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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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selbst ein Trunkenbold. Daß er sein mütterliches Erbtheil verkauft, um die
Schulden seines Vaters zu bezahlen" gehörte zu dem Flittergold, mit dein der
hochwürdigste Redner in Se. Rodoguedt ihm unverdientermaßen einen Heiligen¬
schein angeklebt hatte. Gicquels Mutter starb ohne irgendwelche Hinterlassenschaft
im Spital, sein Vater insolvent. Der Sohn dieses würdigen Paares ging bald
darauf, unter dem Vorgeben Arbeit zu suchen auf die Wanderschaft. Er war
aber kein Liebhaber vom Arbeiten, und so verfiel er auf einen originellen Plan,
um sich ohne Hobel sein Auskommen zu verschaffen.

Kaum ist unser Held in einem der nächsten Orte angekommen und hat
einen Meister gesunden, so wirft er sein Werkzeug in den Winkel und begibt
sich ins Pfarrhaus. Er ist Protestant und will sich zum Katholicismus be¬
kehren. Der Curv nimmt ihn bereitwillig auf und beginnt ihm Unterricht zu
ertheilen. Aber sein Brodherr bemerkt, daß er dabei zu Schaden kommt, er
jagt den Neophyten weg, damit er sich wo anders die Thür zu einem neuen
Leben aufschließen lasse. >

Gicquel, der katholisch getauft und immer katholisch geblieben ist, zieht
von bannen und versucht sein Glück anderwärts. Ueberall spielt er dieselbe
Komödie. Die Worte: "Herr Cur6, ich bin Protestant und wünsche dringend
Katholik zu werden" öffnen ihm die Thür des nächsten Pfarrhauses, und von
Neuem sängt er an, den Katechismus zu lernen. Schon rst der Tag seiner
Aufnahme in die alleinseligmachende Kirche festgesetzt, da jagt der Meister, bei
dem er in Lohn steht, den trägen Gesellen, der lieber in der Pfarre sitzt, als
hobelt und schmilzt, abermals weg, und noch einmal ist sein Plan vereitelt.

Nun wendet sich Gicquel in die Touraine nach Savign6, wo ihn der Cur6
alsbald aufnimmt, ihn und, wie es später in Poitiers heißen sollte, "die Be¬
kenntnisse seiner großen Seele". Anfänglich schien es in Savign6 vortrefflich
zu gehen. Der angebliche Protestant lernte fleißig, er wurde dem Erzbischof
vorgestellt und hatte bereits eine vornehme Frau zur Pathe gewählt, die für
die ihr erwiesene Ehre erkenntlich sein konnte. Da findet es der Pfarrer von
Savign6, ein vorsichtiger Charakter, für gut, seinen Amtsbruder in Guingamp
über den Konvertiten zu befragen. Zu seinem Schrecken hört er, daß sein Zög¬
ling keineswegs Protestant, sondern ein Katholik, so echt er nur sein kann, ist.
Sofort macht er Meldung bei dem Maire und der Ncophyt wird eingesteckt. Dank
einer Oräormaireo cle norr lieu indeß kam Gicquel bald wieder frei.

Ob es ihm nun gelungen, einen oder .den andern Marrcr zu bethören,
ist unbekannt, wie Alles, was zwischen seinem Unglück in Savignö und seinem
Eintritt in die heilige Schaar des Herrn von Coursac liegt. Es ist für uns
auch gleichgültig, mindestens ebenso gleichgültig, wie die Vergangenheit Gicquels
trotz der gegentheiligen Versicherungen in der obigen erzbischöflichen Rede den
Werbern in Poitiers gewesen zu sein scheint.


selbst ein Trunkenbold. Daß er sein mütterliches Erbtheil verkauft, um die
Schulden seines Vaters zu bezahlen» gehörte zu dem Flittergold, mit dein der
hochwürdigste Redner in Se. Rodoguedt ihm unverdientermaßen einen Heiligen¬
schein angeklebt hatte. Gicquels Mutter starb ohne irgendwelche Hinterlassenschaft
im Spital, sein Vater insolvent. Der Sohn dieses würdigen Paares ging bald
darauf, unter dem Vorgeben Arbeit zu suchen auf die Wanderschaft. Er war
aber kein Liebhaber vom Arbeiten, und so verfiel er auf einen originellen Plan,
um sich ohne Hobel sein Auskommen zu verschaffen.

Kaum ist unser Held in einem der nächsten Orte angekommen und hat
einen Meister gesunden, so wirft er sein Werkzeug in den Winkel und begibt
sich ins Pfarrhaus. Er ist Protestant und will sich zum Katholicismus be¬
kehren. Der Curv nimmt ihn bereitwillig auf und beginnt ihm Unterricht zu
ertheilen. Aber sein Brodherr bemerkt, daß er dabei zu Schaden kommt, er
jagt den Neophyten weg, damit er sich wo anders die Thür zu einem neuen
Leben aufschließen lasse. >

Gicquel, der katholisch getauft und immer katholisch geblieben ist, zieht
von bannen und versucht sein Glück anderwärts. Ueberall spielt er dieselbe
Komödie. Die Worte: „Herr Cur6, ich bin Protestant und wünsche dringend
Katholik zu werden" öffnen ihm die Thür des nächsten Pfarrhauses, und von
Neuem sängt er an, den Katechismus zu lernen. Schon rst der Tag seiner
Aufnahme in die alleinseligmachende Kirche festgesetzt, da jagt der Meister, bei
dem er in Lohn steht, den trägen Gesellen, der lieber in der Pfarre sitzt, als
hobelt und schmilzt, abermals weg, und noch einmal ist sein Plan vereitelt.

Nun wendet sich Gicquel in die Touraine nach Savign6, wo ihn der Cur6
alsbald aufnimmt, ihn und, wie es später in Poitiers heißen sollte, „die Be¬
kenntnisse seiner großen Seele". Anfänglich schien es in Savign6 vortrefflich
zu gehen. Der angebliche Protestant lernte fleißig, er wurde dem Erzbischof
vorgestellt und hatte bereits eine vornehme Frau zur Pathe gewählt, die für
die ihr erwiesene Ehre erkenntlich sein konnte. Da findet es der Pfarrer von
Savign6, ein vorsichtiger Charakter, für gut, seinen Amtsbruder in Guingamp
über den Konvertiten zu befragen. Zu seinem Schrecken hört er, daß sein Zög¬
ling keineswegs Protestant, sondern ein Katholik, so echt er nur sein kann, ist.
Sofort macht er Meldung bei dem Maire und der Ncophyt wird eingesteckt. Dank
einer Oräormaireo cle norr lieu indeß kam Gicquel bald wieder frei.

Ob es ihm nun gelungen, einen oder .den andern Marrcr zu bethören,
ist unbekannt, wie Alles, was zwischen seinem Unglück in Savignö und seinem
Eintritt in die heilige Schaar des Herrn von Coursac liegt. Es ist für uns
auch gleichgültig, mindestens ebenso gleichgültig, wie die Vergangenheit Gicquels
trotz der gegentheiligen Versicherungen in der obigen erzbischöflichen Rede den
Werbern in Poitiers gewesen zu sein scheint.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/125>, abgerufen am 25.08.2024.