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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Mich hat die rechte Freudigkeit noch nicht ergreifen wollen; wenigstens nicht,
wenn ich die Menschen ansehe. Doch, Gott hat ja gezeigt, daß er noch immer
Wunder thue.

^" Ich habe soeben, tiefer denn je, in die Wissenschaftslehre mich eingegraben
die ich ununterbrochen für eben so tief ergriffene Zuhörer vortrage. Es schwebt
ein eignes Schicksal über dieser Wissenschaft, Im Jahre 6. sahe ich das Licht, in
welchem die Wahrheit allen einleuchten mußte, vor mir liegen, und glaubte nur zu¬
greifen zu dürft". Die Folgen der unglücklichen Schlacht bewogen mich zur Aus¬
wanderung. Jezt, nach Jahren des Wanderns, und der Krankheit glaubte ich an
demselben Punkte zu stehen ; aber, es scheint, daß ich wieder werde unterbrochen
werden.

Dagegen will ich mich wehren, wenigstens so lange, als ich darf. Ich muß
mir drum den süßesten Wunsch versagen, dich noch einmahl in Neuhauser zu be¬
suchen. Dagegen bitte ich dich, auf folgenden Vorschlag einzugehen. Dein Zug
nach Breslau muß dich ja in der Nähe bei Berlin vorbeiführen; etwa über Span-
dau, Potsdam -- fo daß eine Zusammenkunft mir nicht mehr als 1 oder 2 Tage
koste. Melde mir Ort und Zeit, und ich komme.

Uebrigens hoffe ich, daß auch ohnedies ich dich noch vor ausgefochtenen Kampfe
gesehen haben würde. Unsere Universität wird wahrscheinlich ganz zusammenschmel¬
zen, und ein Oertgen gemeinsamer Meditation wird es auch bald nicht mehr geben.
Ich habe aus diesen Fall schon Anträge gemacht, welche auch mich in das Feld der
Waffen führen würden, und ich erwarte die Antwort aus diese Anträge. Mein
Sohn, der jetzt das gesetzmäßige Alter noch nicht hat, wird mich sodann begleiten.
Möchte sodann das Geschick uns einander nahe führen, möchte ich meinem Sohne
in dir einen zweiten Vater, und Führer geben können!

Ihre eigne innere Grosherzigkeit'unterstütze deine Gattin, der ich mich ehrerbie¬
tig empfehle, und die Deinigen. Meine Frau grüßt, und betet für dich, und für
die gute Sache.

Deinen gütigen Antrag an hiesige Freiwillige aus den Studirenden habe ich
unserm Rektor v. Savigny zum Gebrauche gemeldet. Was von meiner Bekannt¬
schaft fort wollte, ist schon fort, nach Breslau.


Heil und Segen! Auf baldiges Wiedersehen. Ganz der deinige Fichte.


Mich hat die rechte Freudigkeit noch nicht ergreifen wollen; wenigstens nicht,
wenn ich die Menschen ansehe. Doch, Gott hat ja gezeigt, daß er noch immer
Wunder thue.

^» Ich habe soeben, tiefer denn je, in die Wissenschaftslehre mich eingegraben
die ich ununterbrochen für eben so tief ergriffene Zuhörer vortrage. Es schwebt
ein eignes Schicksal über dieser Wissenschaft, Im Jahre 6. sahe ich das Licht, in
welchem die Wahrheit allen einleuchten mußte, vor mir liegen, und glaubte nur zu¬
greifen zu dürft». Die Folgen der unglücklichen Schlacht bewogen mich zur Aus¬
wanderung. Jezt, nach Jahren des Wanderns, und der Krankheit glaubte ich an
demselben Punkte zu stehen ; aber, es scheint, daß ich wieder werde unterbrochen
werden.

Dagegen will ich mich wehren, wenigstens so lange, als ich darf. Ich muß
mir drum den süßesten Wunsch versagen, dich noch einmahl in Neuhauser zu be¬
suchen. Dagegen bitte ich dich, auf folgenden Vorschlag einzugehen. Dein Zug
nach Breslau muß dich ja in der Nähe bei Berlin vorbeiführen; etwa über Span-
dau, Potsdam — fo daß eine Zusammenkunft mir nicht mehr als 1 oder 2 Tage
koste. Melde mir Ort und Zeit, und ich komme.

Uebrigens hoffe ich, daß auch ohnedies ich dich noch vor ausgefochtenen Kampfe
gesehen haben würde. Unsere Universität wird wahrscheinlich ganz zusammenschmel¬
zen, und ein Oertgen gemeinsamer Meditation wird es auch bald nicht mehr geben.
Ich habe aus diesen Fall schon Anträge gemacht, welche auch mich in das Feld der
Waffen führen würden, und ich erwarte die Antwort aus diese Anträge. Mein
Sohn, der jetzt das gesetzmäßige Alter noch nicht hat, wird mich sodann begleiten.
Möchte sodann das Geschick uns einander nahe führen, möchte ich meinem Sohne
in dir einen zweiten Vater, und Führer geben können!

Ihre eigne innere Grosherzigkeit'unterstütze deine Gattin, der ich mich ehrerbie¬
tig empfehle, und die Deinigen. Meine Frau grüßt, und betet für dich, und für
die gute Sache.

Deinen gütigen Antrag an hiesige Freiwillige aus den Studirenden habe ich
unserm Rektor v. Savigny zum Gebrauche gemeldet. Was von meiner Bekannt¬
schaft fort wollte, ist schon fort, nach Breslau.


Heil und Segen! Auf baldiges Wiedersehen. Ganz der deinige Fichte.


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[0367] Mich hat die rechte Freudigkeit noch nicht ergreifen wollen; wenigstens nicht, wenn ich die Menschen ansehe. Doch, Gott hat ja gezeigt, daß er noch immer Wunder thue. ^» Ich habe soeben, tiefer denn je, in die Wissenschaftslehre mich eingegraben die ich ununterbrochen für eben so tief ergriffene Zuhörer vortrage. Es schwebt ein eignes Schicksal über dieser Wissenschaft, Im Jahre 6. sahe ich das Licht, in welchem die Wahrheit allen einleuchten mußte, vor mir liegen, und glaubte nur zu¬ greifen zu dürft». Die Folgen der unglücklichen Schlacht bewogen mich zur Aus¬ wanderung. Jezt, nach Jahren des Wanderns, und der Krankheit glaubte ich an demselben Punkte zu stehen ; aber, es scheint, daß ich wieder werde unterbrochen werden. Dagegen will ich mich wehren, wenigstens so lange, als ich darf. Ich muß mir drum den süßesten Wunsch versagen, dich noch einmahl in Neuhauser zu be¬ suchen. Dagegen bitte ich dich, auf folgenden Vorschlag einzugehen. Dein Zug nach Breslau muß dich ja in der Nähe bei Berlin vorbeiführen; etwa über Span- dau, Potsdam — fo daß eine Zusammenkunft mir nicht mehr als 1 oder 2 Tage koste. Melde mir Ort und Zeit, und ich komme. Uebrigens hoffe ich, daß auch ohnedies ich dich noch vor ausgefochtenen Kampfe gesehen haben würde. Unsere Universität wird wahrscheinlich ganz zusammenschmel¬ zen, und ein Oertgen gemeinsamer Meditation wird es auch bald nicht mehr geben. Ich habe aus diesen Fall schon Anträge gemacht, welche auch mich in das Feld der Waffen führen würden, und ich erwarte die Antwort aus diese Anträge. Mein Sohn, der jetzt das gesetzmäßige Alter noch nicht hat, wird mich sodann begleiten. Möchte sodann das Geschick uns einander nahe führen, möchte ich meinem Sohne in dir einen zweiten Vater, und Führer geben können! Ihre eigne innere Grosherzigkeit'unterstütze deine Gattin, der ich mich ehrerbie¬ tig empfehle, und die Deinigen. Meine Frau grüßt, und betet für dich, und für die gute Sache. Deinen gütigen Antrag an hiesige Freiwillige aus den Studirenden habe ich unserm Rektor v. Savigny zum Gebrauche gemeldet. Was von meiner Bekannt¬ schaft fort wollte, ist schon fort, nach Breslau. Heil und Segen! Auf baldiges Wiedersehen. Ganz der deinige Fichte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/367>, abgerufen am 05.02.2025.