Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.damals wurde dem König ein Entwurf vorgelegt, ein welken Camillo Cavour Aus Tirol. Scheibenschießen und kirchliche Feierlichkeiten, das sind ungefähr die Gegen¬ damals wurde dem König ein Entwurf vorgelegt, ein welken Camillo Cavour Aus Tirol. Scheibenschießen und kirchliche Feierlichkeiten, das sind ungefähr die Gegen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0286" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114600"/> <p xml:id="ID_1197" prev="#ID_1196"> damals wurde dem König ein Entwurf vorgelegt, ein welken Camillo Cavour<lb/> hervorragenden Antheil hatte. Neben dem nächsten Zweck, durch Presse und<lb/> Diskussion, durch Beispiel. Prämien und gegenseitige Unterstützung den Landbau<lb/> zu fördern, wurden auch die moralischen Folgen, die glückliche Einwirkung auf<lb/> die gesellschaftlichen Verhältnisse in Aussicht genommen, und durch die Behand¬<lb/> lung gemeinschaftlicher Interessen in öffentlicher Diecussion und die Vereinigung<lb/> der Kräfte zu großen Unternehmungen war von selbst auch ein politisches Mo¬<lb/> ment gegeben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Aus Tirol.</head><lb/> <p xml:id="ID_1198" next="#ID_1199"> Scheibenschießen und kirchliche Feierlichkeiten, das sind ungefähr die Gegen¬<lb/> stände, welche außer den ernsten Angelegenheiten des Tages die Phantasie des Tirolers<lb/> erfülln,. Beides ist jetzt-in vorzüglicher Auswahl zu haben- das Schützenfest zu<lb/> Frankfurt beschäftigt auch hei uns die Gemüther, und es ist erfreulich ju bemerken,<lb/> daß der Besuch desselben von den Organen aller Parteien befürwortet wurde. Da¬<lb/> her ging aus unseren Bergen ein tüchtiges Contingent Schützen ab, von denen man¬<lb/> cher die Neuigkeit nach Hause gebracht haben wird, daß die „Lutherischen" draußen<lb/> auch Leute seien und weder Bocksfüßc noch Hörner tragen, wie es von rechtswegen<lb/> sein sollte, da doch nach ultramontanen Dogma der leidige Gottseibeiuns ihr Herr<lb/> und Vater ist. Was die kirchlichen Feierlichkeiten betrifft, so laden wir Sie vorläufig<lb/> nach Judenstein bei Hall, wo das vierhundcrtiährige Säcularfest eines mittelalterlichen<lb/> Märchens begangen wird. Wir zählen jetzt allerdings 1862, das thut aber nichts,<lb/> dort in der Kirche ist das Skelett eines Kindes, des heiligen Andreas, ausgestellt;<lb/> auf dem Steine dort am Seitcnaltnr, wo greuliche Holzbilder das Messer wetzen,<lb/> haben ihm Juden behufs der Passahfeicr das unschuldige Blut abgezapft und auf<lb/> Flaschen gezogen. Alsoglcich geschahen dutzendweise Mirakel, Opferstöcke wurden auf¬<lb/> gestellt, und bald wurde eine Kirche gebaut. Jetzt strömt das Volk von allen Sei¬<lb/> ten herbei, und von der Kanzel schallt das Lob Antaris des Märtyrers mit allerlei<lb/> Seitenblicken und Nutzanwendungen. Im September wird auf der Ebene bei<lb/> Jnnbach die Heiligsprechung Notburga's gefeiert. Sie war Dienstmagd bei dem Gra¬<lb/> fen von Rotenburg und ist für den Freund deutschen Alterthumes dadurch von<lb/> Wichtigkeit, weil die Legende auf ihr Haupt alle Züge des mythischen Herthadicnstes<lb/> sammelte, so daß sie die heidnische Göttin vol>ständi.g repräsentirt und sich an diese<lb/> wohl nirgends in Deutschland die Erinnerung so rein und unverfäljcht erhalten<lb/> hat, wie hier. Ob der Prediger beim Feste die Bauern auch darüber aufklärt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0286]
damals wurde dem König ein Entwurf vorgelegt, ein welken Camillo Cavour
hervorragenden Antheil hatte. Neben dem nächsten Zweck, durch Presse und
Diskussion, durch Beispiel. Prämien und gegenseitige Unterstützung den Landbau
zu fördern, wurden auch die moralischen Folgen, die glückliche Einwirkung auf
die gesellschaftlichen Verhältnisse in Aussicht genommen, und durch die Behand¬
lung gemeinschaftlicher Interessen in öffentlicher Diecussion und die Vereinigung
der Kräfte zu großen Unternehmungen war von selbst auch ein politisches Mo¬
ment gegeben.
Aus Tirol.
Scheibenschießen und kirchliche Feierlichkeiten, das sind ungefähr die Gegen¬
stände, welche außer den ernsten Angelegenheiten des Tages die Phantasie des Tirolers
erfülln,. Beides ist jetzt-in vorzüglicher Auswahl zu haben- das Schützenfest zu
Frankfurt beschäftigt auch hei uns die Gemüther, und es ist erfreulich ju bemerken,
daß der Besuch desselben von den Organen aller Parteien befürwortet wurde. Da¬
her ging aus unseren Bergen ein tüchtiges Contingent Schützen ab, von denen man¬
cher die Neuigkeit nach Hause gebracht haben wird, daß die „Lutherischen" draußen
auch Leute seien und weder Bocksfüßc noch Hörner tragen, wie es von rechtswegen
sein sollte, da doch nach ultramontanen Dogma der leidige Gottseibeiuns ihr Herr
und Vater ist. Was die kirchlichen Feierlichkeiten betrifft, so laden wir Sie vorläufig
nach Judenstein bei Hall, wo das vierhundcrtiährige Säcularfest eines mittelalterlichen
Märchens begangen wird. Wir zählen jetzt allerdings 1862, das thut aber nichts,
dort in der Kirche ist das Skelett eines Kindes, des heiligen Andreas, ausgestellt;
auf dem Steine dort am Seitcnaltnr, wo greuliche Holzbilder das Messer wetzen,
haben ihm Juden behufs der Passahfeicr das unschuldige Blut abgezapft und auf
Flaschen gezogen. Alsoglcich geschahen dutzendweise Mirakel, Opferstöcke wurden auf¬
gestellt, und bald wurde eine Kirche gebaut. Jetzt strömt das Volk von allen Sei¬
ten herbei, und von der Kanzel schallt das Lob Antaris des Märtyrers mit allerlei
Seitenblicken und Nutzanwendungen. Im September wird auf der Ebene bei
Jnnbach die Heiligsprechung Notburga's gefeiert. Sie war Dienstmagd bei dem Gra¬
fen von Rotenburg und ist für den Freund deutschen Alterthumes dadurch von
Wichtigkeit, weil die Legende auf ihr Haupt alle Züge des mythischen Herthadicnstes
sammelte, so daß sie die heidnische Göttin vol>ständi.g repräsentirt und sich an diese
wohl nirgends in Deutschland die Erinnerung so rein und unverfäljcht erhalten
hat, wie hier. Ob der Prediger beim Feste die Bauern auch darüber aufklärt,
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