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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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verringert worden ist. Freilich werden sie unholde Erscheinungen nicht mit
der herkömmlichen Phrase demokratischer Wühlereien abfertigen müssen, sondern
sie werden den Grund darin zu finden haben, daß Generale und Compagnie-
offizieve, Obere und Subalterne wunderlicherweise für politisch nothwendig und
loyal halten, in den Kasernen und auf dem Exerzierplatz Parteireden zu halten,
Wahlcandidaten zu empfehlen oder zu mißbilligen, die Zuverlässigkeit eines
Untergebenen darnach zu schätzen, ob er Schulze-Delitsch oder Waldeck als
P "Demokraten" gründlich haßt oder nicht.




Die bevorstehende Krisis der preußischen Verfassung.

Berlin, 1862. Verlag von I. Springer.

Ein verständiges Wort in der elften Stunde, mit dem wir im Wesentlichen
einverstanden sind, und das wir deshalb den Betheiligten angelegentlich zur Be¬
rücksichtigung empfehlen.

Folgendes ist im Auszug das Resultat des Verfassers: Wenn das Abgeord¬
netenhaus das Militärbudget streicht -- und man streicht das Ganze, wenn man
einen unentbehrlichen Theil streicht -- so übernimmt es nicht nur für seinen Theil
die schwerste Verantwortlichkeit, sondern wälzt eine noch stärkere Last der Verant¬
wortung aus den Träger und die Diener der Krone. Was kann die Volksvertretung
thun, um den Conflict, den sie nicht heraufbeschworen, den zu vermeiden sie aber
auch nichts gethan hat, noch kurz vor seinem Ausbruch zu heilen?

Sie müßte Folgendes sagen: Wir legen dem Lande eine beträchtliche Last auf
und übernehmen, dieselbe nicht nur in Bezug auf unsern einmaligen Beschluß zu
rechtfertigen, sondern auch dem Lande als eine bleibende Nothwendigkeit zum Be¬
wußtsein zu bringen. Wir thun dies angesichts einer Regierung, von der wir nicht
glauben, daß sie das Opfer für die Größe des Vaterlandes zu benutzen versteht,
von der wir weder für die Freiheit noch für den Wohlstand des Landes die richtigen
Schritte erwarten. Indem wir so handeln, gehorchen wir einer peinlichen Pflicht,
deren Erfüllung um so drückender wird, als wir nicht wissen, ob sie nicht ver¬
geblich bleibt, ob sie nicht gar von uns selbst zurückgenommen werden muß. Die
Summen, die man von uns verlangt, bewilligen wir nur für das laufende


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verringert worden ist. Freilich werden sie unholde Erscheinungen nicht mit
der herkömmlichen Phrase demokratischer Wühlereien abfertigen müssen, sondern
sie werden den Grund darin zu finden haben, daß Generale und Compagnie-
offizieve, Obere und Subalterne wunderlicherweise für politisch nothwendig und
loyal halten, in den Kasernen und auf dem Exerzierplatz Parteireden zu halten,
Wahlcandidaten zu empfehlen oder zu mißbilligen, die Zuverlässigkeit eines
Untergebenen darnach zu schätzen, ob er Schulze-Delitsch oder Waldeck als
P „Demokraten" gründlich haßt oder nicht.




Die bevorstehende Krisis der preußischen Verfassung.

Berlin, 1862. Verlag von I. Springer.

Ein verständiges Wort in der elften Stunde, mit dem wir im Wesentlichen
einverstanden sind, und das wir deshalb den Betheiligten angelegentlich zur Be¬
rücksichtigung empfehlen.

Folgendes ist im Auszug das Resultat des Verfassers: Wenn das Abgeord¬
netenhaus das Militärbudget streicht — und man streicht das Ganze, wenn man
einen unentbehrlichen Theil streicht — so übernimmt es nicht nur für seinen Theil
die schwerste Verantwortlichkeit, sondern wälzt eine noch stärkere Last der Verant¬
wortung aus den Träger und die Diener der Krone. Was kann die Volksvertretung
thun, um den Conflict, den sie nicht heraufbeschworen, den zu vermeiden sie aber
auch nichts gethan hat, noch kurz vor seinem Ausbruch zu heilen?

Sie müßte Folgendes sagen: Wir legen dem Lande eine beträchtliche Last auf
und übernehmen, dieselbe nicht nur in Bezug auf unsern einmaligen Beschluß zu
rechtfertigen, sondern auch dem Lande als eine bleibende Nothwendigkeit zum Be¬
wußtsein zu bringen. Wir thun dies angesichts einer Regierung, von der wir nicht
glauben, daß sie das Opfer für die Größe des Vaterlandes zu benutzen versteht,
von der wir weder für die Freiheit noch für den Wohlstand des Landes die richtigen
Schritte erwarten. Indem wir so handeln, gehorchen wir einer peinlichen Pflicht,
deren Erfüllung um so drückender wird, als wir nicht wissen, ob sie nicht ver¬
geblich bleibt, ob sie nicht gar von uns selbst zurückgenommen werden muß. Die
Summen, die man von uns verlangt, bewilligen wir nur für das laufende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/363>, abgerufen am 24.08.2024.