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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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tigkcit sollte auch die Militärgrenze nicht entgehen. Zuerst wurde die Bekleidung
der Grenztmppen mit jener des Linienmiiitärs in noch größere Uebereinstimmung
gebracht. Das Gleiche geschah dann mit den Reglements und den übrigen
Dienstvorschriften. Das Avancement wurde nach den für die übrige Armee fest¬
gestellten Normen geregelt und die alljährliche Abfassung von Conduitelisten
eingeführt. Es wurden die Gebühren und Pensionen der Offiziere und der
Mannschaft festgesetzt und die zeitweilige Zusammenziehung größerer Truppen-
"Srper angeordnet, um die Grenzoffiziere im Exerciren und Manövriren besser
einzuüben. Durch diese und andere Verfügungen erhielten die Grenztruppen
allerdings eine bessere Disciplin, aber sie verloren auch manche wesentliche Vor¬
züge, und binnen einigen Jahren hatten sie sich aus vortrefflichen leichten Trup¬
pen in eine gewöhnliche Linieninfanterie verwandelt, welcher trotzdem der innere
Halt einer attgeschulten regulären Truppe abging.

Der bairische Erbfolgekrieg war von zu kurzer Dauer und zu arm an grö¬
ßeren Waffenthaten, um dieses Resultat an den Tag zu legen; desto besser aber
konnte man in dem nachfolgenden Türkenkriege erkennen, wie sehr sich die
frühere Verwendbarkeit der Grenztruppen vermindert hatte.

Mochte diese Wahrnehmung sich geltend machen, oder hielt der Kaiser bei
seinen Centralisationsbestrebungen das Grenzinstitut in seiner damaligen poli¬
tischen Verfassung für ein seinen Planen noch zu ungefügiges Werkzeug, oder
wollte er überhaupt die Lage der Bewohner des Landes verbessern; -- genug,
es wurden auch über die Besitz- und Rechtsverhältnisse der Grenze die umfassend¬
sten Untersuchungen angeordnet, nach deren Beendigung die im Auftrage des
Kaisers das Land bereisenden Offiziere den denkwürdigen Bericht erstatteten:
"daß in der- Verwaltung der Militärgrenze eigentlich gar kein System herrsche
und die Chefs der einzelnen Bezirke theils nach den von ihren Vorgängern ein¬
geführten Normen, theils nach eigener Willkür die Herrschaft ausüben".

Es wurden sofort vielfache Veränderungen in der politischen und ökono¬
mischen Verwaltung, sowie in dem Justizwesen angeordnet. Die Durchführung
dieser, mitunter sehr zweckmäßigen Anordnungen unterblieb jedoch zum größten
Theile wegen des Ausdrucks des Türkenkrieges und des bald darauf erfolgen¬
den Todes des Kaisers, welcher überdies Mehres selbst zurücknahm. Die in
Ungarn entstandenen Unruhen verbreiteten sich auch über die Militärgrenze und
trugen dazu bei, daß Kaiser Leopold der Zweite sich beeilte, auch hier schleu¬
nigst alles auf den alten Fuß zu setzen.

Hätte man übrigens die "Granitzrechte" in ihrem vollen Umfange wieder
hergestellt, so wäre dieses der beste Ausweg gewesen. Allein man flickte den
alten Bau mit neuem Materia! aus, erließ Ergänzungsbestimmungen und pro¬
visorische Statuten in solcher Menge, daß die Verfassung der Militärgrenze
binnen wenigen Jahren abermals ein fast unentwirrbares Chaos bildete und


tigkcit sollte auch die Militärgrenze nicht entgehen. Zuerst wurde die Bekleidung
der Grenztmppen mit jener des Linienmiiitärs in noch größere Uebereinstimmung
gebracht. Das Gleiche geschah dann mit den Reglements und den übrigen
Dienstvorschriften. Das Avancement wurde nach den für die übrige Armee fest¬
gestellten Normen geregelt und die alljährliche Abfassung von Conduitelisten
eingeführt. Es wurden die Gebühren und Pensionen der Offiziere und der
Mannschaft festgesetzt und die zeitweilige Zusammenziehung größerer Truppen-
»Srper angeordnet, um die Grenzoffiziere im Exerciren und Manövriren besser
einzuüben. Durch diese und andere Verfügungen erhielten die Grenztruppen
allerdings eine bessere Disciplin, aber sie verloren auch manche wesentliche Vor¬
züge, und binnen einigen Jahren hatten sie sich aus vortrefflichen leichten Trup¬
pen in eine gewöhnliche Linieninfanterie verwandelt, welcher trotzdem der innere
Halt einer attgeschulten regulären Truppe abging.

Der bairische Erbfolgekrieg war von zu kurzer Dauer und zu arm an grö¬
ßeren Waffenthaten, um dieses Resultat an den Tag zu legen; desto besser aber
konnte man in dem nachfolgenden Türkenkriege erkennen, wie sehr sich die
frühere Verwendbarkeit der Grenztruppen vermindert hatte.

Mochte diese Wahrnehmung sich geltend machen, oder hielt der Kaiser bei
seinen Centralisationsbestrebungen das Grenzinstitut in seiner damaligen poli¬
tischen Verfassung für ein seinen Planen noch zu ungefügiges Werkzeug, oder
wollte er überhaupt die Lage der Bewohner des Landes verbessern; — genug,
es wurden auch über die Besitz- und Rechtsverhältnisse der Grenze die umfassend¬
sten Untersuchungen angeordnet, nach deren Beendigung die im Auftrage des
Kaisers das Land bereisenden Offiziere den denkwürdigen Bericht erstatteten:
„daß in der- Verwaltung der Militärgrenze eigentlich gar kein System herrsche
und die Chefs der einzelnen Bezirke theils nach den von ihren Vorgängern ein¬
geführten Normen, theils nach eigener Willkür die Herrschaft ausüben".

Es wurden sofort vielfache Veränderungen in der politischen und ökono¬
mischen Verwaltung, sowie in dem Justizwesen angeordnet. Die Durchführung
dieser, mitunter sehr zweckmäßigen Anordnungen unterblieb jedoch zum größten
Theile wegen des Ausdrucks des Türkenkrieges und des bald darauf erfolgen¬
den Todes des Kaisers, welcher überdies Mehres selbst zurücknahm. Die in
Ungarn entstandenen Unruhen verbreiteten sich auch über die Militärgrenze und
trugen dazu bei, daß Kaiser Leopold der Zweite sich beeilte, auch hier schleu¬
nigst alles auf den alten Fuß zu setzen.

Hätte man übrigens die „Granitzrechte" in ihrem vollen Umfange wieder
hergestellt, so wäre dieses der beste Ausweg gewesen. Allein man flickte den
alten Bau mit neuem Materia! aus, erließ Ergänzungsbestimmungen und pro¬
visorische Statuten in solcher Menge, daß die Verfassung der Militärgrenze
binnen wenigen Jahren abermals ein fast unentwirrbares Chaos bildete und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/15>, abgerufen am 01.10.2024.