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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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verderblich, so lange sie im Verborgenen bleiben; die Machinationen, denen sie
dienen, zerfallen in Nichts, sobald sie an das Tageslicht gezogen werden. Wir
nehmen deshalb keinen Anstand, den Gedankengang -- nicht den Wortlaut --
eines Schreibens aus Berlin nach München, vielleicht auch nach mehr als einer
süddeutschen Residenz über die Politik der reactionären Partei in Preußen, über
deren Mittel und Wege, -- geschrieben in der ersten Hälfte Juni >-- in Fol¬
gendem mitzutheilen.

Nach manchen vergeblichen Versuchen, das Ministerium Hohenzollern zu
stürzen, -- so sagt der Brief -- entwarf die feudale Umgebung des Königs
gegen Ende 1859 den Plan, den König durch die ihm dringend empfohlene
Reorganisation des Heeres mit der Volksvertretung und dem Lande zu verfein¬
den, und ihn gleichzeitig mit der auswärtigen Politik in eine absolutistische
Bahn zu drängen, die, dann auf Preußen zurückgelenkt, den Umsturz der Ver¬
fassung zu ihrem Ziele haben würde. Für den zweiten Theil der Aufgabe war
Herr v. Bismark, der aus selbsteigenem Triebe schon handelnd vorangegangen
war, der Mann, dem sich das Vertrauen und die Hoffnung der reactionären
Partei in erster Linie zuwendete. In ersterer Beziehung gelang es bald,
durch Vorstellungen in dem Sinne, daß auf solche Weise allein das Ansehen
und die Macht Preußens in Deutschland wie überhaupt in Europa gesichert
und gehoben werden können, den König dahin zu bringen, daß er die Re¬
organisation und Vermehrung des stehenden Heeres, die stets zu seinen
Lieblingswünschen gehörte, mit demjenigen Eifer in Angriff nahm, den man
bei ihm erregen wollte, um Widerstreben im Lande szu erzeugen, den König
mehr und mehr gegen die Stunde zu erbittern, damit aber auch ihm Wider¬
willen gegen die Verfassung selbst einzuflößen. Der König sollte nur noch
auf feudaler Seite Anhang erblicken, die Verfassung aber als eine Schutz- und
Trutzwaffe seiner Gegner verwünschen lernen. Der Brief schildert die Arbeit
der reactionären Partei im Einzelnen, zählt die Personen auf, welche dabei,
zum Theil ohne es zu ahnen, verwendet wurden, und fährt dann fort: Die
Sprengung des liberalen Ministeriums hatte man schon früher zu bewirken ge¬
hofft, nachdem Herr v. Roon an die Stelle des Herrn von Bonin gebracht war.
Allein Herr v. Schleinitz leistete durch seine Handhabung der äußern und innern
Politik, die er beide in Verbindung zu erhalten wußte, einen nachhaltigen
Widerstand. Erst der Eintritt des Herrn v. Bernstorff in das Cabinet verhalf
der Reaction zum Siege, weil er überwiegend zu der feudalen Partei hinneigte
und bereits von ihren Hauptagenten umgarnt war. Seine Aufgabe sollte nur
sein. Herrn v. Bismark den Weg in das Ministerium zu bahnen, damit als¬
dann, nachdem die Vorarbeit im Lande selbst geschehen war, der Verfassung von
außen her ein Ende gemacht werden könne.

Ueber den Plan des Herrn v. Bismark verbreitet sich der Brief sehr aus-


Grenzboten III. 1862. 44

verderblich, so lange sie im Verborgenen bleiben; die Machinationen, denen sie
dienen, zerfallen in Nichts, sobald sie an das Tageslicht gezogen werden. Wir
nehmen deshalb keinen Anstand, den Gedankengang — nicht den Wortlaut —
eines Schreibens aus Berlin nach München, vielleicht auch nach mehr als einer
süddeutschen Residenz über die Politik der reactionären Partei in Preußen, über
deren Mittel und Wege, — geschrieben in der ersten Hälfte Juni >— in Fol¬
gendem mitzutheilen.

Nach manchen vergeblichen Versuchen, das Ministerium Hohenzollern zu
stürzen, — so sagt der Brief — entwarf die feudale Umgebung des Königs
gegen Ende 1859 den Plan, den König durch die ihm dringend empfohlene
Reorganisation des Heeres mit der Volksvertretung und dem Lande zu verfein¬
den, und ihn gleichzeitig mit der auswärtigen Politik in eine absolutistische
Bahn zu drängen, die, dann auf Preußen zurückgelenkt, den Umsturz der Ver¬
fassung zu ihrem Ziele haben würde. Für den zweiten Theil der Aufgabe war
Herr v. Bismark, der aus selbsteigenem Triebe schon handelnd vorangegangen
war, der Mann, dem sich das Vertrauen und die Hoffnung der reactionären
Partei in erster Linie zuwendete. In ersterer Beziehung gelang es bald,
durch Vorstellungen in dem Sinne, daß auf solche Weise allein das Ansehen
und die Macht Preußens in Deutschland wie überhaupt in Europa gesichert
und gehoben werden können, den König dahin zu bringen, daß er die Re¬
organisation und Vermehrung des stehenden Heeres, die stets zu seinen
Lieblingswünschen gehörte, mit demjenigen Eifer in Angriff nahm, den man
bei ihm erregen wollte, um Widerstreben im Lande szu erzeugen, den König
mehr und mehr gegen die Stunde zu erbittern, damit aber auch ihm Wider¬
willen gegen die Verfassung selbst einzuflößen. Der König sollte nur noch
auf feudaler Seite Anhang erblicken, die Verfassung aber als eine Schutz- und
Trutzwaffe seiner Gegner verwünschen lernen. Der Brief schildert die Arbeit
der reactionären Partei im Einzelnen, zählt die Personen auf, welche dabei,
zum Theil ohne es zu ahnen, verwendet wurden, und fährt dann fort: Die
Sprengung des liberalen Ministeriums hatte man schon früher zu bewirken ge¬
hofft, nachdem Herr v. Roon an die Stelle des Herrn von Bonin gebracht war.
Allein Herr v. Schleinitz leistete durch seine Handhabung der äußern und innern
Politik, die er beide in Verbindung zu erhalten wußte, einen nachhaltigen
Widerstand. Erst der Eintritt des Herrn v. Bernstorff in das Cabinet verhalf
der Reaction zum Siege, weil er überwiegend zu der feudalen Partei hinneigte
und bereits von ihren Hauptagenten umgarnt war. Seine Aufgabe sollte nur
sein. Herrn v. Bismark den Weg in das Ministerium zu bahnen, damit als¬
dann, nachdem die Vorarbeit im Lande selbst geschehen war, der Verfassung von
außen her ein Ende gemacht werden könne.

Ueber den Plan des Herrn v. Bismark verbreitet sich der Brief sehr aus-


Grenzboten III. 1862. 44
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[0353] verderblich, so lange sie im Verborgenen bleiben; die Machinationen, denen sie dienen, zerfallen in Nichts, sobald sie an das Tageslicht gezogen werden. Wir nehmen deshalb keinen Anstand, den Gedankengang — nicht den Wortlaut — eines Schreibens aus Berlin nach München, vielleicht auch nach mehr als einer süddeutschen Residenz über die Politik der reactionären Partei in Preußen, über deren Mittel und Wege, — geschrieben in der ersten Hälfte Juni >— in Fol¬ gendem mitzutheilen. Nach manchen vergeblichen Versuchen, das Ministerium Hohenzollern zu stürzen, — so sagt der Brief — entwarf die feudale Umgebung des Königs gegen Ende 1859 den Plan, den König durch die ihm dringend empfohlene Reorganisation des Heeres mit der Volksvertretung und dem Lande zu verfein¬ den, und ihn gleichzeitig mit der auswärtigen Politik in eine absolutistische Bahn zu drängen, die, dann auf Preußen zurückgelenkt, den Umsturz der Ver¬ fassung zu ihrem Ziele haben würde. Für den zweiten Theil der Aufgabe war Herr v. Bismark, der aus selbsteigenem Triebe schon handelnd vorangegangen war, der Mann, dem sich das Vertrauen und die Hoffnung der reactionären Partei in erster Linie zuwendete. In ersterer Beziehung gelang es bald, durch Vorstellungen in dem Sinne, daß auf solche Weise allein das Ansehen und die Macht Preußens in Deutschland wie überhaupt in Europa gesichert und gehoben werden können, den König dahin zu bringen, daß er die Re¬ organisation und Vermehrung des stehenden Heeres, die stets zu seinen Lieblingswünschen gehörte, mit demjenigen Eifer in Angriff nahm, den man bei ihm erregen wollte, um Widerstreben im Lande szu erzeugen, den König mehr und mehr gegen die Stunde zu erbittern, damit aber auch ihm Wider¬ willen gegen die Verfassung selbst einzuflößen. Der König sollte nur noch auf feudaler Seite Anhang erblicken, die Verfassung aber als eine Schutz- und Trutzwaffe seiner Gegner verwünschen lernen. Der Brief schildert die Arbeit der reactionären Partei im Einzelnen, zählt die Personen auf, welche dabei, zum Theil ohne es zu ahnen, verwendet wurden, und fährt dann fort: Die Sprengung des liberalen Ministeriums hatte man schon früher zu bewirken ge¬ hofft, nachdem Herr v. Roon an die Stelle des Herrn von Bonin gebracht war. Allein Herr v. Schleinitz leistete durch seine Handhabung der äußern und innern Politik, die er beide in Verbindung zu erhalten wußte, einen nachhaltigen Widerstand. Erst der Eintritt des Herrn v. Bernstorff in das Cabinet verhalf der Reaction zum Siege, weil er überwiegend zu der feudalen Partei hinneigte und bereits von ihren Hauptagenten umgarnt war. Seine Aufgabe sollte nur sein. Herrn v. Bismark den Weg in das Ministerium zu bahnen, damit als¬ dann, nachdem die Vorarbeit im Lande selbst geschehen war, der Verfassung von außen her ein Ende gemacht werden könne. Ueber den Plan des Herrn v. Bismark verbreitet sich der Brief sehr aus- Grenzboten III. 1862. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/353>, abgerufen am 25.08.2024.