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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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und Gönner des Unglücklichen aber waren die Worte: "Todt! Todt! Todt!"
die man außen um das schwarze Siegel des Couverts las.

Er war dahin geschieden, der junge Märtyrer für den Glauben. Die
Brüder von Se. Rodoguedt in Poitiers empfanden die Verpflichtung, ihm eine
Todtenmesse lesen zu lassen. Aber der Erzbischof kam ihnen zuvor, indem er
aus eignem Antrieb zu Ehren des gefallnen Helden in der Se. Rvdoguedter
Kirche einen feierlichen Gottesdienst anordnete. Derselbe wurde am Sonntag
vorher an allen Hochaltären der Stadt verkündet, dann mit der großen Glocke
eingeläutet. Die Welt sollte erfahren, wie die Kirche ihre Kämpfer ehrt. Am
30. October, neun Uhr Morgens sah man an den Stufen des Altars von
Se. Rodoguedt einen prächtigen Katafalk errichtet, das Chor war schwarz aus¬
geschlagen, fünf von den Pfarrern der Stadt, mehre Domherrn, zwei General-
vicare, eine Menge von Gläubigen, der hochwürdigste Erzbischof selbst bekundeten
durch ihre Gegenwart, welche Achtung der Selige ihnen eingeflößt hatte. Die
Todtenmesse wurde vom Pfarrherrn des Sprengels unter Assistenz zweier Vica-
rien gelesen. Alle anwesenden Freiwilligen der päpstlichen Armee antworteten
tiefbewegt das Il6<zun'-e->.t, in Mee! Dann betrat der Erzbischof von Poitiers
die Kanzel und hielt eine Leichenrede, aus der wir die erbaulichsten Stellen
mittheilen:


"Innigst geliebte Brüder!

Seit jenem Tage, wo wir einen feierlichen Gottesdienst begingen zum
Gedächtniß derjenigen von unsern Brüdern, die im Kampfe für die heilige
römische Kirche gefallen sind, ist uns eine neue Todesbotschaft zugegangen.
Mir haben nicht gezögert, in dieser Pfarrkirche eine zweite Todtenfeier anzu¬
ordnen, und sind gerührt, Euch in so großer Anzahl versammelt zu sehen. Aber
wir begnügen uns unsrerseits nicht mit dem Gebete, sondern glauben nur
unsre Pflicht zu thun, wenn wir der Erinnerung an Louis Etienne Rene;
Gicquel unsre gerechten Huldigungen darbringen und jenes Freiwilligen der
päpstlichen Armee feierlich gedenken, der am 7. d. M. an den Wunden ge¬
storben ist, welche er im Streit für die Sache des Glaubens und des heiligen
apostolischen Stuhls erhielt. Es handelt sich zwar hier blos um ein Kind des
Volkes, um einen schlichten Handwerker; aber Ihr werdet nur um so mehr
Achtung und Bewunderung für ihn empfinden, wenn ich Euch den Adel seiner
Denkart, die . Großherzigkeit seiner Gesinnung zeigen werde.

Geboren in jener echt katholischen und monarchisch gesinnten Bretagne,
Wo stets ein hoher Sinn wohnen wird, verbrachte Gicquel die Jahre seiner
Kindheit und seiner ersten Jugend friedlich im Schatten der Kirche seines
Heimathsorts, die seinen Landsleuten so theuer ist. Der Seelsorger seines
Orts wird ihm das Zeugniß geben, daß er nie vom Pfade der Tugend und


Grenzboten III. I86S. 15

und Gönner des Unglücklichen aber waren die Worte: „Todt! Todt! Todt!"
die man außen um das schwarze Siegel des Couverts las.

Er war dahin geschieden, der junge Märtyrer für den Glauben. Die
Brüder von Se. Rodoguedt in Poitiers empfanden die Verpflichtung, ihm eine
Todtenmesse lesen zu lassen. Aber der Erzbischof kam ihnen zuvor, indem er
aus eignem Antrieb zu Ehren des gefallnen Helden in der Se. Rvdoguedter
Kirche einen feierlichen Gottesdienst anordnete. Derselbe wurde am Sonntag
vorher an allen Hochaltären der Stadt verkündet, dann mit der großen Glocke
eingeläutet. Die Welt sollte erfahren, wie die Kirche ihre Kämpfer ehrt. Am
30. October, neun Uhr Morgens sah man an den Stufen des Altars von
Se. Rodoguedt einen prächtigen Katafalk errichtet, das Chor war schwarz aus¬
geschlagen, fünf von den Pfarrern der Stadt, mehre Domherrn, zwei General-
vicare, eine Menge von Gläubigen, der hochwürdigste Erzbischof selbst bekundeten
durch ihre Gegenwart, welche Achtung der Selige ihnen eingeflößt hatte. Die
Todtenmesse wurde vom Pfarrherrn des Sprengels unter Assistenz zweier Vica-
rien gelesen. Alle anwesenden Freiwilligen der päpstlichen Armee antworteten
tiefbewegt das Il6<zun'-e->.t, in Mee! Dann betrat der Erzbischof von Poitiers
die Kanzel und hielt eine Leichenrede, aus der wir die erbaulichsten Stellen
mittheilen:


„Innigst geliebte Brüder!

Seit jenem Tage, wo wir einen feierlichen Gottesdienst begingen zum
Gedächtniß derjenigen von unsern Brüdern, die im Kampfe für die heilige
römische Kirche gefallen sind, ist uns eine neue Todesbotschaft zugegangen.
Mir haben nicht gezögert, in dieser Pfarrkirche eine zweite Todtenfeier anzu¬
ordnen, und sind gerührt, Euch in so großer Anzahl versammelt zu sehen. Aber
wir begnügen uns unsrerseits nicht mit dem Gebete, sondern glauben nur
unsre Pflicht zu thun, wenn wir der Erinnerung an Louis Etienne Rene;
Gicquel unsre gerechten Huldigungen darbringen und jenes Freiwilligen der
päpstlichen Armee feierlich gedenken, der am 7. d. M. an den Wunden ge¬
storben ist, welche er im Streit für die Sache des Glaubens und des heiligen
apostolischen Stuhls erhielt. Es handelt sich zwar hier blos um ein Kind des
Volkes, um einen schlichten Handwerker; aber Ihr werdet nur um so mehr
Achtung und Bewunderung für ihn empfinden, wenn ich Euch den Adel seiner
Denkart, die . Großherzigkeit seiner Gesinnung zeigen werde.

Geboren in jener echt katholischen und monarchisch gesinnten Bretagne,
Wo stets ein hoher Sinn wohnen wird, verbrachte Gicquel die Jahre seiner
Kindheit und seiner ersten Jugend friedlich im Schatten der Kirche seines
Heimathsorts, die seinen Landsleuten so theuer ist. Der Seelsorger seines
Orts wird ihm das Zeugniß geben, daß er nie vom Pfade der Tugend und


Grenzboten III. I86S. 15
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/121>, abgerufen am 24.08.2024.