Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.die glänzenden Vorzüge weicherer Bildungsfähigkeit und kluger Gelehrigkeit, Nicht minder wichtig aber war ein zweiter Umstand. Tief hineingeworfen Die glücklichsten Bedingungen einer starken Entwickelung nach zwei Seiten die glänzenden Vorzüge weicherer Bildungsfähigkeit und kluger Gelehrigkeit, Nicht minder wichtig aber war ein zweiter Umstand. Tief hineingeworfen Die glücklichsten Bedingungen einer starken Entwickelung nach zwei Seiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0334" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114648"/> <p xml:id="ID_1341" prev="#ID_1340"> die glänzenden Vorzüge weicherer Bildungsfähigkeit und kluger Gelehrigkeit,<lb/> durch welche, auf den ersten Anblick, Gothen, Burgunder und andere sich vor<lb/> dem furchtbaren, frevclreichen Volke der Franken auszeichneten. Während die<lb/> anderen Völker fast alle bei ihrem Eintritt ins Christenthum einem Lehrbegriffe<lb/> sich zuwendeten, der unter den Bevölkerungen des Römerreiches allmälig der<lb/> Gegenstand allgemeinen Abscheues wurde und nun jede Befreundung zwischen<lb/> Eingewanderten und Einheimischen unmöglich machte, wurden die Franken so¬<lb/> gleich bei ihrer Bekehrung nicht blos Christen, sondern auch rechtgläubige, atha-<lb/> nasianische Christen, Mitten unter den arianischen Nationen der Barbaren<lb/> hatte jetzt die römische Bevölkerung, hatte namentlich die Geistlichkeit eine, wei¬<lb/> cher als dem ausenvähltcn Volke Gottes alle Herzen entgegenschlugen; mit den<lb/> wenigen entscheidenden Worten ihres Glaubensbekenntnisses gewannen Chlod¬<lb/> wig und seine Nachkommen mehr als gothische und burgundische Könige mit all<lb/> ihrem cinstudirten Respect für römische Literatur und Jurisprudenz und all<lb/> ihrem guten Willen/sich Humanisiren zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1342"> Nicht minder wichtig aber war ein zweiter Umstand. Tief hineingeworfen<lb/> in die fremde Welt und ihre überwältigenden Eindrücke, waren die' andern<lb/> Völkerschaften jedes Zusammenhanges mit einer Heimath, aus der sie sich hätten<lb/> verstärken und die ursprüngliche Kraft ihres Wesens erfrischen können, verlustig<lb/> gegangen. Das Frssnkcnreich dagegen, weit über römisches Land ausgebreitet,<lb/> hatte doch seine rein germanische Basis nicht eingebüßt. Rechts vom Mittel¬<lb/> rhein und weit am Manne hinauf, überdieß aber auch auf dem linken Rhein-<lb/> ufer bis über die Mosel hinaus, wo sich die römische Bevölkerung früh verloren<lb/> hatte, war rein deutsches Frankenland, und an dieses gelehnt, konnten die frän¬<lb/> kischen Gebiete im Westen allezeit neue Ströme germanischer Krieger und ger¬<lb/> manischen Wesens in sich einfließen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1343" next="#ID_1344"> Die glücklichsten Bedingungen einer starken Entwickelung nach zwei Seiten<lb/> hin waren damit dieser fränkischen Macht gegeben. Gegen die germanischen<lb/> Reiche des Westens kam ihr sowohl die frische Kraft, die sie fortwährend aus<lb/> dem Osten zog, als auch die Anziehung zu Statten, die sie vermöge ihrer Recht¬<lb/> gläubigkeit auf die römischen Bevölkerungen dieser Reiche übte; gegen die Nach¬<lb/> barn im Osten — die Alemannen, Bayern und Thüringer, welche mit dem römi¬<lb/> schen Reiche und seiner Cultur nur in geringere Berührung gekommen, hatte sie<lb/> alle die tausendfachen Werkzeuge und Fertigkeiten für Kampf und Herrschaft<lb/> voraus, die ihr aus einer innigeren Berührung mit jener Cultur entsprangen.<lb/> Die byzantinische Politik aber sah gegen dieses Reich seine besten Angriffsmittel<lb/> stumpf werden und mußte leiden, daß dasselbe ihr in dem Geschäft, die ger¬<lb/> manischen Reiche des Westens und Südens mit Hülfe der römischen Bevölke¬<lb/> rungen über den Haufen zu werfen, die glücklichste Concurrenz machte. Bald an<lb/> der Loire und bald an dem thüringer Walde, bald an der Rhone und bald am Lech</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0334]
die glänzenden Vorzüge weicherer Bildungsfähigkeit und kluger Gelehrigkeit,
durch welche, auf den ersten Anblick, Gothen, Burgunder und andere sich vor
dem furchtbaren, frevclreichen Volke der Franken auszeichneten. Während die
anderen Völker fast alle bei ihrem Eintritt ins Christenthum einem Lehrbegriffe
sich zuwendeten, der unter den Bevölkerungen des Römerreiches allmälig der
Gegenstand allgemeinen Abscheues wurde und nun jede Befreundung zwischen
Eingewanderten und Einheimischen unmöglich machte, wurden die Franken so¬
gleich bei ihrer Bekehrung nicht blos Christen, sondern auch rechtgläubige, atha-
nasianische Christen, Mitten unter den arianischen Nationen der Barbaren
hatte jetzt die römische Bevölkerung, hatte namentlich die Geistlichkeit eine, wei¬
cher als dem ausenvähltcn Volke Gottes alle Herzen entgegenschlugen; mit den
wenigen entscheidenden Worten ihres Glaubensbekenntnisses gewannen Chlod¬
wig und seine Nachkommen mehr als gothische und burgundische Könige mit all
ihrem cinstudirten Respect für römische Literatur und Jurisprudenz und all
ihrem guten Willen/sich Humanisiren zu lassen.
Nicht minder wichtig aber war ein zweiter Umstand. Tief hineingeworfen
in die fremde Welt und ihre überwältigenden Eindrücke, waren die' andern
Völkerschaften jedes Zusammenhanges mit einer Heimath, aus der sie sich hätten
verstärken und die ursprüngliche Kraft ihres Wesens erfrischen können, verlustig
gegangen. Das Frssnkcnreich dagegen, weit über römisches Land ausgebreitet,
hatte doch seine rein germanische Basis nicht eingebüßt. Rechts vom Mittel¬
rhein und weit am Manne hinauf, überdieß aber auch auf dem linken Rhein-
ufer bis über die Mosel hinaus, wo sich die römische Bevölkerung früh verloren
hatte, war rein deutsches Frankenland, und an dieses gelehnt, konnten die frän¬
kischen Gebiete im Westen allezeit neue Ströme germanischer Krieger und ger¬
manischen Wesens in sich einfließen lassen.
Die glücklichsten Bedingungen einer starken Entwickelung nach zwei Seiten
hin waren damit dieser fränkischen Macht gegeben. Gegen die germanischen
Reiche des Westens kam ihr sowohl die frische Kraft, die sie fortwährend aus
dem Osten zog, als auch die Anziehung zu Statten, die sie vermöge ihrer Recht¬
gläubigkeit auf die römischen Bevölkerungen dieser Reiche übte; gegen die Nach¬
barn im Osten — die Alemannen, Bayern und Thüringer, welche mit dem römi¬
schen Reiche und seiner Cultur nur in geringere Berührung gekommen, hatte sie
alle die tausendfachen Werkzeuge und Fertigkeiten für Kampf und Herrschaft
voraus, die ihr aus einer innigeren Berührung mit jener Cultur entsprangen.
Die byzantinische Politik aber sah gegen dieses Reich seine besten Angriffsmittel
stumpf werden und mußte leiden, daß dasselbe ihr in dem Geschäft, die ger¬
manischen Reiche des Westens und Südens mit Hülfe der römischen Bevölke¬
rungen über den Haufen zu werfen, die glücklichste Concurrenz machte. Bald an
der Loire und bald an dem thüringer Walde, bald an der Rhone und bald am Lech
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