Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dieses großen nationalen Organismus zu beeinträchtigen droht. Es ist Nichts
dagegen zu sagen, wenn die Mehrzahl ver Offiziere, den Traditionen ihrer Fa¬
milien folgend, für sich conservative Neigungen hegt, aber -es ist höchst verkehrt,
wenn solche Parteifarbe als das erste und beste Kennzeichen eines "ackern
preußischen Soldaten betrachtet wird.

Keine politische Partei hat in Preußen noch das Recht, -auf ihre Leistungen
und Verdienste 'Um den Staat stolz zu sein, keine hat ein Privilegium der
Loyalität, in jeder -- -zwei kleine ausländische Fraktionen ausgenommen --^-
ist warme und hingebende Treue gegen das erlauchte Haus der HolMz-ollern
und gegen die Idee ihres Staates zü finden. Die allerloyalste und Neueste
Partei aber, die nützlichste für das Gedeihen des Regentenhauses und den
Staat ist diejenige, welche die politische Stellung, die Ehre und die Aufgabe
der Hohenzollern am höchsten und edelsten begreift.

Daß die conservative Partei Pwußens in dem letzten Jahrzehnt diese Auf¬
fassung nicht besaß, ist wenigstens 'die allgemeine Ansicht in Preußen wie in
dem übrigen Europa. Schwerlich bewahrt sich überhaupt eine Partei für alle
Zeit diese Berechtigung. Und bei solchem Wechsel >des innern Werthes werden
in Preußen der Reihe nach mehre politische Parteiendie sogenannte altliberale,
die neue nationale, w^che jetzt als Fortschrittspartei mit besonderem Mißtrauen
betrachtet wird, endlich einmal wahrscheinlich auch eine aufgeklärte conservative
nach einander die Schicksale des Staates leiten helfen. Wir haben ein Mini¬
sterium Manteuffel gehabt, und -kein Offizier von Urtheil wird behaupten, daß
der leidenschaftslose Geschäftsmann von Olmütz allen billigen Wünschen des
Landes Genüge gethan habe. Wir haben uns eines Ministerium Auerswald-
Schwerin erfreut, und kein Mitglied der altliberälen Partei wird die Ansicht
verfechten, daß dieses hohe Collegium frei Von großen NegierungsfehlerN gewesen
sei. Wir werden voraussichtlich in irgend einer Zukunft ein Ministerium aus
Mitgliedern der gegenwärtigen Linken erhalten, und auch diese werden schlecht
und recht regieren, sie werden Fehler ihrer Vorgänger vermeiden und dafür
andere begehen. Die Aufgabe eines Königs von Preußen aber ist von jetzt
an gar nicht, an eine bestimmte Partei sein Schicksal und die Zukunft seines
Hauses zu ketten, oder gar sein treues Heer als die letzte Hülfe gegen untreue
Bürger zu hegen, das wäre ein furchtbares Und verhängnißvolles Verkennen
seiner erhabenen Stellung. Sein hohes Amt ist vielmehr: prüfend in Vas
Volk zu schauen und zu beobachten, welche der Parteien gerade die größte
Frische. Wärme, Energie und Thatkraft entwickelt und am meisten befähigt ist,
die Gedanken und Herzen der Majorität des Volkes zu leiten. Aus dieser
Partei, welcher zeitweilig die Majorität der Kammern versichert ist" wird er
seine ersten verantwortlichen Beamten wählen. Das ist nicht englische Theorie,
es ist nichts als die einfache deutsche Klugheit.


Grenzboten III. 1862. 45

dieses großen nationalen Organismus zu beeinträchtigen droht. Es ist Nichts
dagegen zu sagen, wenn die Mehrzahl ver Offiziere, den Traditionen ihrer Fa¬
milien folgend, für sich conservative Neigungen hegt, aber -es ist höchst verkehrt,
wenn solche Parteifarbe als das erste und beste Kennzeichen eines «ackern
preußischen Soldaten betrachtet wird.

Keine politische Partei hat in Preußen noch das Recht, -auf ihre Leistungen
und Verdienste 'Um den Staat stolz zu sein, keine hat ein Privilegium der
Loyalität, in jeder — -zwei kleine ausländische Fraktionen ausgenommen —^-
ist warme und hingebende Treue gegen das erlauchte Haus der HolMz-ollern
und gegen die Idee ihres Staates zü finden. Die allerloyalste und Neueste
Partei aber, die nützlichste für das Gedeihen des Regentenhauses und den
Staat ist diejenige, welche die politische Stellung, die Ehre und die Aufgabe
der Hohenzollern am höchsten und edelsten begreift.

Daß die conservative Partei Pwußens in dem letzten Jahrzehnt diese Auf¬
fassung nicht besaß, ist wenigstens 'die allgemeine Ansicht in Preußen wie in
dem übrigen Europa. Schwerlich bewahrt sich überhaupt eine Partei für alle
Zeit diese Berechtigung. Und bei solchem Wechsel >des innern Werthes werden
in Preußen der Reihe nach mehre politische Parteiendie sogenannte altliberale,
die neue nationale, w^che jetzt als Fortschrittspartei mit besonderem Mißtrauen
betrachtet wird, endlich einmal wahrscheinlich auch eine aufgeklärte conservative
nach einander die Schicksale des Staates leiten helfen. Wir haben ein Mini¬
sterium Manteuffel gehabt, und -kein Offizier von Urtheil wird behaupten, daß
der leidenschaftslose Geschäftsmann von Olmütz allen billigen Wünschen des
Landes Genüge gethan habe. Wir haben uns eines Ministerium Auerswald-
Schwerin erfreut, und kein Mitglied der altliberälen Partei wird die Ansicht
verfechten, daß dieses hohe Collegium frei Von großen NegierungsfehlerN gewesen
sei. Wir werden voraussichtlich in irgend einer Zukunft ein Ministerium aus
Mitgliedern der gegenwärtigen Linken erhalten, und auch diese werden schlecht
und recht regieren, sie werden Fehler ihrer Vorgänger vermeiden und dafür
andere begehen. Die Aufgabe eines Königs von Preußen aber ist von jetzt
an gar nicht, an eine bestimmte Partei sein Schicksal und die Zukunft seines
Hauses zu ketten, oder gar sein treues Heer als die letzte Hülfe gegen untreue
Bürger zu hegen, das wäre ein furchtbares Und verhängnißvolles Verkennen
seiner erhabenen Stellung. Sein hohes Amt ist vielmehr: prüfend in Vas
Volk zu schauen und zu beobachten, welche der Parteien gerade die größte
Frische. Wärme, Energie und Thatkraft entwickelt und am meisten befähigt ist,
die Gedanken und Herzen der Majorität des Volkes zu leiten. Aus dieser
Partei, welcher zeitweilig die Majorität der Kammern versichert ist» wird er
seine ersten verantwortlichen Beamten wählen. Das ist nicht englische Theorie,
es ist nichts als die einfache deutsche Klugheit.


Grenzboten III. 1862. 45
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114675"/>
          <p xml:id="ID_1408" prev="#ID_1407"> dieses großen nationalen Organismus zu beeinträchtigen droht. Es ist Nichts<lb/>
dagegen zu sagen, wenn die Mehrzahl ver Offiziere, den Traditionen ihrer Fa¬<lb/>
milien folgend, für sich conservative Neigungen hegt, aber -es ist höchst verkehrt,<lb/>
wenn solche Parteifarbe als das erste und beste Kennzeichen eines «ackern<lb/>
preußischen Soldaten betrachtet wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1409"> Keine politische Partei hat in Preußen noch das Recht, -auf ihre Leistungen<lb/>
und Verdienste 'Um den Staat stolz zu sein, keine hat ein Privilegium der<lb/>
Loyalität, in jeder &#x2014; -zwei kleine ausländische Fraktionen ausgenommen &#x2014;^-<lb/>
ist warme und hingebende Treue gegen das erlauchte Haus der HolMz-ollern<lb/>
und gegen die Idee ihres Staates zü finden. Die allerloyalste und Neueste<lb/>
Partei aber, die nützlichste für das Gedeihen des Regentenhauses und den<lb/>
Staat ist diejenige, welche die politische Stellung, die Ehre und die Aufgabe<lb/>
der Hohenzollern am höchsten und edelsten begreift.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1410"> Daß die conservative Partei Pwußens in dem letzten Jahrzehnt diese Auf¬<lb/>
fassung nicht besaß, ist wenigstens 'die allgemeine Ansicht in Preußen wie in<lb/>
dem übrigen Europa. Schwerlich bewahrt sich überhaupt eine Partei für alle<lb/>
Zeit diese Berechtigung. Und bei solchem Wechsel &gt;des innern Werthes werden<lb/>
in Preußen der Reihe nach mehre politische Parteiendie sogenannte altliberale,<lb/>
die neue nationale, w^che jetzt als Fortschrittspartei mit besonderem Mißtrauen<lb/>
betrachtet wird, endlich einmal wahrscheinlich auch eine aufgeklärte conservative<lb/>
nach einander die Schicksale des Staates leiten helfen. Wir haben ein Mini¬<lb/>
sterium Manteuffel gehabt, und -kein Offizier von Urtheil wird behaupten, daß<lb/>
der leidenschaftslose Geschäftsmann von Olmütz allen billigen Wünschen des<lb/>
Landes Genüge gethan habe. Wir haben uns eines Ministerium Auerswald-<lb/>
Schwerin erfreut, und kein Mitglied der altliberälen Partei wird die Ansicht<lb/>
verfechten, daß dieses hohe Collegium frei Von großen NegierungsfehlerN gewesen<lb/>
sei. Wir werden voraussichtlich in irgend einer Zukunft ein Ministerium aus<lb/>
Mitgliedern der gegenwärtigen Linken erhalten, und auch diese werden schlecht<lb/>
und recht regieren, sie werden Fehler ihrer Vorgänger vermeiden und dafür<lb/>
andere begehen. Die Aufgabe eines Königs von Preußen aber ist von jetzt<lb/>
an gar nicht, an eine bestimmte Partei sein Schicksal und die Zukunft seines<lb/>
Hauses zu ketten, oder gar sein treues Heer als die letzte Hülfe gegen untreue<lb/>
Bürger zu hegen, das wäre ein furchtbares Und verhängnißvolles Verkennen<lb/>
seiner erhabenen Stellung. Sein hohes Amt ist vielmehr: prüfend in Vas<lb/>
Volk zu schauen und zu beobachten, welche der Parteien gerade die größte<lb/>
Frische. Wärme, Energie und Thatkraft entwickelt und am meisten befähigt ist,<lb/>
die Gedanken und Herzen der Majorität des Volkes zu leiten. Aus dieser<lb/>
Partei, welcher zeitweilig die Majorität der Kammern versichert ist» wird er<lb/>
seine ersten verantwortlichen Beamten wählen. Das ist nicht englische Theorie,<lb/>
es ist nichts als die einfache deutsche Klugheit.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1862. 45</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0361] dieses großen nationalen Organismus zu beeinträchtigen droht. Es ist Nichts dagegen zu sagen, wenn die Mehrzahl ver Offiziere, den Traditionen ihrer Fa¬ milien folgend, für sich conservative Neigungen hegt, aber -es ist höchst verkehrt, wenn solche Parteifarbe als das erste und beste Kennzeichen eines «ackern preußischen Soldaten betrachtet wird. Keine politische Partei hat in Preußen noch das Recht, -auf ihre Leistungen und Verdienste 'Um den Staat stolz zu sein, keine hat ein Privilegium der Loyalität, in jeder — -zwei kleine ausländische Fraktionen ausgenommen —^- ist warme und hingebende Treue gegen das erlauchte Haus der HolMz-ollern und gegen die Idee ihres Staates zü finden. Die allerloyalste und Neueste Partei aber, die nützlichste für das Gedeihen des Regentenhauses und den Staat ist diejenige, welche die politische Stellung, die Ehre und die Aufgabe der Hohenzollern am höchsten und edelsten begreift. Daß die conservative Partei Pwußens in dem letzten Jahrzehnt diese Auf¬ fassung nicht besaß, ist wenigstens 'die allgemeine Ansicht in Preußen wie in dem übrigen Europa. Schwerlich bewahrt sich überhaupt eine Partei für alle Zeit diese Berechtigung. Und bei solchem Wechsel >des innern Werthes werden in Preußen der Reihe nach mehre politische Parteiendie sogenannte altliberale, die neue nationale, w^che jetzt als Fortschrittspartei mit besonderem Mißtrauen betrachtet wird, endlich einmal wahrscheinlich auch eine aufgeklärte conservative nach einander die Schicksale des Staates leiten helfen. Wir haben ein Mini¬ sterium Manteuffel gehabt, und -kein Offizier von Urtheil wird behaupten, daß der leidenschaftslose Geschäftsmann von Olmütz allen billigen Wünschen des Landes Genüge gethan habe. Wir haben uns eines Ministerium Auerswald- Schwerin erfreut, und kein Mitglied der altliberälen Partei wird die Ansicht verfechten, daß dieses hohe Collegium frei Von großen NegierungsfehlerN gewesen sei. Wir werden voraussichtlich in irgend einer Zukunft ein Ministerium aus Mitgliedern der gegenwärtigen Linken erhalten, und auch diese werden schlecht und recht regieren, sie werden Fehler ihrer Vorgänger vermeiden und dafür andere begehen. Die Aufgabe eines Königs von Preußen aber ist von jetzt an gar nicht, an eine bestimmte Partei sein Schicksal und die Zukunft seines Hauses zu ketten, oder gar sein treues Heer als die letzte Hülfe gegen untreue Bürger zu hegen, das wäre ein furchtbares Und verhängnißvolles Verkennen seiner erhabenen Stellung. Sein hohes Amt ist vielmehr: prüfend in Vas Volk zu schauen und zu beobachten, welche der Parteien gerade die größte Frische. Wärme, Energie und Thatkraft entwickelt und am meisten befähigt ist, die Gedanken und Herzen der Majorität des Volkes zu leiten. Aus dieser Partei, welcher zeitweilig die Majorität der Kammern versichert ist» wird er seine ersten verantwortlichen Beamten wählen. Das ist nicht englische Theorie, es ist nichts als die einfache deutsche Klugheit. Grenzboten III. 1862. 45

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/361
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/361>, abgerufen am 25.08.2024.