sich für die Treue des Regiments
verbürge, während er in Ungarn für Nichts stehen könne. Zweimal brachte
der Wackere seine Bitte vergeblich vor, das dritte Mal wurde er gar nicht vor¬
gelassen, sondern erhielt den gemessensten Befehl zum augenblicklichen Abmärsche.
Radetzky allein wußte seine Husaren zu behandeln. Von den beiden in Italien
stehenden Husarenregimentern desertirte auch nicht ein Mann, obgleich sich zahl¬
reiche Agenten Kossuths herumtrieben und es an den mannigfaltigsten Verlo¬
ckungen zur Heimkehr ins Vaterland nicht fehlte.

Spielte die östreichische Negierung auf diese Art den besten und größten
Theil ihrer leichten Reiterei in die Hände der Jnsurrection, so that dagegen
auch die ungarische Regierung alles, um den Geist und die materielle Trefflich¬
keit dieser Truppe vollständig zu ruiniren.

Aus den 64 Schwadronen, welche der ungarischen Regierung zu Gebote
standen, formirte man 180. Es mußten da viele untaugliche Subjecte und
viele unbrauchbare Pferde mit ausgenommen werden; aber damit noch nicht zufrie¬
den, löste man endlich auch die noch bestehenden Stämme auf und zerstreue
deren Mannschaft nach allen Richtungen, da man sich vermuthlich nach der
ausgesprochenen Erklärung der Republik vor den in monarchischen Institutionen
erzogenen Husaren fürchtete. Man gab ihnen unwissende Offiziere, die ihre
Patente gewöhnlich mehr ihrer republikanischen Gesinnung, als ihren Verdien¬
sten oder wenigstens ihrer Dienstzeit zu verdanken hatten. Und so kam es, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/384>, abgerufen am 06.02.2025.