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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Der Himmel war uns so günstig, daß wir spazieren fuhren, in der lieben Natur
herum schwärmten; und am Abend, unter herzlichen vertraulichen Gesprächen bey
einander saßen, wo uns denn innig wohl war; auch ist mein theurer Fichte,
so ganz zu diesen herzlichen Vertraulichkeiten gemacht; daß man sich in Ihn
.verlieben muß; nun stellen Sie Sich vor, wie's mir armen Geschöpfe dann
geht? da ich Ihn schon sonst herzlich Liebe; meine Liebe geht dann in Anbe¬
tung über.

Ich merke nun wohl, daß ich Ihnen beständig von meinem Lieben Mann
vorgeschwazt habe; Sie lieben ihn ja auch, drum kann Ihnen das nicht unan¬
genehm seyn; und ich wünsche Ihnen theurer Bruder, zu seiner Zeit, auch eine
weibliche Seele, die Sie so einzig liebt; und wenn Sie wollen, so wollen wir
Diese zu seiner Zeit, ja zu seiner Zeit, vergehen Sie dieses nicht, gemeinschaft¬
lich suchen. Nun will, und muß ich Ihnen Behüte Gott sagen; denn ich habe
mehrere Briefe zu schreiben, Dieser muß mich für die unangenehmen welche ich
noch zu schreiben habe schadlos halten; Leben Sie wohl! mein guter Vatter
grüßt Sie herzlich; das gleiche thut Ihre Schwester


Johanna dickte.

Wir haben Ihren 2. Brief auch erhalten. Mein Mann wird Ihnen näch¬
stens schreiben.

Aufschrift:


Lerrir?iodtöin
bei Herrn ConRektor Thieme. NÄSSM.

frey

.
(Nur "Herrn dickte:" und "frey" von Johanna's Hand, das Andere
von I. G. F.),

Der folgende Brief, die Perle unter denen von Johanna's Hand, ist mit
der Offenheit, mit der hier ein weibliches Gemüth über sich selbst spricht, und
mit dem leichten Anklang von Humor, so wie mit der überströmenden Fülle
kindlich einfachen Sinnes und reinster Liebe, ein köstliches Cabinetsstück, ein
wahres Meisterwerk.


t2.

^6vÄ ä. 27: vöeernb: 1794.


Lieber theurer Bruder!

Ich habe eine Menge Briefe vor mir, die ich beantworten soll, und Ihrer
sey der erste, den ich beantworte, weil Sie mir die liebste Persohn sind. Hören
Sie Lieber, ich bin gar nicht Ihrer Meinung, daß ein schön gcschriebenner Brief,
eine schöne Seele verathe; (nicht, daß nicht beydes neben einander bestehen
könne.) aber die Erfahrung hat mir schon zur Gnüge gelehrt, daß es oft nicht


17*

Der Himmel war uns so günstig, daß wir spazieren fuhren, in der lieben Natur
herum schwärmten; und am Abend, unter herzlichen vertraulichen Gesprächen bey
einander saßen, wo uns denn innig wohl war; auch ist mein theurer Fichte,
so ganz zu diesen herzlichen Vertraulichkeiten gemacht; daß man sich in Ihn
.verlieben muß; nun stellen Sie Sich vor, wie's mir armen Geschöpfe dann
geht? da ich Ihn schon sonst herzlich Liebe; meine Liebe geht dann in Anbe¬
tung über.

Ich merke nun wohl, daß ich Ihnen beständig von meinem Lieben Mann
vorgeschwazt habe; Sie lieben ihn ja auch, drum kann Ihnen das nicht unan¬
genehm seyn; und ich wünsche Ihnen theurer Bruder, zu seiner Zeit, auch eine
weibliche Seele, die Sie so einzig liebt; und wenn Sie wollen, so wollen wir
Diese zu seiner Zeit, ja zu seiner Zeit, vergehen Sie dieses nicht, gemeinschaft¬
lich suchen. Nun will, und muß ich Ihnen Behüte Gott sagen; denn ich habe
mehrere Briefe zu schreiben, Dieser muß mich für die unangenehmen welche ich
noch zu schreiben habe schadlos halten; Leben Sie wohl! mein guter Vatter
grüßt Sie herzlich; das gleiche thut Ihre Schwester


Johanna dickte.

Wir haben Ihren 2. Brief auch erhalten. Mein Mann wird Ihnen näch¬
stens schreiben.

Aufschrift:


Lerrir?iodtöin
bei Herrn ConRektor Thieme. NÄSSM.

frey

.
(Nur „Herrn dickte:" und „frey" von Johanna's Hand, das Andere
von I. G. F.),

Der folgende Brief, die Perle unter denen von Johanna's Hand, ist mit
der Offenheit, mit der hier ein weibliches Gemüth über sich selbst spricht, und
mit dem leichten Anklang von Humor, so wie mit der überströmenden Fülle
kindlich einfachen Sinnes und reinster Liebe, ein köstliches Cabinetsstück, ein
wahres Meisterwerk.


t2.

^6vÄ ä. 27: vöeernb: 1794.


Lieber theurer Bruder!

Ich habe eine Menge Briefe vor mir, die ich beantworten soll, und Ihrer
sey der erste, den ich beantworte, weil Sie mir die liebste Persohn sind. Hören
Sie Lieber, ich bin gar nicht Ihrer Meinung, daß ein schön gcschriebenner Brief,
eine schöne Seele verathe; (nicht, daß nicht beydes neben einander bestehen
könne.) aber die Erfahrung hat mir schon zur Gnüge gelehrt, daß es oft nicht


17*
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[0139] Der Himmel war uns so günstig, daß wir spazieren fuhren, in der lieben Natur herum schwärmten; und am Abend, unter herzlichen vertraulichen Gesprächen bey einander saßen, wo uns denn innig wohl war; auch ist mein theurer Fichte, so ganz zu diesen herzlichen Vertraulichkeiten gemacht; daß man sich in Ihn .verlieben muß; nun stellen Sie Sich vor, wie's mir armen Geschöpfe dann geht? da ich Ihn schon sonst herzlich Liebe; meine Liebe geht dann in Anbe¬ tung über. Ich merke nun wohl, daß ich Ihnen beständig von meinem Lieben Mann vorgeschwazt habe; Sie lieben ihn ja auch, drum kann Ihnen das nicht unan¬ genehm seyn; und ich wünsche Ihnen theurer Bruder, zu seiner Zeit, auch eine weibliche Seele, die Sie so einzig liebt; und wenn Sie wollen, so wollen wir Diese zu seiner Zeit, ja zu seiner Zeit, vergehen Sie dieses nicht, gemeinschaft¬ lich suchen. Nun will, und muß ich Ihnen Behüte Gott sagen; denn ich habe mehrere Briefe zu schreiben, Dieser muß mich für die unangenehmen welche ich noch zu schreiben habe schadlos halten; Leben Sie wohl! mein guter Vatter grüßt Sie herzlich; das gleiche thut Ihre Schwester Johanna dickte. Wir haben Ihren 2. Brief auch erhalten. Mein Mann wird Ihnen näch¬ stens schreiben. Aufschrift: Lerrir?iodtöin bei Herrn ConRektor Thieme. NÄSSM. frey . (Nur „Herrn dickte:" und „frey" von Johanna's Hand, das Andere von I. G. F.), Der folgende Brief, die Perle unter denen von Johanna's Hand, ist mit der Offenheit, mit der hier ein weibliches Gemüth über sich selbst spricht, und mit dem leichten Anklang von Humor, so wie mit der überströmenden Fülle kindlich einfachen Sinnes und reinster Liebe, ein köstliches Cabinetsstück, ein wahres Meisterwerk. t2. ^6vÄ ä. 27: vöeernb: 1794. Lieber theurer Bruder! Ich habe eine Menge Briefe vor mir, die ich beantworten soll, und Ihrer sey der erste, den ich beantworte, weil Sie mir die liebste Persohn sind. Hören Sie Lieber, ich bin gar nicht Ihrer Meinung, daß ein schön gcschriebenner Brief, eine schöne Seele verathe; (nicht, daß nicht beydes neben einander bestehen könne.) aber die Erfahrung hat mir schon zur Gnüge gelehrt, daß es oft nicht 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/139>, abgerufen am 25.08.2024.