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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Orchester. Die bekannte Arie "IKe wimM ^lurU sonna", mit der Mieren
Trompete, war eine sehr gelungene Leistung der Herrn Bettelei und Harper.
Letzterer bläst schon seit vielen Jahren das Trompetensolo, und ich glaube kaum
daß eine Aufführung des Messias ohne diesen Herrn in England vorkommt;
ich meine noch 'nie das Solo in solcher Vollendung vorher gehört zu haben.
Der letzte Theil der Arie in Ilmoll wird gewöhnlich ausgelassen. Die folgenden
Nummern von 52--55 werden wieder nicht gesungen, und es folgt jetzt der
gewaltige Chor ,,^ol-er> etre I-rend" mit der Amenfuge, zwei der schönsten
Chöre im ganzen Oratorium, und wie wurden sie gesungen! Man muß Händelsche
Chöre in England hören, um sie in ihrer ganzen Größe würdigen zu können.
Wie es möglich ist, solche Massen in bewegten Chören, wie die beiden letzten
sind, zusammenzuhalten, ist mir unbegreiflich, aber Costa erzwang es durch seine
Energie und Bestimmtheit, da war kein Schwanken, fest wie ein Fels stand
jede Stimme da und ging unbeirrt den ihr angewiesenen Weg. Die letzten
Takte des Auers werden mir unvergeßlich sein, da ist so eine jener Stellen,
die, wie der Noncnaccord in der dritten Leonorenvuvertüre, einen eiskalt über¬
laufen und sich fühlen wie der unmittelbare Hauch eines Gottes, man möchte
zusammenbrechen unter der Wucht so starker und inniger Empfindungen. Nur
die vollste und reinste Freude über das Gelingen seines Werkes und das. Be¬
wußtsein, etwas wirtlich Großes vollbracht zu haben, konnte als Schluß ein
solches Amen singen.

Am zweiten Tage des Festes -- 25. Juni -- führte man eine Auswahl
aus den Oratorien und andern Werken aus.

Abgesehen davon, daß ich ein ganzes Oratorium den abgerissenen, unzu-
sammenhängenden Chören und Soli vorgezogen hätte, war dies Concert viel
zu lang und wurde auch nicht mit solcher Präcision ausgeführt als der Messias.
Manche Chöre würden von den meisten Mitgliedern des Chores zum ersten
Male gesungen und konnten schon deshalb nicht mit so unfehlbarer sicher-
> heit zu Gehör kommen als die des ersten Tags.

Das Concert bestand aus drei Theilen und nicht weniger als 33 verschie¬
denen Nummern, von denen einige noch wiederholt wurden. Hätte die Direk¬
tion sich auf die Hälfte beschränkt, das Publicum wäre nicht so ermüdet gewe¬
sen, als es am Schlüsse des zweiten Theils, der dem ersten ohne Unterbrechung
folgte, nothwendig sein mußte. Der Chor ">ve xi^iss tlreiz o Ooä" aus dem
Dcttinger Te Deum eröffnete das Concert. Die etwas sonderbare Theilung
der Soprane in erste und zweite, nicht nach der Qualität der Stimmen, son¬
dern nur nach den Buchstaben des AIpbabets, mag der Grund gewesen sein,
weshalb in allen Chören, wo zwei Soprane waren, diese Stimmen eigentlich
ganz verloren gingen.

Auf diesen Chor folgte eine Auswahl aus Samson, bestehend in der Arie


Gren,boten III. 1862. 37

Orchester. Die bekannte Arie „IKe wimM ^lurU sonna", mit der Mieren
Trompete, war eine sehr gelungene Leistung der Herrn Bettelei und Harper.
Letzterer bläst schon seit vielen Jahren das Trompetensolo, und ich glaube kaum
daß eine Aufführung des Messias ohne diesen Herrn in England vorkommt;
ich meine noch 'nie das Solo in solcher Vollendung vorher gehört zu haben.
Der letzte Theil der Arie in Ilmoll wird gewöhnlich ausgelassen. Die folgenden
Nummern von 52—55 werden wieder nicht gesungen, und es folgt jetzt der
gewaltige Chor ,,^ol-er> etre I-rend" mit der Amenfuge, zwei der schönsten
Chöre im ganzen Oratorium, und wie wurden sie gesungen! Man muß Händelsche
Chöre in England hören, um sie in ihrer ganzen Größe würdigen zu können.
Wie es möglich ist, solche Massen in bewegten Chören, wie die beiden letzten
sind, zusammenzuhalten, ist mir unbegreiflich, aber Costa erzwang es durch seine
Energie und Bestimmtheit, da war kein Schwanken, fest wie ein Fels stand
jede Stimme da und ging unbeirrt den ihr angewiesenen Weg. Die letzten
Takte des Auers werden mir unvergeßlich sein, da ist so eine jener Stellen,
die, wie der Noncnaccord in der dritten Leonorenvuvertüre, einen eiskalt über¬
laufen und sich fühlen wie der unmittelbare Hauch eines Gottes, man möchte
zusammenbrechen unter der Wucht so starker und inniger Empfindungen. Nur
die vollste und reinste Freude über das Gelingen seines Werkes und das. Be¬
wußtsein, etwas wirtlich Großes vollbracht zu haben, konnte als Schluß ein
solches Amen singen.

Am zweiten Tage des Festes — 25. Juni — führte man eine Auswahl
aus den Oratorien und andern Werken aus.

Abgesehen davon, daß ich ein ganzes Oratorium den abgerissenen, unzu-
sammenhängenden Chören und Soli vorgezogen hätte, war dies Concert viel
zu lang und wurde auch nicht mit solcher Präcision ausgeführt als der Messias.
Manche Chöre würden von den meisten Mitgliedern des Chores zum ersten
Male gesungen und konnten schon deshalb nicht mit so unfehlbarer sicher-
> heit zu Gehör kommen als die des ersten Tags.

Das Concert bestand aus drei Theilen und nicht weniger als 33 verschie¬
denen Nummern, von denen einige noch wiederholt wurden. Hätte die Direk¬
tion sich auf die Hälfte beschränkt, das Publicum wäre nicht so ermüdet gewe¬
sen, als es am Schlüsse des zweiten Theils, der dem ersten ohne Unterbrechung
folgte, nothwendig sein mußte. Der Chor „>ve xi^iss tlreiz o Ooä" aus dem
Dcttinger Te Deum eröffnete das Concert. Die etwas sonderbare Theilung
der Soprane in erste und zweite, nicht nach der Qualität der Stimmen, son¬
dern nur nach den Buchstaben des AIpbabets, mag der Grund gewesen sein,
weshalb in allen Chören, wo zwei Soprane waren, diese Stimmen eigentlich
ganz verloren gingen.

Auf diesen Chor folgte eine Auswahl aus Samson, bestehend in der Arie


Gren,boten III. 1862. 37
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[0297] Orchester. Die bekannte Arie „IKe wimM ^lurU sonna", mit der Mieren Trompete, war eine sehr gelungene Leistung der Herrn Bettelei und Harper. Letzterer bläst schon seit vielen Jahren das Trompetensolo, und ich glaube kaum daß eine Aufführung des Messias ohne diesen Herrn in England vorkommt; ich meine noch 'nie das Solo in solcher Vollendung vorher gehört zu haben. Der letzte Theil der Arie in Ilmoll wird gewöhnlich ausgelassen. Die folgenden Nummern von 52—55 werden wieder nicht gesungen, und es folgt jetzt der gewaltige Chor ,,^ol-er> etre I-rend" mit der Amenfuge, zwei der schönsten Chöre im ganzen Oratorium, und wie wurden sie gesungen! Man muß Händelsche Chöre in England hören, um sie in ihrer ganzen Größe würdigen zu können. Wie es möglich ist, solche Massen in bewegten Chören, wie die beiden letzten sind, zusammenzuhalten, ist mir unbegreiflich, aber Costa erzwang es durch seine Energie und Bestimmtheit, da war kein Schwanken, fest wie ein Fels stand jede Stimme da und ging unbeirrt den ihr angewiesenen Weg. Die letzten Takte des Auers werden mir unvergeßlich sein, da ist so eine jener Stellen, die, wie der Noncnaccord in der dritten Leonorenvuvertüre, einen eiskalt über¬ laufen und sich fühlen wie der unmittelbare Hauch eines Gottes, man möchte zusammenbrechen unter der Wucht so starker und inniger Empfindungen. Nur die vollste und reinste Freude über das Gelingen seines Werkes und das. Be¬ wußtsein, etwas wirtlich Großes vollbracht zu haben, konnte als Schluß ein solches Amen singen. Am zweiten Tage des Festes — 25. Juni — führte man eine Auswahl aus den Oratorien und andern Werken aus. Abgesehen davon, daß ich ein ganzes Oratorium den abgerissenen, unzu- sammenhängenden Chören und Soli vorgezogen hätte, war dies Concert viel zu lang und wurde auch nicht mit solcher Präcision ausgeführt als der Messias. Manche Chöre würden von den meisten Mitgliedern des Chores zum ersten Male gesungen und konnten schon deshalb nicht mit so unfehlbarer sicher- > heit zu Gehör kommen als die des ersten Tags. Das Concert bestand aus drei Theilen und nicht weniger als 33 verschie¬ denen Nummern, von denen einige noch wiederholt wurden. Hätte die Direk¬ tion sich auf die Hälfte beschränkt, das Publicum wäre nicht so ermüdet gewe¬ sen, als es am Schlüsse des zweiten Theils, der dem ersten ohne Unterbrechung folgte, nothwendig sein mußte. Der Chor „>ve xi^iss tlreiz o Ooä" aus dem Dcttinger Te Deum eröffnete das Concert. Die etwas sonderbare Theilung der Soprane in erste und zweite, nicht nach der Qualität der Stimmen, son¬ dern nur nach den Buchstaben des AIpbabets, mag der Grund gewesen sein, weshalb in allen Chören, wo zwei Soprane waren, diese Stimmen eigentlich ganz verloren gingen. Auf diesen Chor folgte eine Auswahl aus Samson, bestehend in der Arie Gren,boten III. 1862. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/297>, abgerufen am 06.02.2025.