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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Ich bin ziemlich wohl; aber der Verlust meines theuren, redlichen, mir
unvergeßlichen Vatters, macht mich sehr betrübt; ich fühl auel besonders ize,
seinen ganzen ^Vvrtd, den ganzen Umfang seines edlen Herzens; wie grenzen¬
los Er mich liebte, was Er für ein herrlicher Mann war; wie oft sagte Er zu
mir; ach wußt ich nur was zu erfinden, um dem guten Fichte, ein glüklicheö
Schiksahl, zu machen; auch hatte er mancherley Pläne, ihrenthalben entworfen,
aber der Tod raste ihn weg. Er wird nicht wieder zu uns kommen, zu ihm
aber kommen wir. Das ist auch der einzige Gedanke, welcher mich einigermasen
tröstet; und die freudige Ueberzeugung, daß ihm ize unaussprechlich wohl ist;
Daß er nun schon so manches weiß, was wir nur hoffend glauben; daß seine
Seele, erlößt von der gebrechlichen irdischen Hülle, nun ganz andre Vortschritte macht;
was mag das für eine Freude gewesen sein, als er meine theure Edle Mutter
-wieder fand, die hatte auch ein Herz, wie man nur sehr wenige sindt; auch
nahm sein Verlangen nach ihr, mit dem Tode sehr zu, es war gleichsam, eine
Vorempfindung, daß Er sie nun bald sehen werde. Ach theurer, Lieber Bruder
laßen Sie uns Edel und groß sein, und im Guten, immer stärkere Vortschritte
machen, damit wir auch zu diesen Edlen kommen. Gott sey mit Ihnen! Es
liebt Sie von ganzem Herzen,


Ihre Schwester Johanna Fichte
g. liann

Tausend herzliche Grüße, an die lieben Eltern, und Geschwister, mögen
Sie Alle recht glüklich und bras sein.

Es folgen nun der Zeit nach eine Reihe von Briefen vom 8. Juni 1797
bis zum 9. December 1798 an den Bruder Gotthelf, die hauptsächlich auf
Geldverhältnisse und Geschäftssachen sich beziehen, da Gotthelf und Gottlob
ein Haus gekauft hatten und darin die Bandweberei betrieben, wozu Gottlieb
Fichte ihnen verschiedene Geldsummen schickte, wofür er sich einen Gewinnantheil
ausbedungen hatte. Namentlich wollte er. daß davon seinem unermüdet thä¬
tigen Vater Etwas zu Gute kommen sollte. Von anderen seiner Verwandten
scheint Fichte mitunter in nicht ganz zarter und bescheidener Weise in Anspruch
genommen worden zu sein, so daß er ihnen zuweilen etwas derbe Zurück- und
Zurechtweisungen ertheilt.

Beachtenswert!) ist vorzüglich, wie eingehend Fichte sich nach den Speciali¬
täten -des Geschäfts erkundigt, die wandelbaren Werthe der verschiedenen Geld¬
sorten in Anschlag bringt u. s. w., und wie er, der Philosoph, seinen Brüdern,
den Geschäftsmännern, vielfach Rathschläge gibt. Man wird dabei an das
Wort erinnert, daß der Philosoph auch der beste Schuster sein würde, sofern
er nämlich prüft und entdeckt, worauf es ankommt und also jede Sache, die
er in Angriff nimmt, mit Verständniß und mit Erkenntniß des Zweckes behandelt.


Ich bin ziemlich wohl; aber der Verlust meines theuren, redlichen, mir
unvergeßlichen Vatters, macht mich sehr betrübt; ich fühl auel besonders ize,
seinen ganzen ^Vvrtd, den ganzen Umfang seines edlen Herzens; wie grenzen¬
los Er mich liebte, was Er für ein herrlicher Mann war; wie oft sagte Er zu
mir; ach wußt ich nur was zu erfinden, um dem guten Fichte, ein glüklicheö
Schiksahl, zu machen; auch hatte er mancherley Pläne, ihrenthalben entworfen,
aber der Tod raste ihn weg. Er wird nicht wieder zu uns kommen, zu ihm
aber kommen wir. Das ist auch der einzige Gedanke, welcher mich einigermasen
tröstet; und die freudige Ueberzeugung, daß ihm ize unaussprechlich wohl ist;
Daß er nun schon so manches weiß, was wir nur hoffend glauben; daß seine
Seele, erlößt von der gebrechlichen irdischen Hülle, nun ganz andre Vortschritte macht;
was mag das für eine Freude gewesen sein, als er meine theure Edle Mutter
-wieder fand, die hatte auch ein Herz, wie man nur sehr wenige sindt; auch
nahm sein Verlangen nach ihr, mit dem Tode sehr zu, es war gleichsam, eine
Vorempfindung, daß Er sie nun bald sehen werde. Ach theurer, Lieber Bruder
laßen Sie uns Edel und groß sein, und im Guten, immer stärkere Vortschritte
machen, damit wir auch zu diesen Edlen kommen. Gott sey mit Ihnen! Es
liebt Sie von ganzem Herzen,


Ihre Schwester Johanna Fichte
g. liann

Tausend herzliche Grüße, an die lieben Eltern, und Geschwister, mögen
Sie Alle recht glüklich und bras sein.

Es folgen nun der Zeit nach eine Reihe von Briefen vom 8. Juni 1797
bis zum 9. December 1798 an den Bruder Gotthelf, die hauptsächlich auf
Geldverhältnisse und Geschäftssachen sich beziehen, da Gotthelf und Gottlob
ein Haus gekauft hatten und darin die Bandweberei betrieben, wozu Gottlieb
Fichte ihnen verschiedene Geldsummen schickte, wofür er sich einen Gewinnantheil
ausbedungen hatte. Namentlich wollte er. daß davon seinem unermüdet thä¬
tigen Vater Etwas zu Gute kommen sollte. Von anderen seiner Verwandten
scheint Fichte mitunter in nicht ganz zarter und bescheidener Weise in Anspruch
genommen worden zu sein, so daß er ihnen zuweilen etwas derbe Zurück- und
Zurechtweisungen ertheilt.

Beachtenswert!) ist vorzüglich, wie eingehend Fichte sich nach den Speciali¬
täten -des Geschäfts erkundigt, die wandelbaren Werthe der verschiedenen Geld¬
sorten in Anschlag bringt u. s. w., und wie er, der Philosoph, seinen Brüdern,
den Geschäftsmännern, vielfach Rathschläge gibt. Man wird dabei an das
Wort erinnert, daß der Philosoph auch der beste Schuster sein würde, sofern
er nämlich prüft und entdeckt, worauf es ankommt und also jede Sache, die
er in Angriff nimmt, mit Verständniß und mit Erkenntniß des Zweckes behandelt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/172>, abgerufen am 29.09.2024.