Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

thun unter Paul dem Dritten nahm, zu zeigten suchte, daß Religion und katholische
Rechtgläubigkeit wohl vereinbar sei mit politischer Reform und Streben nach
nationaler Unabhängigkeit. "Der politische Aufschwung," sagte er. "welchen da¬
mals das Papstthum nahm, rührte daher, daß jene großen Päpste die innersten
Interessen der Volker zur Grundlage ihrer Politik machten. Die Klarheit, mit
der sie den gesellschaftlichen Zustand ihrer Zeit bcurtliciltcn, und in der allge¬
meinen einmüthigen Tendenz der Italiener die augenscheinliche Kundgebung
eines jener Mittel erkannten, mit welchen die göttliche Vorsehung den Fort¬
schritt der Humanität fördert, beweist, wie hoch ihr Geist stand und wie sehr
sie von jenen Planen durchdrungen waren, welche die Politik ehren, indem sie
die Religion befördern. Sie dehnten nun auf die Massen die Emancipation
aus, welche Alexander der Dritte zu Gunsten der Individuen decrctirte, sie er¬
kannten, daß. wie kein Mensch eines andern Menschen Sklave sein dürfe, so
auch kein Volk einem andern gehören solle, sie ahmten endlich -- nur unter
anderen Verhältnissen -- die edle Haltung jenes Papstes nach, welcher an der
Spitze der Völker Italiens der kaiserlichen Macht trotzend, sich zum Haupte
der wunderbaren Liga machte, welche sieben mächtige deutsche Heere bezwang,
die blutigen Siege von Alessandria und Legnano gewann und nach Wieder¬
herstellung der Integrität des Vaterlands dem zu einer zweiten Ruhmesära
wiedergeborenen Italien die ersten Trophäen seiner Unabhängigkeit an demselben
Orte weihte, wo Friedrich der Erste diejenigen der Knechtschaft aufgerichtet
hatte. Die Reform der Kirchcndisciplin und die Befreiung Italiens vom Fremd¬
joche waren so die edlen' Bestrebungen Pauls des Dritten, die Verdienste, die
er sich während seines Lebensgangs erworben."

Dergleichen war bis jetzt in Piemont nicht gedruckt worden. Es klang wie
ein revolutionäres Programm, und galt in den reaktionären Kreisen als ein
bedenklicheres Vorzeichen als die bisherigen Plänkeleien mit Oestreich. Latour und
Marchese Cavour, der Vater, machten bestürzt dem König Vorstellungen, aber
als der Justizminister von dem Director der Censur Aufklärung verlangte, erfuhr
er, daß der Artikel von Promis aus besondere Ermächtigung des Königs hin ge¬
nehmigt worden war.

Eine weitere Probe, wie weit die Presse gehen dürfe, machte man aus An¬
laß der Gelehrtenversammlung. die im Sept. 1846 in Genua gehalten wurde.
Die Versammlung machte dadurch Epoche, daß zum ersten Mal auch die Rö¬
mer erscheinen dursten. Die Discussion war frei wie nie zuvor, durchaus von
patriotischem Geist getragen, die Intelligenzen aus allen Theilen Italiens spra¬
chen ihre Zustimmung zu den eingeleiteten Reformen aus, deren Durchführung
zum Heil von Fenster und Völkern in nicht entfernter Zukunft die große natio¬
nale Erlösung herbeiführen werde. Die Negierung hatte den Congreß auf
alle Weise unterstützt, und als der Marchese Brignole als Vorsitzender eine sehr


thun unter Paul dem Dritten nahm, zu zeigten suchte, daß Religion und katholische
Rechtgläubigkeit wohl vereinbar sei mit politischer Reform und Streben nach
nationaler Unabhängigkeit. „Der politische Aufschwung," sagte er. „welchen da¬
mals das Papstthum nahm, rührte daher, daß jene großen Päpste die innersten
Interessen der Volker zur Grundlage ihrer Politik machten. Die Klarheit, mit
der sie den gesellschaftlichen Zustand ihrer Zeit bcurtliciltcn, und in der allge¬
meinen einmüthigen Tendenz der Italiener die augenscheinliche Kundgebung
eines jener Mittel erkannten, mit welchen die göttliche Vorsehung den Fort¬
schritt der Humanität fördert, beweist, wie hoch ihr Geist stand und wie sehr
sie von jenen Planen durchdrungen waren, welche die Politik ehren, indem sie
die Religion befördern. Sie dehnten nun auf die Massen die Emancipation
aus, welche Alexander der Dritte zu Gunsten der Individuen decrctirte, sie er¬
kannten, daß. wie kein Mensch eines andern Menschen Sklave sein dürfe, so
auch kein Volk einem andern gehören solle, sie ahmten endlich — nur unter
anderen Verhältnissen — die edle Haltung jenes Papstes nach, welcher an der
Spitze der Völker Italiens der kaiserlichen Macht trotzend, sich zum Haupte
der wunderbaren Liga machte, welche sieben mächtige deutsche Heere bezwang,
die blutigen Siege von Alessandria und Legnano gewann und nach Wieder¬
herstellung der Integrität des Vaterlands dem zu einer zweiten Ruhmesära
wiedergeborenen Italien die ersten Trophäen seiner Unabhängigkeit an demselben
Orte weihte, wo Friedrich der Erste diejenigen der Knechtschaft aufgerichtet
hatte. Die Reform der Kirchcndisciplin und die Befreiung Italiens vom Fremd¬
joche waren so die edlen' Bestrebungen Pauls des Dritten, die Verdienste, die
er sich während seines Lebensgangs erworben."

Dergleichen war bis jetzt in Piemont nicht gedruckt worden. Es klang wie
ein revolutionäres Programm, und galt in den reaktionären Kreisen als ein
bedenklicheres Vorzeichen als die bisherigen Plänkeleien mit Oestreich. Latour und
Marchese Cavour, der Vater, machten bestürzt dem König Vorstellungen, aber
als der Justizminister von dem Director der Censur Aufklärung verlangte, erfuhr
er, daß der Artikel von Promis aus besondere Ermächtigung des Königs hin ge¬
nehmigt worden war.

Eine weitere Probe, wie weit die Presse gehen dürfe, machte man aus An¬
laß der Gelehrtenversammlung. die im Sept. 1846 in Genua gehalten wurde.
Die Versammlung machte dadurch Epoche, daß zum ersten Mal auch die Rö¬
mer erscheinen dursten. Die Discussion war frei wie nie zuvor, durchaus von
patriotischem Geist getragen, die Intelligenzen aus allen Theilen Italiens spra¬
chen ihre Zustimmung zu den eingeleiteten Reformen aus, deren Durchführung
zum Heil von Fenster und Völkern in nicht entfernter Zukunft die große natio¬
nale Erlösung herbeiführen werde. Die Negierung hatte den Congreß auf
alle Weise unterstützt, und als der Marchese Brignole als Vorsitzender eine sehr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114598"/>
            <p xml:id="ID_1189" prev="#ID_1188"> thun unter Paul dem Dritten nahm, zu zeigten suchte, daß Religion und katholische<lb/>
Rechtgläubigkeit wohl vereinbar sei mit politischer Reform und Streben nach<lb/>
nationaler Unabhängigkeit. &#x201E;Der politische Aufschwung," sagte er. &#x201E;welchen da¬<lb/>
mals das Papstthum nahm, rührte daher, daß jene großen Päpste die innersten<lb/>
Interessen der Volker zur Grundlage ihrer Politik machten. Die Klarheit, mit<lb/>
der sie den gesellschaftlichen Zustand ihrer Zeit bcurtliciltcn, und in der allge¬<lb/>
meinen einmüthigen Tendenz der Italiener die augenscheinliche Kundgebung<lb/>
eines jener Mittel erkannten, mit welchen die göttliche Vorsehung den Fort¬<lb/>
schritt der Humanität fördert, beweist, wie hoch ihr Geist stand und wie sehr<lb/>
sie von jenen Planen durchdrungen waren, welche die Politik ehren, indem sie<lb/>
die Religion befördern. Sie dehnten nun auf die Massen die Emancipation<lb/>
aus, welche Alexander der Dritte zu Gunsten der Individuen decrctirte, sie er¬<lb/>
kannten, daß. wie kein Mensch eines andern Menschen Sklave sein dürfe, so<lb/>
auch kein Volk einem andern gehören solle, sie ahmten endlich &#x2014; nur unter<lb/>
anderen Verhältnissen &#x2014; die edle Haltung jenes Papstes nach, welcher an der<lb/>
Spitze der Völker Italiens der kaiserlichen Macht trotzend, sich zum Haupte<lb/>
der wunderbaren Liga machte, welche sieben mächtige deutsche Heere bezwang,<lb/>
die blutigen Siege von Alessandria und Legnano gewann und nach Wieder¬<lb/>
herstellung der Integrität des Vaterlands dem zu einer zweiten Ruhmesära<lb/>
wiedergeborenen Italien die ersten Trophäen seiner Unabhängigkeit an demselben<lb/>
Orte weihte, wo Friedrich der Erste diejenigen der Knechtschaft aufgerichtet<lb/>
hatte. Die Reform der Kirchcndisciplin und die Befreiung Italiens vom Fremd¬<lb/>
joche waren so die edlen' Bestrebungen Pauls des Dritten, die Verdienste, die<lb/>
er sich während seines Lebensgangs erworben."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1190"> Dergleichen war bis jetzt in Piemont nicht gedruckt worden. Es klang wie<lb/>
ein revolutionäres Programm, und galt in den reaktionären Kreisen als ein<lb/>
bedenklicheres Vorzeichen als die bisherigen Plänkeleien mit Oestreich. Latour und<lb/>
Marchese Cavour, der Vater, machten bestürzt dem König Vorstellungen, aber<lb/>
als der Justizminister von dem Director der Censur Aufklärung verlangte, erfuhr<lb/>
er, daß der Artikel von Promis aus besondere Ermächtigung des Königs hin ge¬<lb/>
nehmigt worden war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1191" next="#ID_1192"> Eine weitere Probe, wie weit die Presse gehen dürfe, machte man aus An¬<lb/>
laß der Gelehrtenversammlung. die im Sept. 1846 in Genua gehalten wurde.<lb/>
Die Versammlung machte dadurch Epoche, daß zum ersten Mal auch die Rö¬<lb/>
mer erscheinen dursten. Die Discussion war frei wie nie zuvor, durchaus von<lb/>
patriotischem Geist getragen, die Intelligenzen aus allen Theilen Italiens spra¬<lb/>
chen ihre Zustimmung zu den eingeleiteten Reformen aus, deren Durchführung<lb/>
zum Heil von Fenster und Völkern in nicht entfernter Zukunft die große natio¬<lb/>
nale Erlösung herbeiführen werde. Die Negierung hatte den Congreß auf<lb/>
alle Weise unterstützt, und als der Marchese Brignole als Vorsitzender eine sehr</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0284] thun unter Paul dem Dritten nahm, zu zeigten suchte, daß Religion und katholische Rechtgläubigkeit wohl vereinbar sei mit politischer Reform und Streben nach nationaler Unabhängigkeit. „Der politische Aufschwung," sagte er. „welchen da¬ mals das Papstthum nahm, rührte daher, daß jene großen Päpste die innersten Interessen der Volker zur Grundlage ihrer Politik machten. Die Klarheit, mit der sie den gesellschaftlichen Zustand ihrer Zeit bcurtliciltcn, und in der allge¬ meinen einmüthigen Tendenz der Italiener die augenscheinliche Kundgebung eines jener Mittel erkannten, mit welchen die göttliche Vorsehung den Fort¬ schritt der Humanität fördert, beweist, wie hoch ihr Geist stand und wie sehr sie von jenen Planen durchdrungen waren, welche die Politik ehren, indem sie die Religion befördern. Sie dehnten nun auf die Massen die Emancipation aus, welche Alexander der Dritte zu Gunsten der Individuen decrctirte, sie er¬ kannten, daß. wie kein Mensch eines andern Menschen Sklave sein dürfe, so auch kein Volk einem andern gehören solle, sie ahmten endlich — nur unter anderen Verhältnissen — die edle Haltung jenes Papstes nach, welcher an der Spitze der Völker Italiens der kaiserlichen Macht trotzend, sich zum Haupte der wunderbaren Liga machte, welche sieben mächtige deutsche Heere bezwang, die blutigen Siege von Alessandria und Legnano gewann und nach Wieder¬ herstellung der Integrität des Vaterlands dem zu einer zweiten Ruhmesära wiedergeborenen Italien die ersten Trophäen seiner Unabhängigkeit an demselben Orte weihte, wo Friedrich der Erste diejenigen der Knechtschaft aufgerichtet hatte. Die Reform der Kirchcndisciplin und die Befreiung Italiens vom Fremd¬ joche waren so die edlen' Bestrebungen Pauls des Dritten, die Verdienste, die er sich während seines Lebensgangs erworben." Dergleichen war bis jetzt in Piemont nicht gedruckt worden. Es klang wie ein revolutionäres Programm, und galt in den reaktionären Kreisen als ein bedenklicheres Vorzeichen als die bisherigen Plänkeleien mit Oestreich. Latour und Marchese Cavour, der Vater, machten bestürzt dem König Vorstellungen, aber als der Justizminister von dem Director der Censur Aufklärung verlangte, erfuhr er, daß der Artikel von Promis aus besondere Ermächtigung des Königs hin ge¬ nehmigt worden war. Eine weitere Probe, wie weit die Presse gehen dürfe, machte man aus An¬ laß der Gelehrtenversammlung. die im Sept. 1846 in Genua gehalten wurde. Die Versammlung machte dadurch Epoche, daß zum ersten Mal auch die Rö¬ mer erscheinen dursten. Die Discussion war frei wie nie zuvor, durchaus von patriotischem Geist getragen, die Intelligenzen aus allen Theilen Italiens spra¬ chen ihre Zustimmung zu den eingeleiteten Reformen aus, deren Durchführung zum Heil von Fenster und Völkern in nicht entfernter Zukunft die große natio¬ nale Erlösung herbeiführen werde. Die Negierung hatte den Congreß auf alle Weise unterstützt, und als der Marchese Brignole als Vorsitzender eine sehr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/284
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/284>, abgerufen am 05.02.2025.