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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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schiebe alle Parteien Italiens vereinigt zu halten. Es ist nicht mehr das aus¬
schließliche Eigenthum einer Sekte oder überspannter Doctrinäre. Auch sind
wir überzeugt, daß die beredte Mahnung, welche Balbo vor Kurzem an alle
Italiener richtete, mehr als eine Brust, die mit den Jnsignien der höchsten
Staatswürden bedeckt ist, klopfen machte, und daß sie mehr als einen
Widerhall bei denen fand, welche, treu den Ueberlieferungen ihrer Ahnen, den
Grundsatz der Legitimität zum Ausgangspunkt ihrer politischen Ueberzeu¬
gungen machen.

Alle Classen der Gesellschaft müssen an ihrem Theile an diesem wichtigen
Werke mitarbeiten. Jeder, der eine Stellung, einigen Einfluß in Italien besitzt.
de>t für diesen Zweck eine besondere Aufgabe zu erfüllen, von den hervorragen¬
den Schriftstellern, welche wie Balbo und Graf Petitti, ihre Mitbürger zu
unterrichten und aufzuklären bemüht sind, bis zu dem gemeinsten Mann, der
in dem engen Kreis, in dem er sich bewegt, die Einsicht und den sittlichen
Charakter seiner Umgebung zu heben vermag.

Alle diese vereinzelten Bemühungen werden freilich fruchtlos bleiben ohne
die Mitwirkung der nationalen Regierungen. Aber diese Mitwirkung wird
nicht ausbleiben. Das Mißtrauen, welches, durch die Ereignisse des Jahres
1830 geweckt, lange Zeit von einer kleinen, aber durch Intriguen mächtigen
Partei unterhalten worden, ist fast gänzlich verschwunden. Unsere Fürsten,
wieder beruhigt, folgen ihren natürlichen Instincten, und jeden Tag sehen wir
von ihnen neue Proben ihrer väterlichen, dem Fortschritt zugewandten Neigungen.

Es wird genügen, in dieser Beziehung an die Borgänge in Piemont zu
erinnern. Die dem Elementarunterricht gegebene Entwickelung, die Errichtung
mehrer Lehrstühle für moralische und politische Disciplinen, die Erinuthigun-
gen, welche dem Geist der Association auf dem Gebiet der Kunst wie des Ge-
werbfleißes zu Theil geworden, und mehre andere Maßregeln, ohne von den
Eisenbahnen zu reden, bezeugen hinlänglich, daß der erlauchte Monarch, welcher
mit solchem Glänze dieses Königreich beherrscht, entschlossen ist. jene glorreiche
Politik aufrecht zu halten, welche in der Bergangcnheit seine Familie zur
ersten italienischen Dynastie gemacht hat, und welche sie in Zukunft vielleicht
zu noch weit höheren Geschicken zu erheben bestimmt ist . . ."

Kaum gelangte die Rvvue uouvLile mit diesem Aufsatze Cavours nach
Turin, so wurde sie heimlich dem König mitgetheilt. Karl Albert erschrack
über diese Sprache eines seiner Unterthanen, die ihn selber zu compromittiren
schien, und bereits hatte er seinem vertrauten Secretär Ccinna aufgetragen,
dem Verfasser indirect den Rath zu geben, sich auf einige Zeit außer Landes zu
begeben, als eine neue ProVocativn Oestreichs schnell wieder den Sinn des
Monarchen änderte, so daß von jener Weisung nicht mehr die Rede war.

Zwischen Oestreich und Piemont bestand ein alter Bertrag vom Jahre


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schiebe alle Parteien Italiens vereinigt zu halten. Es ist nicht mehr das aus¬
schließliche Eigenthum einer Sekte oder überspannter Doctrinäre. Auch sind
wir überzeugt, daß die beredte Mahnung, welche Balbo vor Kurzem an alle
Italiener richtete, mehr als eine Brust, die mit den Jnsignien der höchsten
Staatswürden bedeckt ist, klopfen machte, und daß sie mehr als einen
Widerhall bei denen fand, welche, treu den Ueberlieferungen ihrer Ahnen, den
Grundsatz der Legitimität zum Ausgangspunkt ihrer politischen Ueberzeu¬
gungen machen.

Alle Classen der Gesellschaft müssen an ihrem Theile an diesem wichtigen
Werke mitarbeiten. Jeder, der eine Stellung, einigen Einfluß in Italien besitzt.
de>t für diesen Zweck eine besondere Aufgabe zu erfüllen, von den hervorragen¬
den Schriftstellern, welche wie Balbo und Graf Petitti, ihre Mitbürger zu
unterrichten und aufzuklären bemüht sind, bis zu dem gemeinsten Mann, der
in dem engen Kreis, in dem er sich bewegt, die Einsicht und den sittlichen
Charakter seiner Umgebung zu heben vermag.

Alle diese vereinzelten Bemühungen werden freilich fruchtlos bleiben ohne
die Mitwirkung der nationalen Regierungen. Aber diese Mitwirkung wird
nicht ausbleiben. Das Mißtrauen, welches, durch die Ereignisse des Jahres
1830 geweckt, lange Zeit von einer kleinen, aber durch Intriguen mächtigen
Partei unterhalten worden, ist fast gänzlich verschwunden. Unsere Fürsten,
wieder beruhigt, folgen ihren natürlichen Instincten, und jeden Tag sehen wir
von ihnen neue Proben ihrer väterlichen, dem Fortschritt zugewandten Neigungen.

Es wird genügen, in dieser Beziehung an die Borgänge in Piemont zu
erinnern. Die dem Elementarunterricht gegebene Entwickelung, die Errichtung
mehrer Lehrstühle für moralische und politische Disciplinen, die Erinuthigun-
gen, welche dem Geist der Association auf dem Gebiet der Kunst wie des Ge-
werbfleißes zu Theil geworden, und mehre andere Maßregeln, ohne von den
Eisenbahnen zu reden, bezeugen hinlänglich, daß der erlauchte Monarch, welcher
mit solchem Glänze dieses Königreich beherrscht, entschlossen ist. jene glorreiche
Politik aufrecht zu halten, welche in der Bergangcnheit seine Familie zur
ersten italienischen Dynastie gemacht hat, und welche sie in Zukunft vielleicht
zu noch weit höheren Geschicken zu erheben bestimmt ist . . ."

Kaum gelangte die Rvvue uouvLile mit diesem Aufsatze Cavours nach
Turin, so wurde sie heimlich dem König mitgetheilt. Karl Albert erschrack
über diese Sprache eines seiner Unterthanen, die ihn selber zu compromittiren
schien, und bereits hatte er seinem vertrauten Secretär Ccinna aufgetragen,
dem Verfasser indirect den Rath zu geben, sich auf einige Zeit außer Landes zu
begeben, als eine neue ProVocativn Oestreichs schnell wieder den Sinn des
Monarchen änderte, so daß von jener Weisung nicht mehr die Rede war.

Zwischen Oestreich und Piemont bestand ein alter Bertrag vom Jahre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/243>, abgerufen am 06.02.2025.