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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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35.

Berlin, d. 10. May. 08.


Lieber Vater,

Schon vorigen Winter, sogleich nach dem Eintreffen Ihres Briefes an
meine Frau, hatte ich Ihnen geantwortet. In Hofnung, daß bis dahin in
unsrer gemeinschaftlichen Lage einige vortheilhafte Veränderungen vorgehen
würden, hat meine Frau bis jezt diesen Brief nicht abgehen laßen.

Das einzige vortheilhafte, was seitdem vorgefallen, ist die ziemliche Wieder¬
herstellung meines Herrmann. Es war derselbe damals durch einen Fall auf
das Knie an dem Einen Beine ganz gelähmt, und hat. bei übrigens vortref-
licher Gesundheit, 10. Wochen im Bette liegen müßen. Jezt geht er wieder;
nur noch nicht auf Steinpflaster; es wird, was die Hauptsache ist, keine Folge
übrig bleiben. Ich befinde mich dermalen mit ihm, und meiner Frau, die
nach einem sehr harten Krankenlager im Jahre 6. den ganzen vorigen Winter
gekränkelt, und vor einer Woche wieder recht ernsthaft krank gewesen, auf ein
Paar Wochen auf einem Gesundbrunnen bei Berlin, um sie alle wiederherzu¬
stellen, und mit frischen Kräften in den beginnenden Sommer einzutreten.

Ich für meine Person bin immer gesund, und kräftig gewesen. Man or-
ganisirt an einer allhier zu Berlin zu errichtenden Universität; mir sind die
bedeutendsten Aufträge in dieser Rüksicht ertheilt worden.

Ich hatte erst den Vorsatz diesen Sommer in Dresden mit Frau und Kind
zuzubringen; hatte auch schon an Fritsche über die zu treffenden Vorkehrungen
geschrieben; auch von meiner Behörde den Urlaub dazu eingeholt. Ich sehe
aber, daß es für wichtige Zweke beßer ist. wenn ich hier bleibe, und Kollegia
lese, und ick bin entschloßen, dem allgemeinen Besten Dieses freiwillige Opfer
zu bringen.

Auch hatte ich, nachdem jener Plan schon aufgegeben war, den Vorsatz in
dieser ersten Hälfte des May für meine Person allein (eine Reise mit Frau
und Kind ist unter den jetzigen Umständen, da die ehemals begütertsten leiden,
für mich zu kostspielig) Sie zu besuchen. Die Krankheit meiner Frau, die
unter solchen Umständen nicht ohne eine nachtheilige Gemüthsbewegung mich
von sich laßen würde, hat auch diesen Plan vereitelt; wie die gegenwärtige
Kurzen vorbei seyn wird, werde ich durch meine Vorlesungen an Berlin ge-
seßelt seyn. Ich hoffe jedoch im Herbste Ferien zu finden und vielleicht er¬
laubt es sodann der öffentliche Wohlstand Frau und Kind mit zu bringen.

Ich gebe soeben Ordre an meinen Verleger, daß Ihnen meine neueste
Schrift von Leipzig aus übersehn't werde. Ich habe diesmal nicht über so
viele Exemplare zu befehlen, daß ich auch an den Herrn Pastor Wagner, den
ich herzlichst zu grüßen bitte, eins beilegen könnte. Sie leihen es ihm vielleicht
zum Durchlesen.


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35.

Berlin, d. 10. May. 08.


Lieber Vater,

Schon vorigen Winter, sogleich nach dem Eintreffen Ihres Briefes an
meine Frau, hatte ich Ihnen geantwortet. In Hofnung, daß bis dahin in
unsrer gemeinschaftlichen Lage einige vortheilhafte Veränderungen vorgehen
würden, hat meine Frau bis jezt diesen Brief nicht abgehen laßen.

Das einzige vortheilhafte, was seitdem vorgefallen, ist die ziemliche Wieder¬
herstellung meines Herrmann. Es war derselbe damals durch einen Fall auf
das Knie an dem Einen Beine ganz gelähmt, und hat. bei übrigens vortref-
licher Gesundheit, 10. Wochen im Bette liegen müßen. Jezt geht er wieder;
nur noch nicht auf Steinpflaster; es wird, was die Hauptsache ist, keine Folge
übrig bleiben. Ich befinde mich dermalen mit ihm, und meiner Frau, die
nach einem sehr harten Krankenlager im Jahre 6. den ganzen vorigen Winter
gekränkelt, und vor einer Woche wieder recht ernsthaft krank gewesen, auf ein
Paar Wochen auf einem Gesundbrunnen bei Berlin, um sie alle wiederherzu¬
stellen, und mit frischen Kräften in den beginnenden Sommer einzutreten.

Ich für meine Person bin immer gesund, und kräftig gewesen. Man or-
ganisirt an einer allhier zu Berlin zu errichtenden Universität; mir sind die
bedeutendsten Aufträge in dieser Rüksicht ertheilt worden.

Ich hatte erst den Vorsatz diesen Sommer in Dresden mit Frau und Kind
zuzubringen; hatte auch schon an Fritsche über die zu treffenden Vorkehrungen
geschrieben; auch von meiner Behörde den Urlaub dazu eingeholt. Ich sehe
aber, daß es für wichtige Zweke beßer ist. wenn ich hier bleibe, und Kollegia
lese, und ick bin entschloßen, dem allgemeinen Besten Dieses freiwillige Opfer
zu bringen.

Auch hatte ich, nachdem jener Plan schon aufgegeben war, den Vorsatz in
dieser ersten Hälfte des May für meine Person allein (eine Reise mit Frau
und Kind ist unter den jetzigen Umständen, da die ehemals begütertsten leiden,
für mich zu kostspielig) Sie zu besuchen. Die Krankheit meiner Frau, die
unter solchen Umständen nicht ohne eine nachtheilige Gemüthsbewegung mich
von sich laßen würde, hat auch diesen Plan vereitelt; wie die gegenwärtige
Kurzen vorbei seyn wird, werde ich durch meine Vorlesungen an Berlin ge-
seßelt seyn. Ich hoffe jedoch im Herbste Ferien zu finden und vielleicht er¬
laubt es sodann der öffentliche Wohlstand Frau und Kind mit zu bringen.

Ich gebe soeben Ordre an meinen Verleger, daß Ihnen meine neueste
Schrift von Leipzig aus übersehn't werde. Ich habe diesmal nicht über so
viele Exemplare zu befehlen, daß ich auch an den Herrn Pastor Wagner, den
ich herzlichst zu grüßen bitte, eins beilegen könnte. Sie leihen es ihm vielleicht
zum Durchlesen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/187>, abgerufen am 22.07.2024.