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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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auf dos Andringen des Erzherzogs Carl und der einsichtsvollsten Generale und
Staatsmänner zu einer abermaligen Reform des Grenzinstitutes geschritten wer¬
den mußte.

Zuerst wurde die Verwaltung, welche seit Kaiser Joseph sich unter der Lei¬
tung eigener "Cantonscommandanten" befunden hatte, wieder den Negiments-
und Cvmpaguiecommandanten übertragen und überhaupt eine größere Einheit,
freilich auch ein größerer Absolutismus der leitenden Behörden, angestrebt.
Diese Verfügungen und d.le ältern noch immer nicht gehobenen Mängel riefen
unter der Bevölkerung eine solche Unzufriedenheit hervor, daß man die im
Allgemeinen wenig befriedigenden Leistungen der Grenztruppen in den Jahren
1800 und 1805 größtentheils diesem Umstände zuschreiben darf.

Es wurden nun Commissionen eingesetzt, welche die einlaufenden Reform-
Vorschläge und die Beschwerdeschriften zu untersuchen und darüber zu berichten
hatten. Zur Einreichung dieser Vorschläge wurde jeder Grenzer ohne Unterschied
des Standes und Ranges aufgefordert, wenn "er sich hiezu befähigt halte und
über die bemerkten Uebelstände der Administration, Rechtspflege und politischen
Einrichtungen irgendwelche Aufklärung oder Abhilfe bieten zu können glaube".

Endlich (1807) erschien ein neues Statut der Militärgrenze, die "Grcnz-
grmidgesepe", welche bis 1848 in voller Giltigkeit blieben. In diesen Grund¬
gesetzen wurde abermals alles liegende Besitzthum als Militäclchensgut erklärt
und allen Waffenfähigen die Verpflichtung zum Kriegsdienste aufgelegt. Außer
Landes wurden die Grenzer auf gleichem Fuße wie alle andern Soldaten ver¬
pflegt, in der Heimat aber mußten sie während des Dienstes von ihren Fami¬
lien ernährt werden. Die Grundsteuer wurde zwar nicht erhöht, erschien jedoch
in Anbetracht der übrigen Abgaben und der persönlichen Leistungen des Ein-
. zclnen bei der damaligen Geldnoth Oestreichs drückend genug. Auch wurde
die persönliche Freiheit der Grenzer durch verschiedene Maßregeln noch mehr
beschränkt.

Sehr zweckmäßig aber war die Ernennung der Verwaltungsoffiziere, weiche
unabhängig von den Truppencommandanten sich einzig mit der ökonomischen
Verwaltung zu befassen hatten. Dem Oberst wurde ein Stabsoffizier, jedem
Hauptmanne ein Subalternoffizier zur Seite gestellt, und so hing der Gren¬
zer doch nicht in allem von seinem unmittelbaren Vorgesetzren ab. Außer¬
dem befanden sich bei dem Stäbe eines jeden Regimentes noch mehrere
Individuen des Bau-, Forst-, Nechnungs- und Justizpersonals, welche theils
dem Beamtenstande angehörten, theils mit den Abzeichen der Offiziere bekleidet
waren. In allen Angelegenheiten der weiblichen und der nicht "enrollirten"
männlichen Bevölkerung hatten diese Räthe einen mächtigen Einfluß, und na¬
mentlich stand den Verwaltungsoffizieren in vielen Fällen ein gewichtiges Veto
Su, welches letztere nur durch die dem höchstcommandirenden General der Mill-


auf dos Andringen des Erzherzogs Carl und der einsichtsvollsten Generale und
Staatsmänner zu einer abermaligen Reform des Grenzinstitutes geschritten wer¬
den mußte.

Zuerst wurde die Verwaltung, welche seit Kaiser Joseph sich unter der Lei¬
tung eigener „Cantonscommandanten" befunden hatte, wieder den Negiments-
und Cvmpaguiecommandanten übertragen und überhaupt eine größere Einheit,
freilich auch ein größerer Absolutismus der leitenden Behörden, angestrebt.
Diese Verfügungen und d.le ältern noch immer nicht gehobenen Mängel riefen
unter der Bevölkerung eine solche Unzufriedenheit hervor, daß man die im
Allgemeinen wenig befriedigenden Leistungen der Grenztruppen in den Jahren
1800 und 1805 größtentheils diesem Umstände zuschreiben darf.

Es wurden nun Commissionen eingesetzt, welche die einlaufenden Reform-
Vorschläge und die Beschwerdeschriften zu untersuchen und darüber zu berichten
hatten. Zur Einreichung dieser Vorschläge wurde jeder Grenzer ohne Unterschied
des Standes und Ranges aufgefordert, wenn „er sich hiezu befähigt halte und
über die bemerkten Uebelstände der Administration, Rechtspflege und politischen
Einrichtungen irgendwelche Aufklärung oder Abhilfe bieten zu können glaube".

Endlich (1807) erschien ein neues Statut der Militärgrenze, die „Grcnz-
grmidgesepe", welche bis 1848 in voller Giltigkeit blieben. In diesen Grund¬
gesetzen wurde abermals alles liegende Besitzthum als Militäclchensgut erklärt
und allen Waffenfähigen die Verpflichtung zum Kriegsdienste aufgelegt. Außer
Landes wurden die Grenzer auf gleichem Fuße wie alle andern Soldaten ver¬
pflegt, in der Heimat aber mußten sie während des Dienstes von ihren Fami¬
lien ernährt werden. Die Grundsteuer wurde zwar nicht erhöht, erschien jedoch
in Anbetracht der übrigen Abgaben und der persönlichen Leistungen des Ein-
. zclnen bei der damaligen Geldnoth Oestreichs drückend genug. Auch wurde
die persönliche Freiheit der Grenzer durch verschiedene Maßregeln noch mehr
beschränkt.

Sehr zweckmäßig aber war die Ernennung der Verwaltungsoffiziere, weiche
unabhängig von den Truppencommandanten sich einzig mit der ökonomischen
Verwaltung zu befassen hatten. Dem Oberst wurde ein Stabsoffizier, jedem
Hauptmanne ein Subalternoffizier zur Seite gestellt, und so hing der Gren¬
zer doch nicht in allem von seinem unmittelbaren Vorgesetzren ab. Außer¬
dem befanden sich bei dem Stäbe eines jeden Regimentes noch mehrere
Individuen des Bau-, Forst-, Nechnungs- und Justizpersonals, welche theils
dem Beamtenstande angehörten, theils mit den Abzeichen der Offiziere bekleidet
waren. In allen Angelegenheiten der weiblichen und der nicht „enrollirten"
männlichen Bevölkerung hatten diese Räthe einen mächtigen Einfluß, und na¬
mentlich stand den Verwaltungsoffizieren in vielen Fällen ein gewichtiges Veto
Su, welches letztere nur durch die dem höchstcommandirenden General der Mill-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/16>, abgerufen am 01.10.2024.