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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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in dieser Beziehung gewesen sein, und die gewöhnliche Annahme ist, daß die"
Calvinisten in ihrem ZerstöruNgseiser die Archive der Klöster und des Adels
schonungslos vertilgt haben. Frankreich, Von der andern Seite, ist besonders
reich an Urkunden für die Geschichte Schottlands im 16. Jahrhundert. Die
meinst"! politische Allianz zwischen beiden Ländern, die eine Erbschaft früherer
Jahrhunderte war. und die vielen Familienverbindungen zwischen schottischen
und französischen Geschlechtern machten das natürlich. Ein specieller Grund
kommt indessen noch hinzu. Napoleon der Erste hatte das ganze spanische Staats¬
archiv von Simancas nach Paris bringen lassen. Der Pariser Frieden bestimmte
freilich, daß alle diese werthvollen Staatspapiere an Spanien zurückgegeben wer¬
den sollten. Die französische Regierung führte den Artikel des Friedens aber
unvollkommen aus, indem sie alle Documente, welche auf Frankreich Bezug
hatten, zurückbehielt. Sie erklärte serner alle solche Depeschen für französische
Eorrespondenz, die durch die Hände des spanischen Gesandten in Frankreich
gegangen waren, selbst, w?um fis sich auf andere Länder bezogen. Spanien hatte
gewöhnlich keine Gesandten in Schottland" und der diplomatische Verkehr wurde
durch die Gesandtschaften in England und Frankreich besorgt. Als es zwischen
Philipp dem Zweiten und Elisabeth zum Bruch gekommen war, gingen alle
Verhandlungen zwischen den Höfen von Madrid und Edinburg durch die Hände
des spanischen Gesandten in Paris; die Folge davon ist, daß jetzt die wichtigsten
Urkunden für schottische Geschichte im 16. Jahrhundert in Frankreich sind.

Die bedeutendste Privatgesellschaft in Schottland für historische Zwecke
ist der Bannatyne-Club, der von Walter Scott ins Leben gerufen ist. Der
Secretair dieses Clubs, Turnbull (derselbe Gelehrte, dessen Verfolgung durch
die Ultra-Protestanten in England vor zwei Jahren so viel Aufsehen gemacht
hat), wandte sich vor etwa 10 oder 12 Jahren an Mr. Teulet und ersuchte ihn,
die Herausgabe aller derjenigen Staatspapiere zu übernehmen, die sich auf die
Geschichte Schottlands beziehen und in den Archiven und Bibliotheken von
Frankreich aufbewahrt sind. Das Resultat waren die ?Äpiers Ä'^tat ete.,
welche in zwei starken Quartbänden in Paris auf Kosten des Bannatvne-Clubs
gedruckt wurden. Solche Veröffentlichungen durch Clubs in England, Schott¬
land und Irland haben aber einen großen Fehler. Die Werke werden gewöhn¬
lich in 20 bis 100 Exemplaren gedruckt und kommen nicht in den Buchhandel.
Die 1?5Msi'8 et'Ltat ste. von Teulet wurden in 110 Exemplaren abgezogen,
wovon 10 Exemplare in Frankreich blieben und 100 Exemplare nach Schott¬
land gingen. Sie sind darum eigentlich nie publicirt worden.

Unter solchen Umständen hat Mr. Teulet sich veranlaßt gesehen, im Interesse
der Wissenschaft die Arbeit nun noch ein Mal zu machen und aus eigene Kosten
herauszugeben. Er nennt sein Werk eine neue Ausgabe. In der That sind
die fünf Bände aber ein neues Werk. Die Urkunden sind neu geordnet und


in dieser Beziehung gewesen sein, und die gewöhnliche Annahme ist, daß die"
Calvinisten in ihrem ZerstöruNgseiser die Archive der Klöster und des Adels
schonungslos vertilgt haben. Frankreich, Von der andern Seite, ist besonders
reich an Urkunden für die Geschichte Schottlands im 16. Jahrhundert. Die
meinst«! politische Allianz zwischen beiden Ländern, die eine Erbschaft früherer
Jahrhunderte war. und die vielen Familienverbindungen zwischen schottischen
und französischen Geschlechtern machten das natürlich. Ein specieller Grund
kommt indessen noch hinzu. Napoleon der Erste hatte das ganze spanische Staats¬
archiv von Simancas nach Paris bringen lassen. Der Pariser Frieden bestimmte
freilich, daß alle diese werthvollen Staatspapiere an Spanien zurückgegeben wer¬
den sollten. Die französische Regierung führte den Artikel des Friedens aber
unvollkommen aus, indem sie alle Documente, welche auf Frankreich Bezug
hatten, zurückbehielt. Sie erklärte serner alle solche Depeschen für französische
Eorrespondenz, die durch die Hände des spanischen Gesandten in Frankreich
gegangen waren, selbst, w?um fis sich auf andere Länder bezogen. Spanien hatte
gewöhnlich keine Gesandten in Schottland» und der diplomatische Verkehr wurde
durch die Gesandtschaften in England und Frankreich besorgt. Als es zwischen
Philipp dem Zweiten und Elisabeth zum Bruch gekommen war, gingen alle
Verhandlungen zwischen den Höfen von Madrid und Edinburg durch die Hände
des spanischen Gesandten in Paris; die Folge davon ist, daß jetzt die wichtigsten
Urkunden für schottische Geschichte im 16. Jahrhundert in Frankreich sind.

Die bedeutendste Privatgesellschaft in Schottland für historische Zwecke
ist der Bannatyne-Club, der von Walter Scott ins Leben gerufen ist. Der
Secretair dieses Clubs, Turnbull (derselbe Gelehrte, dessen Verfolgung durch
die Ultra-Protestanten in England vor zwei Jahren so viel Aufsehen gemacht
hat), wandte sich vor etwa 10 oder 12 Jahren an Mr. Teulet und ersuchte ihn,
die Herausgabe aller derjenigen Staatspapiere zu übernehmen, die sich auf die
Geschichte Schottlands beziehen und in den Archiven und Bibliotheken von
Frankreich aufbewahrt sind. Das Resultat waren die ?Äpiers Ä'^tat ete.,
welche in zwei starken Quartbänden in Paris auf Kosten des Bannatvne-Clubs
gedruckt wurden. Solche Veröffentlichungen durch Clubs in England, Schott¬
land und Irland haben aber einen großen Fehler. Die Werke werden gewöhn¬
lich in 20 bis 100 Exemplaren gedruckt und kommen nicht in den Buchhandel.
Die 1?5Msi'8 et'Ltat ste. von Teulet wurden in 110 Exemplaren abgezogen,
wovon 10 Exemplare in Frankreich blieben und 100 Exemplare nach Schott¬
land gingen. Sie sind darum eigentlich nie publicirt worden.

Unter solchen Umständen hat Mr. Teulet sich veranlaßt gesehen, im Interesse
der Wissenschaft die Arbeit nun noch ein Mal zu machen und aus eigene Kosten
herauszugeben. Er nennt sein Werk eine neue Ausgabe. In der That sind
die fünf Bände aber ein neues Werk. Die Urkunden sind neu geordnet und


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[0162] in dieser Beziehung gewesen sein, und die gewöhnliche Annahme ist, daß die" Calvinisten in ihrem ZerstöruNgseiser die Archive der Klöster und des Adels schonungslos vertilgt haben. Frankreich, Von der andern Seite, ist besonders reich an Urkunden für die Geschichte Schottlands im 16. Jahrhundert. Die meinst«! politische Allianz zwischen beiden Ländern, die eine Erbschaft früherer Jahrhunderte war. und die vielen Familienverbindungen zwischen schottischen und französischen Geschlechtern machten das natürlich. Ein specieller Grund kommt indessen noch hinzu. Napoleon der Erste hatte das ganze spanische Staats¬ archiv von Simancas nach Paris bringen lassen. Der Pariser Frieden bestimmte freilich, daß alle diese werthvollen Staatspapiere an Spanien zurückgegeben wer¬ den sollten. Die französische Regierung führte den Artikel des Friedens aber unvollkommen aus, indem sie alle Documente, welche auf Frankreich Bezug hatten, zurückbehielt. Sie erklärte serner alle solche Depeschen für französische Eorrespondenz, die durch die Hände des spanischen Gesandten in Frankreich gegangen waren, selbst, w?um fis sich auf andere Länder bezogen. Spanien hatte gewöhnlich keine Gesandten in Schottland» und der diplomatische Verkehr wurde durch die Gesandtschaften in England und Frankreich besorgt. Als es zwischen Philipp dem Zweiten und Elisabeth zum Bruch gekommen war, gingen alle Verhandlungen zwischen den Höfen von Madrid und Edinburg durch die Hände des spanischen Gesandten in Paris; die Folge davon ist, daß jetzt die wichtigsten Urkunden für schottische Geschichte im 16. Jahrhundert in Frankreich sind. Die bedeutendste Privatgesellschaft in Schottland für historische Zwecke ist der Bannatyne-Club, der von Walter Scott ins Leben gerufen ist. Der Secretair dieses Clubs, Turnbull (derselbe Gelehrte, dessen Verfolgung durch die Ultra-Protestanten in England vor zwei Jahren so viel Aufsehen gemacht hat), wandte sich vor etwa 10 oder 12 Jahren an Mr. Teulet und ersuchte ihn, die Herausgabe aller derjenigen Staatspapiere zu übernehmen, die sich auf die Geschichte Schottlands beziehen und in den Archiven und Bibliotheken von Frankreich aufbewahrt sind. Das Resultat waren die ?Äpiers Ä'^tat ete., welche in zwei starken Quartbänden in Paris auf Kosten des Bannatvne-Clubs gedruckt wurden. Solche Veröffentlichungen durch Clubs in England, Schott¬ land und Irland haben aber einen großen Fehler. Die Werke werden gewöhn¬ lich in 20 bis 100 Exemplaren gedruckt und kommen nicht in den Buchhandel. Die 1?5Msi'8 et'Ltat ste. von Teulet wurden in 110 Exemplaren abgezogen, wovon 10 Exemplare in Frankreich blieben und 100 Exemplare nach Schott¬ land gingen. Sie sind darum eigentlich nie publicirt worden. Unter solchen Umständen hat Mr. Teulet sich veranlaßt gesehen, im Interesse der Wissenschaft die Arbeit nun noch ein Mal zu machen und aus eigene Kosten herauszugeben. Er nennt sein Werk eine neue Ausgabe. In der That sind die fünf Bände aber ein neues Werk. Die Urkunden sind neu geordnet und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/162>, abgerufen am 22.07.2024.