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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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schäftsmcinner, welche um bei großer Landesgefahr und nur auf kürzere Zeit
von Haus und Hof entfernt werden dürfen. Was man gegen die höheren .
Altersclassen der Landwehr mit Recht geltend gemacht hat, das wird auch von
ihnen gelten. Es wird demnach aus den besten politischen Gründen ihre Ver¬
wendung für nationale Kriegszwecke nur in sehr beschränkter Weise oder bei
einer Erhebung der Nation zum Kampf auf Leben und Tod stattfinden dür¬
fen. Wer also .nich die Zukunft des deutschen Schützenbundes sehr freund¬
lich und hoffnungsvoll ansieht, der wird sich doch zu hüten haben vor einer
Ueberschätzung seiner directen militärischen Wichtigkeit. Die Schützen der Ebene
werden immer eine unverhältnismäßig geringere Bedeutung haben, als die der
Berge, sie werden weder in zehn Jahren noch so lange überhaupt das gegen¬
wärtige Staatensystem dauert, ein stehendes Heer in Deutschland unnütz machen.
Und es wäre eine heillose und verschrobene Auffassung einer sehr gesunden
und lobenswerthen Sache, wenn man den deutschen Schützenbund zu einem
demagogische" Institut umbilden wollte. Das hieße ihn verderben, bevor er
zu Kräften gekommen ist.

Wir alle wünschen, daß das sogenannte stehende Heer zu gleicher Zeit ein
Vvltsheer sei. Aber kein Preuße von Urtheil meint ein Volksheer dadurch her¬
zustellen, daß er die gegenwärtige Wehrkraft Preußens desorganisirt und an ihre
Stelle unsre wackeren Gesellen in Leinwandjacke und Iupe zusammentrommelt.
Und man that dem Trinkspruch eines verständigen und hochverdienten Mannes
aus dem Abgeordnetenhause zu Berlin bitter Unrecht, wenn man seine Worte
in so extremen ' :um deutete. Die Preußen sind gegenwärtig durch ihre Mili¬
tärfrage heftig aufgeregt, einige Mängel des preußischen Heerwesens sind Plötz¬
lich sehr auffallend geworden, und es ist natürlich, daß in solcher Zeit die Uebel¬
stände stärker beleuchtet werden als die Vorzüge, aber die Preußen wissen trotz
alledem sehr gut, wie werthvoll ihr Heer, wie vortrefflich die Grundlagen des¬
selben sind, sie wissen recht gut, daß das preußische Heer von allen Armeen
großer Staaten am meisten dem Begriff eines Volkshecrs entspricht. Sie wissen
endlich, daß sie ein unfertiger Staat sind, welcher wachsen muß, um nicht klei¬
ner zu werden, und daß sie deshalb zwischen Rußland und Frankreich und den
Magyaven und Slaven des befreundeten Habsburgs ein zahlreiches und schlag¬
fertiges Kriegsheer nicht entbehren können, und daß sie zu alledem noch die Auf¬
gabe haben, für ihre deutschen Landsleute unter den Waffen zu stehn.

Allerdings, wenn Preußen in der Lage wäre, in der europäischen Staaten¬
familie eine ähnliche bescheidene und behütete Stellung einzunehmen, wie die
Schweiz, und wenn in Deutschland die Vorbedingungen der Organisation die¬
selben wären wie in der Schweiz, dann wäre auch bei uns eine Heereseinrich¬
tung möglich, wie sie nicht von Schweizern, sondern von Deutschen in der
Schweiz uns leidenschaftlich empfohlen worden ist. Der Schweizer selbst


schäftsmcinner, welche um bei großer Landesgefahr und nur auf kürzere Zeit
von Haus und Hof entfernt werden dürfen. Was man gegen die höheren .
Altersclassen der Landwehr mit Recht geltend gemacht hat, das wird auch von
ihnen gelten. Es wird demnach aus den besten politischen Gründen ihre Ver¬
wendung für nationale Kriegszwecke nur in sehr beschränkter Weise oder bei
einer Erhebung der Nation zum Kampf auf Leben und Tod stattfinden dür¬
fen. Wer also .nich die Zukunft des deutschen Schützenbundes sehr freund¬
lich und hoffnungsvoll ansieht, der wird sich doch zu hüten haben vor einer
Ueberschätzung seiner directen militärischen Wichtigkeit. Die Schützen der Ebene
werden immer eine unverhältnismäßig geringere Bedeutung haben, als die der
Berge, sie werden weder in zehn Jahren noch so lange überhaupt das gegen¬
wärtige Staatensystem dauert, ein stehendes Heer in Deutschland unnütz machen.
Und es wäre eine heillose und verschrobene Auffassung einer sehr gesunden
und lobenswerthen Sache, wenn man den deutschen Schützenbund zu einem
demagogische» Institut umbilden wollte. Das hieße ihn verderben, bevor er
zu Kräften gekommen ist.

Wir alle wünschen, daß das sogenannte stehende Heer zu gleicher Zeit ein
Vvltsheer sei. Aber kein Preuße von Urtheil meint ein Volksheer dadurch her¬
zustellen, daß er die gegenwärtige Wehrkraft Preußens desorganisirt und an ihre
Stelle unsre wackeren Gesellen in Leinwandjacke und Iupe zusammentrommelt.
Und man that dem Trinkspruch eines verständigen und hochverdienten Mannes
aus dem Abgeordnetenhause zu Berlin bitter Unrecht, wenn man seine Worte
in so extremen ' :um deutete. Die Preußen sind gegenwärtig durch ihre Mili¬
tärfrage heftig aufgeregt, einige Mängel des preußischen Heerwesens sind Plötz¬
lich sehr auffallend geworden, und es ist natürlich, daß in solcher Zeit die Uebel¬
stände stärker beleuchtet werden als die Vorzüge, aber die Preußen wissen trotz
alledem sehr gut, wie werthvoll ihr Heer, wie vortrefflich die Grundlagen des¬
selben sind, sie wissen recht gut, daß das preußische Heer von allen Armeen
großer Staaten am meisten dem Begriff eines Volkshecrs entspricht. Sie wissen
endlich, daß sie ein unfertiger Staat sind, welcher wachsen muß, um nicht klei¬
ner zu werden, und daß sie deshalb zwischen Rußland und Frankreich und den
Magyaven und Slaven des befreundeten Habsburgs ein zahlreiches und schlag¬
fertiges Kriegsheer nicht entbehren können, und daß sie zu alledem noch die Auf¬
gabe haben, für ihre deutschen Landsleute unter den Waffen zu stehn.

Allerdings, wenn Preußen in der Lage wäre, in der europäischen Staaten¬
familie eine ähnliche bescheidene und behütete Stellung einzunehmen, wie die
Schweiz, und wenn in Deutschland die Vorbedingungen der Organisation die¬
selben wären wie in der Schweiz, dann wäre auch bei uns eine Heereseinrich¬
tung möglich, wie sie nicht von Schweizern, sondern von Deutschen in der
Schweiz uns leidenschaftlich empfohlen worden ist. Der Schweizer selbst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/254>, abgerufen am 01.10.2024.