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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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t8. Das erste Walachen- Regiment mit dem Stäbe zu Orlath.
19. " zweite " " " .. " Naszod.

Jedes dieser vier Regimenter zu nur zwei Bataillonen, ohne Seressaner
und Artillerie, endlich

20. Das Szekler Husarenregiment mit dem Stabsorte Szepfi Se. Györgv,
in der Stärke von acht Schwadronen.

Die gesammte Militärgrenze umfaßte ein Gebiet von 863 in Meilen
mit ungefähr 1,200,000 Einwohnern. Die Stärke der Truppen betrug nach
dem vollen Kriegsetat 71,000 Mann, so daß nahezu der sechzehnte Einwohner Sol¬
dat war. Der Friedensstand war bedeutend schwächer, konnte aber eigentlich
nicht genau angegeben werden, da nur die zeitweilig in andern Provinzen
stationirten Bataillone einen festgesetzten Stand hatten, bei den in der Heimat
befindlichen Truppen wol auch die volle Zahl in den Listen eingetragen war,
jedoch sehr viele Dienstbefreiungen vorkamen und eigentlich alle nicht gerade
auf Kordonsdienst Stehenden als auf Urlaub befindlich betrachtet werden
konnten.

Mit dem Ausbruche der ungarischen Wirren begann eine für die Militär¬
grenze höchst folgenschwere Periode.

Der größte Theil der Feldbataillone der kroatischen, slavonischen und ba-
natcr Grenzregimenter war nach Italien geschickt worden, von den siebenbür-
gischen Grenztruppen aber nicht ein einziger Mann. Daher ist die Behauptung,
daß sich bei Radctzt'r/s Heere 30,000 Grenzer befunden hätten, eine Uebertreibung.

Bekanntlich wurden in dem Kampfe zwischen den Ungarn und Südslaven
anfänglich die letzteren, später die ersteren von der östreichischen Regierung als
Rebellen erklärt. Die banater und slavonischen Grenzer aber waren gleich beim
Anfange in Masse aufgestanden und hatten mit den banater Raiczen, den
Serben aus der Bacska und ihren aus der Türkei herübergekommenen Brüdern
gemeinsame Sache gemacht, daher verliert die so hoch gepriesene Aufopferung
der Grenzer und ihre treue Anhänglichkeit an das Kaiserhaus bei näherer Be¬
trachtung viel von ihrem Nimbus. Sie hatten zu den Waffen gegriffen, um
ihre Nationalität zu wahren und um die in ihr Land eingedrungenen Feinde
zu vertreiben. Zudem muß man die übertriebenen Hoffnungen kennen, mit
denen sich die Bevölkerung trug und worin sie von den Werkzeugen der kaiser¬
lichen Partei bestärkt wurde. Predigte doch ein griechischer Pope seinen Pfarr¬
kindern in allem Ernste: daß "wenn nur erst die Ungarn vernichtet sein würden,
der Militärdienst für immer aufhören, vollkommene Steuerfreiheit eintreten
und der Kaiser in Se. Tcunas (einem elenden Neste an der slavonischen
Grenze) seine Residenz aufschlagen werde!"

Es ist wahr, daß zu jener Zeit 100,000 Grenzer unter den Waffen stan¬
den. Aber ihre Gegner waren gleichfalls in Masse aufgestanden. Am offen-


t8. Das erste Walachen- Regiment mit dem Stäbe zu Orlath.
19. „ zweite „ „ „ .. „ Naszod.

Jedes dieser vier Regimenter zu nur zwei Bataillonen, ohne Seressaner
und Artillerie, endlich

20. Das Szekler Husarenregiment mit dem Stabsorte Szepfi Se. Györgv,
in der Stärke von acht Schwadronen.

Die gesammte Militärgrenze umfaßte ein Gebiet von 863 in Meilen
mit ungefähr 1,200,000 Einwohnern. Die Stärke der Truppen betrug nach
dem vollen Kriegsetat 71,000 Mann, so daß nahezu der sechzehnte Einwohner Sol¬
dat war. Der Friedensstand war bedeutend schwächer, konnte aber eigentlich
nicht genau angegeben werden, da nur die zeitweilig in andern Provinzen
stationirten Bataillone einen festgesetzten Stand hatten, bei den in der Heimat
befindlichen Truppen wol auch die volle Zahl in den Listen eingetragen war,
jedoch sehr viele Dienstbefreiungen vorkamen und eigentlich alle nicht gerade
auf Kordonsdienst Stehenden als auf Urlaub befindlich betrachtet werden
konnten.

Mit dem Ausbruche der ungarischen Wirren begann eine für die Militär¬
grenze höchst folgenschwere Periode.

Der größte Theil der Feldbataillone der kroatischen, slavonischen und ba-
natcr Grenzregimenter war nach Italien geschickt worden, von den siebenbür-
gischen Grenztruppen aber nicht ein einziger Mann. Daher ist die Behauptung,
daß sich bei Radctzt'r/s Heere 30,000 Grenzer befunden hätten, eine Uebertreibung.

Bekanntlich wurden in dem Kampfe zwischen den Ungarn und Südslaven
anfänglich die letzteren, später die ersteren von der östreichischen Regierung als
Rebellen erklärt. Die banater und slavonischen Grenzer aber waren gleich beim
Anfange in Masse aufgestanden und hatten mit den banater Raiczen, den
Serben aus der Bacska und ihren aus der Türkei herübergekommenen Brüdern
gemeinsame Sache gemacht, daher verliert die so hoch gepriesene Aufopferung
der Grenzer und ihre treue Anhänglichkeit an das Kaiserhaus bei näherer Be¬
trachtung viel von ihrem Nimbus. Sie hatten zu den Waffen gegriffen, um
ihre Nationalität zu wahren und um die in ihr Land eingedrungenen Feinde
zu vertreiben. Zudem muß man die übertriebenen Hoffnungen kennen, mit
denen sich die Bevölkerung trug und worin sie von den Werkzeugen der kaiser¬
lichen Partei bestärkt wurde. Predigte doch ein griechischer Pope seinen Pfarr¬
kindern in allem Ernste: daß „wenn nur erst die Ungarn vernichtet sein würden,
der Militärdienst für immer aufhören, vollkommene Steuerfreiheit eintreten
und der Kaiser in Se. Tcunas (einem elenden Neste an der slavonischen
Grenze) seine Residenz aufschlagen werde!"

Es ist wahr, daß zu jener Zeit 100,000 Grenzer unter den Waffen stan¬
den. Aber ihre Gegner waren gleichfalls in Masse aufgestanden. Am offen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/18>, abgerufen am 01.10.2024.