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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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halten, begannen einen kläglichen Rückschritt zu fürchten, Besorgnisse, welche
durch die Unterstützung der, katholischen Urscmtone im Sonderbundskrieg durch
piemontesisches Geld nur allzu gerechtfertigt waren.

In dieser Zeit circulirte von Hand zu Hand ein beißendes Spottgedicht
auf Karl Albert als den König Zauberer, l'izntölirm, das in der Weise
der Giusiischcn Satiren von dem jungen Dichter Carbone verfaßt war"). Durch
den Marchese Cavour wurde es dein König gebracht, der darin einen neuen
Beweis für die Ruchlosigkeit der Liberalen sehen und zu strengeren Maßregeln
aufgestachelt werden sollte. Allein der Erfolg war ein völlig entgegengesetzter:
Karl Albert fühlte sich schmerzlich gedemüthigt, und als man ihm vollends zu
verstehen gab, es rühre von Giusti her, rief er aus: "Nur zu sehr sehe ich, daß
die Italiener mich noch nicht kennen gelernt haben!" Am andern Tag war
er völlig wieder hergestellt, die Satire hatte wie ein Lebenselixir gewirkt, und
bald zeigte sich, daß er zu seinen alten Vorsätzen zurückgekehrt war. Man hörte,
daß er durch mehre Tage lange und vertraute Unterredungen mit einigen sei
ner intimsten Rathgeber Pflog, besonders mit dem eigens von Novara berufenen
Cav. Giovanelli; für Marschall Latour war er unzugänglich geworden, während
Männer von gutem liberalen Klang zu ihm gerufen wurden, die nie zuvor
die königlichen Gemächer betreten hatten; man sprach von Vorarbeiten, die
hohen Beamten aufgetragen seien und die auf neue Reformen in der Verwal¬
tung deuteten, und alles stand in Erwartung, eines großen politischen Er¬
eignisses.

Der Spätsommer des Jahres 1847 war unter den mannigfachsten Auf-



') Der erste Bers dieser beißenden Satire lautet:
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halten, begannen einen kläglichen Rückschritt zu fürchten, Besorgnisse, welche
durch die Unterstützung der, katholischen Urscmtone im Sonderbundskrieg durch
piemontesisches Geld nur allzu gerechtfertigt waren.

In dieser Zeit circulirte von Hand zu Hand ein beißendes Spottgedicht
auf Karl Albert als den König Zauberer, l'izntölirm, das in der Weise
der Giusiischcn Satiren von dem jungen Dichter Carbone verfaßt war"). Durch
den Marchese Cavour wurde es dein König gebracht, der darin einen neuen
Beweis für die Ruchlosigkeit der Liberalen sehen und zu strengeren Maßregeln
aufgestachelt werden sollte. Allein der Erfolg war ein völlig entgegengesetzter:
Karl Albert fühlte sich schmerzlich gedemüthigt, und als man ihm vollends zu
verstehen gab, es rühre von Giusti her, rief er aus: „Nur zu sehr sehe ich, daß
die Italiener mich noch nicht kennen gelernt haben!" Am andern Tag war
er völlig wieder hergestellt, die Satire hatte wie ein Lebenselixir gewirkt, und
bald zeigte sich, daß er zu seinen alten Vorsätzen zurückgekehrt war. Man hörte,
daß er durch mehre Tage lange und vertraute Unterredungen mit einigen sei
ner intimsten Rathgeber Pflog, besonders mit dem eigens von Novara berufenen
Cav. Giovanelli; für Marschall Latour war er unzugänglich geworden, während
Männer von gutem liberalen Klang zu ihm gerufen wurden, die nie zuvor
die königlichen Gemächer betreten hatten; man sprach von Vorarbeiten, die
hohen Beamten aufgetragen seien und die auf neue Reformen in der Verwal¬
tung deuteten, und alles stand in Erwartung, eines großen politischen Er¬
eignisses.

Der Spätsommer des Jahres 1847 war unter den mannigfachsten Auf-



') Der erste Bers dieser beißenden Satire lautet:
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[0309] halten, begannen einen kläglichen Rückschritt zu fürchten, Besorgnisse, welche durch die Unterstützung der, katholischen Urscmtone im Sonderbundskrieg durch piemontesisches Geld nur allzu gerechtfertigt waren. In dieser Zeit circulirte von Hand zu Hand ein beißendes Spottgedicht auf Karl Albert als den König Zauberer, l'izntölirm, das in der Weise der Giusiischcn Satiren von dem jungen Dichter Carbone verfaßt war"). Durch den Marchese Cavour wurde es dein König gebracht, der darin einen neuen Beweis für die Ruchlosigkeit der Liberalen sehen und zu strengeren Maßregeln aufgestachelt werden sollte. Allein der Erfolg war ein völlig entgegengesetzter: Karl Albert fühlte sich schmerzlich gedemüthigt, und als man ihm vollends zu verstehen gab, es rühre von Giusti her, rief er aus: „Nur zu sehr sehe ich, daß die Italiener mich noch nicht kennen gelernt haben!" Am andern Tag war er völlig wieder hergestellt, die Satire hatte wie ein Lebenselixir gewirkt, und bald zeigte sich, daß er zu seinen alten Vorsätzen zurückgekehrt war. Man hörte, daß er durch mehre Tage lange und vertraute Unterredungen mit einigen sei ner intimsten Rathgeber Pflog, besonders mit dem eigens von Novara berufenen Cav. Giovanelli; für Marschall Latour war er unzugänglich geworden, während Männer von gutem liberalen Klang zu ihm gerufen wurden, die nie zuvor die königlichen Gemächer betreten hatten; man sprach von Vorarbeiten, die hohen Beamten aufgetragen seien und die auf neue Reformen in der Verwal¬ tung deuteten, und alles stand in Erwartung, eines großen politischen Er¬ eignisses. Der Spätsommer des Jahres 1847 war unter den mannigfachsten Auf- ') Der erste Bers dieser beißenden Satire lautet: Rh ?eirtkilllg,. Jo ZisdiiL illis e'si» in Italis,, ^Ärrg. ung, VLLllKiii. grg.n pörgs-nieng., Hrr is obs gli srs,, urr et^IIir bau» ?a?20 psl Aioöu äste' ÄltA-Ieri» Lass g,ssl>,i r^ro moi re I'sstimo, L kri vtriidMÄto Renten»!!, primo 0r In mrmkvs. tZis.Kio, or Ng-reine», Uf, I'uno in trett»., I'altro Ääagioo, L it rs 6ick!og,: in' ^rstto g.als,^lo, Lravv nul^ioo, böllviiö Liitgio. Lionäol», douctol^, LKö eosg. aineng,, IlonctolÄ, oioriäot^, 'L 1'a.Ils.IsQÄ; Ilrr pe>' piu eklere, Nöiro ... al xiii ... Lionclol», ännäola L su s glu. -

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/309>, abgerufen am 06.02.2025.