Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.ängstliche Bemühen, eine Entscheidung zu vertagen und sich mit halben, unbe¬ Es ist nun zunächst sehr bezeichnend, daß, während die Vorgänge im Jahr Dazu kommt aber nun, daß das demokratische Lager selbst über die deut¬ Die Anhänger der Vundesstaatspartei fehlen auch in Würtemberg nicht. > ängstliche Bemühen, eine Entscheidung zu vertagen und sich mit halben, unbe¬ Es ist nun zunächst sehr bezeichnend, daß, während die Vorgänge im Jahr Dazu kommt aber nun, daß das demokratische Lager selbst über die deut¬ Die Anhänger der Vundesstaatspartei fehlen auch in Würtemberg nicht. > <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0375" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114689"/> <p xml:id="ID_1458" prev="#ID_1457"> ängstliche Bemühen, eine Entscheidung zu vertagen und sich mit halben, unbe¬<lb/> stimmten Compromissen zu begnügen. Aber es half nichts, die Desorganisation<lb/> der Parteien ist eine Thatsache, die sich nicht mehr verhüllen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1459"> Es ist nun zunächst sehr bezeichnend, daß, während die Vorgänge im Jahr<lb/> 1859 anderwärts, namentlich in Mitteldeutschland, eine einigende Kraft bewahr"<lb/> ten, hier das Gegentheil der Fall war. Dort vereinten sich Altlibcrale<lb/> und Demokraten zu der einen Nationalpartei, eine Union, die eben dem<lb/> Nationalverein das Dasein gab; hier scheidet noch immer die alte Abnei¬<lb/> gung beide Parteien, die nur in einzelnen inneren Fragen — und auch<lb/> da oft mühsam genug, gegen das Ncactionsministerium gemeinsam Front machen.<lb/> Im Allgemeinen zogen sich die Altliberalen mehr und mehr vom öffentlichen<lb/> Leben zurück, beschränkten wenigstens ihre Thätigkeit auf die innern Landes¬<lb/> angelegenheiten, und das große Wort fiel thatsächlich den Demokraten zu, und<lb/> zwar vorzugsweise jenen richtigen Demokraten von 1848 und 49, die es nicht<lb/> vergessen haben, daß an der norddeutschen Großmacht sich die Wogen der Re¬<lb/> volution gebrochen und der Prinz von Preußen die badische Jnsurrection nieder¬<lb/> geworfen hat. Diese Unthätigkeit der Altliberalen in der deutschen Frage<lb/> — Ausnahmen natürlich abgerechnet — ist eine der bedauerlichsten Erschei¬<lb/> nungen. Sie erklärt sich freilich aus mancherlei Ursachen, zumal daraus, daß<lb/> sie an .jüngeren Kräften keinen Nachwuchs besitzen, diese vielmehr ganz der<lb/> Demokratie oder den konservativen Fractionen anheimfallen. Damit sind aber<lb/> die gegenwärtigen politischen Wortführer nicht mehr der richtige Ausdruck des<lb/> gesammten Landes, welches die Stimme seiner bewährtesten Verfechter in der<lb/> wichtigsten Frage ungern vermißt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1460"> Dazu kommt aber nun, daß das demokratische Lager selbst über die deut¬<lb/> sche Frage zerfallen ist, und daß andrerseits eben durch das Dvminiren dieser<lb/> Frage Fractionen, .die sonst nicht den mindesten Halt in der Bevölkerung hät¬<lb/> ten,, zu einer gewissen Bedeutung gelangt sind. So bietet denn Schwaben<lb/> mit Rücksicht auf die deutsche Frage eine höchst mannigfaltige politische Muster¬<lb/> karte dar. Und wenn man auch im Allgemeinen die Stimmung des schwäbischen<lb/> Stammes dahin bezeichnen kann, daß sie gut deutsch gesinnt, weder östreichisch<lb/> noch preußisch sei, so reicht man doch in concreten Fällen mit dieser Allgemein¬<lb/> heit nicht aus, und die tonangebenden Kreise scheiden sich in so viele Nuancen,<lb/> daß nicht umgangen werden kann, sie im Einzelnen zu charakterisiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1461"> Die Anhänger der Vundesstaatspartei fehlen auch in Würtemberg nicht.<lb/> Hat doch Paul Pfizer, einer der ersten Propheten der Gagern'schen Idee, aber<lb/> leider durch schwere Krankheit seit längerer Zeit vom öffentlichen Leben fern<lb/> gehalten, erst vor kurzem wieder ein kräftiges Lebenszeichen dieser Gesinnung<lb/> gegeben. Ein Theil der Altliberalcn hält treu zu dieser Fahne, und Viele der<lb/> Protestantisch Gebildeten, der Lehrer und Beamten, des Handelsflandes bekennen</p><lb/> <p xml:id="ID_1462" next="#ID_1463"> ></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0375]
ängstliche Bemühen, eine Entscheidung zu vertagen und sich mit halben, unbe¬
stimmten Compromissen zu begnügen. Aber es half nichts, die Desorganisation
der Parteien ist eine Thatsache, die sich nicht mehr verhüllen läßt.
Es ist nun zunächst sehr bezeichnend, daß, während die Vorgänge im Jahr
1859 anderwärts, namentlich in Mitteldeutschland, eine einigende Kraft bewahr"
ten, hier das Gegentheil der Fall war. Dort vereinten sich Altlibcrale
und Demokraten zu der einen Nationalpartei, eine Union, die eben dem
Nationalverein das Dasein gab; hier scheidet noch immer die alte Abnei¬
gung beide Parteien, die nur in einzelnen inneren Fragen — und auch
da oft mühsam genug, gegen das Ncactionsministerium gemeinsam Front machen.
Im Allgemeinen zogen sich die Altliberalen mehr und mehr vom öffentlichen
Leben zurück, beschränkten wenigstens ihre Thätigkeit auf die innern Landes¬
angelegenheiten, und das große Wort fiel thatsächlich den Demokraten zu, und
zwar vorzugsweise jenen richtigen Demokraten von 1848 und 49, die es nicht
vergessen haben, daß an der norddeutschen Großmacht sich die Wogen der Re¬
volution gebrochen und der Prinz von Preußen die badische Jnsurrection nieder¬
geworfen hat. Diese Unthätigkeit der Altliberalen in der deutschen Frage
— Ausnahmen natürlich abgerechnet — ist eine der bedauerlichsten Erschei¬
nungen. Sie erklärt sich freilich aus mancherlei Ursachen, zumal daraus, daß
sie an .jüngeren Kräften keinen Nachwuchs besitzen, diese vielmehr ganz der
Demokratie oder den konservativen Fractionen anheimfallen. Damit sind aber
die gegenwärtigen politischen Wortführer nicht mehr der richtige Ausdruck des
gesammten Landes, welches die Stimme seiner bewährtesten Verfechter in der
wichtigsten Frage ungern vermißt.
Dazu kommt aber nun, daß das demokratische Lager selbst über die deut¬
sche Frage zerfallen ist, und daß andrerseits eben durch das Dvminiren dieser
Frage Fractionen, .die sonst nicht den mindesten Halt in der Bevölkerung hät¬
ten,, zu einer gewissen Bedeutung gelangt sind. So bietet denn Schwaben
mit Rücksicht auf die deutsche Frage eine höchst mannigfaltige politische Muster¬
karte dar. Und wenn man auch im Allgemeinen die Stimmung des schwäbischen
Stammes dahin bezeichnen kann, daß sie gut deutsch gesinnt, weder östreichisch
noch preußisch sei, so reicht man doch in concreten Fällen mit dieser Allgemein¬
heit nicht aus, und die tonangebenden Kreise scheiden sich in so viele Nuancen,
daß nicht umgangen werden kann, sie im Einzelnen zu charakterisiren.
Die Anhänger der Vundesstaatspartei fehlen auch in Würtemberg nicht.
Hat doch Paul Pfizer, einer der ersten Propheten der Gagern'schen Idee, aber
leider durch schwere Krankheit seit längerer Zeit vom öffentlichen Leben fern
gehalten, erst vor kurzem wieder ein kräftiges Lebenszeichen dieser Gesinnung
gegeben. Ein Theil der Altliberalcn hält treu zu dieser Fahne, und Viele der
Protestantisch Gebildeten, der Lehrer und Beamten, des Handelsflandes bekennen
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