Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gewöhnlichen Wege war also nichts zu hoffen, glücklicherweise stand ein gehei¬
mer, privater Weg offen durch die besonderen Vertrauten des Königs, den Bi¬
bliothekar Promis und den Secretär Canna.

In diesen Artikeln nun wurden die Reformen, welche Karl Albert seit sei¬
ner Thronbesteigung durchgeführt hatte, aufgezählt, seine Differenzen mit Oest¬
reich wegen der Eisenbahn-, Salz- und Weinfrage auseinandergesetzt. Blätter,
wie die Allg. Zeitung und der Lloyd bekämpft und die lebhafte Sympathie ge¬
schildert, mit welcher das Ausland die Reformen Karl Alberts verfolge, die dem
Hause Savoyen einst noch eine größere Zukunft zu sichern bestimmt seien. So
hatte ein Artikel der Allg. Zeitung ein trauriges Gemälde von den bürgerlichen,
moralischen und ökonomischen Verhältnissen Piemonts entworfen und alle diese
Uebel der Herrschaft politischen Utopien zugeschrieben, von denen der König
selbst verführt sei. La Margherita verfehlte nicht den Artikel dem König zu
zeigen, auf den er auch großen Eindruck machte. Aber nach wenigen Wochen
ward ihm die Revue de Droit gebracht, worin dieser Artikel eingehend wider¬
legt war. (Der Artikel erschien durch Mittermaiers Vermittlung fast gleich¬
zeitig auch in den Ergänzungsblättern der Allg. Zeitung.) Aehnliche Artikel
brachten nach einander die Dubais, die Gazette du Midi, die Alliance, der Kor¬
respondent. Zur Charakteristik derselben mögen hier die Worte stehen, mit wel¬
chen im Juni 1846 ein Artikel der D6half schloß: "Der König Karl Albert
weiß besser als irgendwer, daß heutzutage die öffentliche Meinung die Welt be¬
herrscht und daß nichts der strengen Unparteilichkeit ihrer Gerichte entgeht;
auch ist er gegenwärtig mit allen Kräften bestrebt ihre Gunst zu erwerben
eine Anerkennung, an der es weder Italien, noch Frankreich, noch das übrige
Europa fehlen lassen wird, wenn er auch in Zukunft den guten und heil¬
samen Reformen sich günstig bezeigt, die hohen Fähigkeiten seines Volks auf
die fruchtbaren Werke der Arbeit und des Friedens lenkt und so die glorreiche
Zukunft begreift, welche dem Hause Savoyen vorbehalten ist." Man redete
dem König ein, dieser Artikel, der von Cicconi gemacht war, habe Guizot zum
Verfasser.

Ein Meisterstreich aber gelang den Verbündeten mit dem Univers. Ein
Mitarbeiter dieses Blatts, der damals nach Turin kam. wurde im Hause Pe-
titti's, der ihn eingeladen hatte, vermocht, die Aufnahme eines Artikels in die¬
sem Sinn zu besorgen, und so erschien denn am 3. Juni in diesem ultramon¬
tanen Journal ein Pariser Artikel, welcher die von Gioberti und Balbo ein¬
geleitete Bewegung als Beginn einer besseren Zukunft Italiens warm begrüßte,
dem König die lombardische Krone in nahe Aussicht stellte und nach einer Aus¬
einandersetzung der Streitigkeiten mit Oestreich mit den Worten schloß: "Nicht
allein also ist der Zweck dieser strengen Zollmaßregeln verfehlt worden, sondern
sie lenken überdies mehr und mehr die Aufmerksamkeit und die Hoffnungen


gewöhnlichen Wege war also nichts zu hoffen, glücklicherweise stand ein gehei¬
mer, privater Weg offen durch die besonderen Vertrauten des Königs, den Bi¬
bliothekar Promis und den Secretär Canna.

In diesen Artikeln nun wurden die Reformen, welche Karl Albert seit sei¬
ner Thronbesteigung durchgeführt hatte, aufgezählt, seine Differenzen mit Oest¬
reich wegen der Eisenbahn-, Salz- und Weinfrage auseinandergesetzt. Blätter,
wie die Allg. Zeitung und der Lloyd bekämpft und die lebhafte Sympathie ge¬
schildert, mit welcher das Ausland die Reformen Karl Alberts verfolge, die dem
Hause Savoyen einst noch eine größere Zukunft zu sichern bestimmt seien. So
hatte ein Artikel der Allg. Zeitung ein trauriges Gemälde von den bürgerlichen,
moralischen und ökonomischen Verhältnissen Piemonts entworfen und alle diese
Uebel der Herrschaft politischen Utopien zugeschrieben, von denen der König
selbst verführt sei. La Margherita verfehlte nicht den Artikel dem König zu
zeigen, auf den er auch großen Eindruck machte. Aber nach wenigen Wochen
ward ihm die Revue de Droit gebracht, worin dieser Artikel eingehend wider¬
legt war. (Der Artikel erschien durch Mittermaiers Vermittlung fast gleich¬
zeitig auch in den Ergänzungsblättern der Allg. Zeitung.) Aehnliche Artikel
brachten nach einander die Dubais, die Gazette du Midi, die Alliance, der Kor¬
respondent. Zur Charakteristik derselben mögen hier die Worte stehen, mit wel¬
chen im Juni 1846 ein Artikel der D6half schloß: „Der König Karl Albert
weiß besser als irgendwer, daß heutzutage die öffentliche Meinung die Welt be¬
herrscht und daß nichts der strengen Unparteilichkeit ihrer Gerichte entgeht;
auch ist er gegenwärtig mit allen Kräften bestrebt ihre Gunst zu erwerben
eine Anerkennung, an der es weder Italien, noch Frankreich, noch das übrige
Europa fehlen lassen wird, wenn er auch in Zukunft den guten und heil¬
samen Reformen sich günstig bezeigt, die hohen Fähigkeiten seines Volks auf
die fruchtbaren Werke der Arbeit und des Friedens lenkt und so die glorreiche
Zukunft begreift, welche dem Hause Savoyen vorbehalten ist." Man redete
dem König ein, dieser Artikel, der von Cicconi gemacht war, habe Guizot zum
Verfasser.

Ein Meisterstreich aber gelang den Verbündeten mit dem Univers. Ein
Mitarbeiter dieses Blatts, der damals nach Turin kam. wurde im Hause Pe-
titti's, der ihn eingeladen hatte, vermocht, die Aufnahme eines Artikels in die¬
sem Sinn zu besorgen, und so erschien denn am 3. Juni in diesem ultramon¬
tanen Journal ein Pariser Artikel, welcher die von Gioberti und Balbo ein¬
geleitete Bewegung als Beginn einer besseren Zukunft Italiens warm begrüßte,
dem König die lombardische Krone in nahe Aussicht stellte und nach einer Aus¬
einandersetzung der Streitigkeiten mit Oestreich mit den Worten schloß: „Nicht
allein also ist der Zweck dieser strengen Zollmaßregeln verfehlt worden, sondern
sie lenken überdies mehr und mehr die Aufmerksamkeit und die Hoffnungen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114596"/>
            <p xml:id="ID_1182" prev="#ID_1181"> gewöhnlichen Wege war also nichts zu hoffen, glücklicherweise stand ein gehei¬<lb/>
mer, privater Weg offen durch die besonderen Vertrauten des Königs, den Bi¬<lb/>
bliothekar Promis und den Secretär Canna.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1183"> In diesen Artikeln nun wurden die Reformen, welche Karl Albert seit sei¬<lb/>
ner Thronbesteigung durchgeführt hatte, aufgezählt, seine Differenzen mit Oest¬<lb/>
reich wegen der Eisenbahn-, Salz- und Weinfrage auseinandergesetzt. Blätter,<lb/>
wie die Allg. Zeitung und der Lloyd bekämpft und die lebhafte Sympathie ge¬<lb/>
schildert, mit welcher das Ausland die Reformen Karl Alberts verfolge, die dem<lb/>
Hause Savoyen einst noch eine größere Zukunft zu sichern bestimmt seien. So<lb/>
hatte ein Artikel der Allg. Zeitung ein trauriges Gemälde von den bürgerlichen,<lb/>
moralischen und ökonomischen Verhältnissen Piemonts entworfen und alle diese<lb/>
Uebel der Herrschaft politischen Utopien zugeschrieben, von denen der König<lb/>
selbst verführt sei. La Margherita verfehlte nicht den Artikel dem König zu<lb/>
zeigen, auf den er auch großen Eindruck machte. Aber nach wenigen Wochen<lb/>
ward ihm die Revue de Droit gebracht, worin dieser Artikel eingehend wider¬<lb/>
legt war. (Der Artikel erschien durch Mittermaiers Vermittlung fast gleich¬<lb/>
zeitig auch in den Ergänzungsblättern der Allg. Zeitung.) Aehnliche Artikel<lb/>
brachten nach einander die Dubais, die Gazette du Midi, die Alliance, der Kor¬<lb/>
respondent. Zur Charakteristik derselben mögen hier die Worte stehen, mit wel¬<lb/>
chen im Juni 1846 ein Artikel der D6half schloß: &#x201E;Der König Karl Albert<lb/>
weiß besser als irgendwer, daß heutzutage die öffentliche Meinung die Welt be¬<lb/>
herrscht und daß nichts der strengen Unparteilichkeit ihrer Gerichte entgeht;<lb/>
auch ist er gegenwärtig mit allen Kräften bestrebt ihre Gunst zu erwerben<lb/>
eine Anerkennung, an der es weder Italien, noch Frankreich, noch das übrige<lb/>
Europa fehlen lassen wird, wenn er auch in Zukunft den guten und heil¬<lb/>
samen Reformen sich günstig bezeigt, die hohen Fähigkeiten seines Volks auf<lb/>
die fruchtbaren Werke der Arbeit und des Friedens lenkt und so die glorreiche<lb/>
Zukunft begreift, welche dem Hause Savoyen vorbehalten ist." Man redete<lb/>
dem König ein, dieser Artikel, der von Cicconi gemacht war, habe Guizot zum<lb/>
Verfasser.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1184" next="#ID_1185"> Ein Meisterstreich aber gelang den Verbündeten mit dem Univers. Ein<lb/>
Mitarbeiter dieses Blatts, der damals nach Turin kam. wurde im Hause Pe-<lb/>
titti's, der ihn eingeladen hatte, vermocht, die Aufnahme eines Artikels in die¬<lb/>
sem Sinn zu besorgen, und so erschien denn am 3. Juni in diesem ultramon¬<lb/>
tanen Journal ein Pariser Artikel, welcher die von Gioberti und Balbo ein¬<lb/>
geleitete Bewegung als Beginn einer besseren Zukunft Italiens warm begrüßte,<lb/>
dem König die lombardische Krone in nahe Aussicht stellte und nach einer Aus¬<lb/>
einandersetzung der Streitigkeiten mit Oestreich mit den Worten schloß: &#x201E;Nicht<lb/>
allein also ist der Zweck dieser strengen Zollmaßregeln verfehlt worden, sondern<lb/>
sie lenken überdies mehr und mehr die Aufmerksamkeit und die Hoffnungen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0282] gewöhnlichen Wege war also nichts zu hoffen, glücklicherweise stand ein gehei¬ mer, privater Weg offen durch die besonderen Vertrauten des Königs, den Bi¬ bliothekar Promis und den Secretär Canna. In diesen Artikeln nun wurden die Reformen, welche Karl Albert seit sei¬ ner Thronbesteigung durchgeführt hatte, aufgezählt, seine Differenzen mit Oest¬ reich wegen der Eisenbahn-, Salz- und Weinfrage auseinandergesetzt. Blätter, wie die Allg. Zeitung und der Lloyd bekämpft und die lebhafte Sympathie ge¬ schildert, mit welcher das Ausland die Reformen Karl Alberts verfolge, die dem Hause Savoyen einst noch eine größere Zukunft zu sichern bestimmt seien. So hatte ein Artikel der Allg. Zeitung ein trauriges Gemälde von den bürgerlichen, moralischen und ökonomischen Verhältnissen Piemonts entworfen und alle diese Uebel der Herrschaft politischen Utopien zugeschrieben, von denen der König selbst verführt sei. La Margherita verfehlte nicht den Artikel dem König zu zeigen, auf den er auch großen Eindruck machte. Aber nach wenigen Wochen ward ihm die Revue de Droit gebracht, worin dieser Artikel eingehend wider¬ legt war. (Der Artikel erschien durch Mittermaiers Vermittlung fast gleich¬ zeitig auch in den Ergänzungsblättern der Allg. Zeitung.) Aehnliche Artikel brachten nach einander die Dubais, die Gazette du Midi, die Alliance, der Kor¬ respondent. Zur Charakteristik derselben mögen hier die Worte stehen, mit wel¬ chen im Juni 1846 ein Artikel der D6half schloß: „Der König Karl Albert weiß besser als irgendwer, daß heutzutage die öffentliche Meinung die Welt be¬ herrscht und daß nichts der strengen Unparteilichkeit ihrer Gerichte entgeht; auch ist er gegenwärtig mit allen Kräften bestrebt ihre Gunst zu erwerben eine Anerkennung, an der es weder Italien, noch Frankreich, noch das übrige Europa fehlen lassen wird, wenn er auch in Zukunft den guten und heil¬ samen Reformen sich günstig bezeigt, die hohen Fähigkeiten seines Volks auf die fruchtbaren Werke der Arbeit und des Friedens lenkt und so die glorreiche Zukunft begreift, welche dem Hause Savoyen vorbehalten ist." Man redete dem König ein, dieser Artikel, der von Cicconi gemacht war, habe Guizot zum Verfasser. Ein Meisterstreich aber gelang den Verbündeten mit dem Univers. Ein Mitarbeiter dieses Blatts, der damals nach Turin kam. wurde im Hause Pe- titti's, der ihn eingeladen hatte, vermocht, die Aufnahme eines Artikels in die¬ sem Sinn zu besorgen, und so erschien denn am 3. Juni in diesem ultramon¬ tanen Journal ein Pariser Artikel, welcher die von Gioberti und Balbo ein¬ geleitete Bewegung als Beginn einer besseren Zukunft Italiens warm begrüßte, dem König die lombardische Krone in nahe Aussicht stellte und nach einer Aus¬ einandersetzung der Streitigkeiten mit Oestreich mit den Worten schloß: „Nicht allein also ist der Zweck dieser strengen Zollmaßregeln verfehlt worden, sondern sie lenken überdies mehr und mehr die Aufmerksamkeit und die Hoffnungen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/282
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/282>, abgerufen am 05.02.2025.