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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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und ihn zu einleitenden Schritten bei der Unterhandlung mit Napoleon zu be¬
wegen. Bismark wurde sehr vernehmlich abgewiesen, was ihn aber nicht abhielt,
den inzwischen nach Baden gereisten Regenten nochmals mit dringenden Vor¬
stellungen anzugehen, die abermals erfolglos blieben. Der Regent hatte jetzt
den Plan Bismarks vollständig kennen gelernt: Preußen solle sich mit Frankreich
und Nußland über die Bildung eines deutschen Bundesstaats, an dessen Spitze
der König von Preußen stehen würde, verständigen. Habe man dasür die Zu¬
stimmung jener beiden Mächte erlangt, so werde ein deutsches Parlament nach
Frankfurt berufen. Diesen Ruf würde die deutsche Demokratie mit Jubel be¬
grüßen, sie würde die noch widerstrebenden Regierungen mit sich fortreißen,
Preußen aber würde seinen Forderungen vollends durch militärische Demonstra¬
tionen Nachdruck geben, und wenn dann der deutsche Bundesstaat mit dem
Parlament constituirt sei, die preußische Landesverfassung aber ebenso wie die¬
jenigen der übrigen Staaten rite aufgehoben worden, jage man das Frank¬
furter Parlament auseinander und beginne mit äußerster Energie ein absolutes
Regiment.

Der Regent, dessen Rechtssinn vor solchen Gedanken zurückschreckte, schien
darauf die Gelegenheit in Baden ergriffen zu haben, um durch die entschieden¬
sten patriotischen Aeußerungen gegen seine dort versammelten Mitfürsten gleich¬
sam seine Seele von dem angehauchten Gifte zu reinigen. Was er als ehr¬
licher Mann aussprach, erweckte überall in Deutschland neues Vertrauen zu ihm,
und als einige Wochen später v. Bismark abermals in Baden erschien und
Gehör zu finden versuchte, erfuhr er nur eine noch schärfere Abweisung, für die
sich der Regent sehr starker Ausdrücke bediente.

Für den Augenblick war nun auf dem geraden Wege nicht weiter zu kom¬
men, man brouillirte daher den Regenten nach außen hin durch die ihm octroyirte
schroffe Forderung des Oberbefehls über die deutschen Heere, verbitterte ihn
durch die eigenthümliche Behandlung der Militärfrage, setzte ihn mit seinen
liberalen Ministern allmälig in Widerspruch, ergriff, nachdem er König geworden
und die Versuche mit der Huldigung fehl geschlagen, die Krönung als ein passen¬
des Mittel, um ihn bei der empfindlichsten Seite zu fassen und von dem Volke
zu trennen.

Als der Fürst von Hohenzollern, dem die Wendung einleuchtete, welcher
er jedoch nicht mehr Einhalt zu thun vermochte, Berlin verließ und Herr
v. Bernstor-ff an die Stelle des Herrn v. Schleinitz trat, da war der Sieg der
Feudalen an maßgebender Stelle schon entschieden. Nun tauchte auch v. Bis¬
mark, der in Petersburg und ,von dort aus eifrig fortgearbeitet hatte, am
Hofe in Berlin wieder auf, und wurde dem Könige aufs Neue als der Helfer
in allen Nöthen empfohlen, sogar auch für das Ministerium des Innern, mit
der Versicherung, daß v. Bismark allein im Stande sei, gute Wahlen für das


und ihn zu einleitenden Schritten bei der Unterhandlung mit Napoleon zu be¬
wegen. Bismark wurde sehr vernehmlich abgewiesen, was ihn aber nicht abhielt,
den inzwischen nach Baden gereisten Regenten nochmals mit dringenden Vor¬
stellungen anzugehen, die abermals erfolglos blieben. Der Regent hatte jetzt
den Plan Bismarks vollständig kennen gelernt: Preußen solle sich mit Frankreich
und Nußland über die Bildung eines deutschen Bundesstaats, an dessen Spitze
der König von Preußen stehen würde, verständigen. Habe man dasür die Zu¬
stimmung jener beiden Mächte erlangt, so werde ein deutsches Parlament nach
Frankfurt berufen. Diesen Ruf würde die deutsche Demokratie mit Jubel be¬
grüßen, sie würde die noch widerstrebenden Regierungen mit sich fortreißen,
Preußen aber würde seinen Forderungen vollends durch militärische Demonstra¬
tionen Nachdruck geben, und wenn dann der deutsche Bundesstaat mit dem
Parlament constituirt sei, die preußische Landesverfassung aber ebenso wie die¬
jenigen der übrigen Staaten rite aufgehoben worden, jage man das Frank¬
furter Parlament auseinander und beginne mit äußerster Energie ein absolutes
Regiment.

Der Regent, dessen Rechtssinn vor solchen Gedanken zurückschreckte, schien
darauf die Gelegenheit in Baden ergriffen zu haben, um durch die entschieden¬
sten patriotischen Aeußerungen gegen seine dort versammelten Mitfürsten gleich¬
sam seine Seele von dem angehauchten Gifte zu reinigen. Was er als ehr¬
licher Mann aussprach, erweckte überall in Deutschland neues Vertrauen zu ihm,
und als einige Wochen später v. Bismark abermals in Baden erschien und
Gehör zu finden versuchte, erfuhr er nur eine noch schärfere Abweisung, für die
sich der Regent sehr starker Ausdrücke bediente.

Für den Augenblick war nun auf dem geraden Wege nicht weiter zu kom¬
men, man brouillirte daher den Regenten nach außen hin durch die ihm octroyirte
schroffe Forderung des Oberbefehls über die deutschen Heere, verbitterte ihn
durch die eigenthümliche Behandlung der Militärfrage, setzte ihn mit seinen
liberalen Ministern allmälig in Widerspruch, ergriff, nachdem er König geworden
und die Versuche mit der Huldigung fehl geschlagen, die Krönung als ein passen¬
des Mittel, um ihn bei der empfindlichsten Seite zu fassen und von dem Volke
zu trennen.

Als der Fürst von Hohenzollern, dem die Wendung einleuchtete, welcher
er jedoch nicht mehr Einhalt zu thun vermochte, Berlin verließ und Herr
v. Bernstor-ff an die Stelle des Herrn v. Schleinitz trat, da war der Sieg der
Feudalen an maßgebender Stelle schon entschieden. Nun tauchte auch v. Bis¬
mark, der in Petersburg und ,von dort aus eifrig fortgearbeitet hatte, am
Hofe in Berlin wieder auf, und wurde dem Könige aufs Neue als der Helfer
in allen Nöthen empfohlen, sogar auch für das Ministerium des Innern, mit
der Versicherung, daß v. Bismark allein im Stande sei, gute Wahlen für das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/356>, abgerufen am 25.08.2024.