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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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der I-übersah; mur Erschrecken heftig aufbrach, da war auch dies wie ein schneller
Wogenschwall, der sogleich wieder zusammenbrach. Und selten war solcher Trotz,
es lag nicht im Wesen der Bürger, etwas auf die Spitze zu treiben; heiter,
bequem lief dort das Leben, bei aller Gefügigkeit nicht ohne innerliche Kraft
uno nickt arm an Gemüth. Die neuen Ideen des sechszehnten Jahrhunderts
fanden dort früh warme Freunde und treue Anhänger auch unter den Patriciern.
Schon Hütten fühlte sich dort mehr heimisch, als sonst irgendwo unter dem
Bürgervolk. Wenn der Eifer der Reformation gedämpft erschien, so war
nicht nur Politik und Handel, es war auch ein Zug von humaner Bildung die
Ursache, wie er ähnlich bis lange über Luthers Tod hinaus- und- wieder kurz
vor dem dreißigjährigen Kriege der Bildung Straßburgs so blühendes Aus¬
sehen gab. Und wie Frankfurts Handel schon "früh in Geldgeschäften und
feinen Luxuswaaren sich ausbreitete, so blieb auch dem Leben der Wohl¬
habenden dort ein aristokratischer und weltbürgerlicher Zug, artige Frauen
und elegante Gasthöfe, hübsche Kupferwerke und gute Weine" behagliche Selbst¬
zufriedenheit^ und Respect vor fremdem Selbstgefühl. Und wir verdanken
dieser Stadt nicht den Meßverkchr allein, wie er zum großen Theil noch
jetzt-besteht, aus ihr kam uns der geordnete Bücherhandel und die ersten
regelmäßigen Zeitungen; aus ihr blühte auch der Pietismus auf. Frankfurt
war die letzte deutsche Stadt, in welcher die Erinnerungen an Kaiser und Neichs-
zusammenhang durch das Eeremonicll der Krönung- und den gebratenen Ochsen
erhalten blieben; sie war wieder die erste, in- welche das vielgetheilte Volk zu
einer- neuen Vereinigung seine Abgeordneten sandte.

Nach dieser Richtung ist auch eine Mittheilung charakteristisch, welche wir
dem Werke von Kriege verdanken. Sie ist sehr merkwürdig, und ihre Mitthei¬
lung hier soll der wackeren Stadt nicht zur Unehre gereichen. Frankfurt war die
erste ----- und so weit unsere Kunde reicht -- die einzige deutsche Stadt, welche
schon im Mittelalter eine öffentliche Spielbank einrichtete, und als Einnahme¬
quelle benutzte. Was Herr Kriege darüber aus den städtischen- Archiven er¬
mittelt' hat-, ist in einem Auszug seiner Worte Folgendes:

Diese Spielbank der Stadt Frankfurt, welche als concessionirte Anstalt
eine Zeit lang in Pacht gegeben und nachher sogar von der Behörde selbst
betrieben wurde, führte von dem Hause, in welchem sie zuerst bestand, den
Namen des Speies uff dem Helffenstein und behielt diesen Namen auch
dann, als sie in ein anderes Haus verlegt worden war; ja der Namen
Hcißenstein ward damals nicht nur auf das neue Spielhaus mit übertragen,
sondern man- nannte auch das Spiel selbst den Hcißenstein.

Diez Ecke, welche jetzt das Gasthaus' zum weißen Schwan zwischen dem
Theatcrplatz- und dem Steinweg bildet, war vor 500 Jahren von drei neben¬
einander stehenden^ mit ihren Fagadew gegen den Steinweg gerichteten Häusern


der I-übersah; mur Erschrecken heftig aufbrach, da war auch dies wie ein schneller
Wogenschwall, der sogleich wieder zusammenbrach. Und selten war solcher Trotz,
es lag nicht im Wesen der Bürger, etwas auf die Spitze zu treiben; heiter,
bequem lief dort das Leben, bei aller Gefügigkeit nicht ohne innerliche Kraft
uno nickt arm an Gemüth. Die neuen Ideen des sechszehnten Jahrhunderts
fanden dort früh warme Freunde und treue Anhänger auch unter den Patriciern.
Schon Hütten fühlte sich dort mehr heimisch, als sonst irgendwo unter dem
Bürgervolk. Wenn der Eifer der Reformation gedämpft erschien, so war
nicht nur Politik und Handel, es war auch ein Zug von humaner Bildung die
Ursache, wie er ähnlich bis lange über Luthers Tod hinaus- und- wieder kurz
vor dem dreißigjährigen Kriege der Bildung Straßburgs so blühendes Aus¬
sehen gab. Und wie Frankfurts Handel schon "früh in Geldgeschäften und
feinen Luxuswaaren sich ausbreitete, so blieb auch dem Leben der Wohl¬
habenden dort ein aristokratischer und weltbürgerlicher Zug, artige Frauen
und elegante Gasthöfe, hübsche Kupferwerke und gute Weine» behagliche Selbst¬
zufriedenheit^ und Respect vor fremdem Selbstgefühl. Und wir verdanken
dieser Stadt nicht den Meßverkchr allein, wie er zum großen Theil noch
jetzt-besteht, aus ihr kam uns der geordnete Bücherhandel und die ersten
regelmäßigen Zeitungen; aus ihr blühte auch der Pietismus auf. Frankfurt
war die letzte deutsche Stadt, in welcher die Erinnerungen an Kaiser und Neichs-
zusammenhang durch das Eeremonicll der Krönung- und den gebratenen Ochsen
erhalten blieben; sie war wieder die erste, in- welche das vielgetheilte Volk zu
einer- neuen Vereinigung seine Abgeordneten sandte.

Nach dieser Richtung ist auch eine Mittheilung charakteristisch, welche wir
dem Werke von Kriege verdanken. Sie ist sehr merkwürdig, und ihre Mitthei¬
lung hier soll der wackeren Stadt nicht zur Unehre gereichen. Frankfurt war die
erste ----- und so weit unsere Kunde reicht — die einzige deutsche Stadt, welche
schon im Mittelalter eine öffentliche Spielbank einrichtete, und als Einnahme¬
quelle benutzte. Was Herr Kriege darüber aus den städtischen- Archiven er¬
mittelt' hat-, ist in einem Auszug seiner Worte Folgendes:

Diese Spielbank der Stadt Frankfurt, welche als concessionirte Anstalt
eine Zeit lang in Pacht gegeben und nachher sogar von der Behörde selbst
betrieben wurde, führte von dem Hause, in welchem sie zuerst bestand, den
Namen des Speies uff dem Helffenstein und behielt diesen Namen auch
dann, als sie in ein anderes Haus verlegt worden war; ja der Namen
Hcißenstein ward damals nicht nur auf das neue Spielhaus mit übertragen,
sondern man- nannte auch das Spiel selbst den Hcißenstein.

Diez Ecke, welche jetzt das Gasthaus' zum weißen Schwan zwischen dem
Theatcrplatz- und dem Steinweg bildet, war vor 500 Jahren von drei neben¬
einander stehenden^ mit ihren Fagadew gegen den Steinweg gerichteten Häusern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/325>, abgerufen am 06.02.2025.