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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Auch eilt Märtyrer für den Plipst.

Im Sommer 1860 ließ die katholische Geistlichkeit in Poitiers Freiwillige
für das Heer werben, welches unter Lamoriciöre den Nest des Kirchenstaats
gegen die italienische" Unionisten zu vertheidigen, unter Umständen auch das
verlorengegangene zurückzuerobern bestimmt war. Unter andern Rekruten mel¬
dete sich bei dem mit diesem frommen Werk Betrauten, einem Herrn von Cour-
sac, der Tischlergesell Louis Gicquel aus der Bretagne. Sein Leumund war
nicht tadellos, indeß man sah davon ab, und mit dem Segen des hochwürdig¬
sten Herrn Erzbischofs versehen, wurde er mit den Uebrigen nach Civitavecchia
eingeschifft und später der päpstlichen Armee einverleibt.

Euiige Monate vergingen, die Schlacht bei Castelfidardo wurde geschlagen,
und bald darauf langte bei jenen geistlichen Herrn zu Poitiers die Trauerbot¬
schaft an, daß sie verloren worden. Unter den Briefen, die dies meldeten, war
auch der folgende rührende Erguß des sterbenden Gicquel:

Tivoli, K. October 1860.

Ich theile Ihnen mit, daß ich am rechten Beine


Nein theurer Freund!

verwundet, am linken von Kartätschenkugeln getroffen wurde. Ich sterbe mit
der Hoffnung, Sie im Himmel wiederzusehen, der mein Vaterland ist. An die
Erde darf ich nicht mehr denken; denn es ist um mich geschehn. Ich habe
mein Blut für meinen Glauben verspritzt, ich bin zufrieden und glücklich und
hauche meinen letzten Athemzug aus mit dem Bewußtsein, daß ich meine Pflicht
gcihan und brav gehandelt habe. Ich sterbe und lasse unsre Sache in den
Handen des Herrn, welcher unsre Waffenbrüder nicht verlassen wird. Den
kurzen Augenblick, der mir übrig bleibt, benutze ich, um Ihnen durch einen
meiner Kameraden schreiben zu lassen, der verwundet und gefangen ist wie ich.
Grüßen Sie gefälligst zum Abschied in meinem Namen alle Freunde, und ver¬
gessen Sie keinen. Ich scheide von dieser Welt und habe keinen andern Kummer
als den, daß ich unsre Sache überall so verlassen sehen muß, wie sie jetzt ist.
Beten Sie für die Ruhe meiner Seele.

Ich bitte Sie, den Blutkuß empfangen zu wollen, den ich Ihnen schicke
beim Abschied por dieser Welt, bis ich Ihnen einst im Himmel, unserm Bater¬
lande, den Friedenskuß geben werde, und bin jetzt, wo ich der Erde Lebewohl
sage, sowie ich auch im Himmel verbleiben werde, Ihr ergebner Diener und
Freund


Louis Gicquel.
Beten Sie zu Gott für mich.

Das klang sehr traurig, sehr betrübend. Noch betrübender für die Freunde


Auch eilt Märtyrer für den Plipst.

Im Sommer 1860 ließ die katholische Geistlichkeit in Poitiers Freiwillige
für das Heer werben, welches unter Lamoriciöre den Nest des Kirchenstaats
gegen die italienische» Unionisten zu vertheidigen, unter Umständen auch das
verlorengegangene zurückzuerobern bestimmt war. Unter andern Rekruten mel¬
dete sich bei dem mit diesem frommen Werk Betrauten, einem Herrn von Cour-
sac, der Tischlergesell Louis Gicquel aus der Bretagne. Sein Leumund war
nicht tadellos, indeß man sah davon ab, und mit dem Segen des hochwürdig¬
sten Herrn Erzbischofs versehen, wurde er mit den Uebrigen nach Civitavecchia
eingeschifft und später der päpstlichen Armee einverleibt.

Euiige Monate vergingen, die Schlacht bei Castelfidardo wurde geschlagen,
und bald darauf langte bei jenen geistlichen Herrn zu Poitiers die Trauerbot¬
schaft an, daß sie verloren worden. Unter den Briefen, die dies meldeten, war
auch der folgende rührende Erguß des sterbenden Gicquel:

Tivoli, K. October 1860.

Ich theile Ihnen mit, daß ich am rechten Beine


Nein theurer Freund!

verwundet, am linken von Kartätschenkugeln getroffen wurde. Ich sterbe mit
der Hoffnung, Sie im Himmel wiederzusehen, der mein Vaterland ist. An die
Erde darf ich nicht mehr denken; denn es ist um mich geschehn. Ich habe
mein Blut für meinen Glauben verspritzt, ich bin zufrieden und glücklich und
hauche meinen letzten Athemzug aus mit dem Bewußtsein, daß ich meine Pflicht
gcihan und brav gehandelt habe. Ich sterbe und lasse unsre Sache in den
Handen des Herrn, welcher unsre Waffenbrüder nicht verlassen wird. Den
kurzen Augenblick, der mir übrig bleibt, benutze ich, um Ihnen durch einen
meiner Kameraden schreiben zu lassen, der verwundet und gefangen ist wie ich.
Grüßen Sie gefälligst zum Abschied in meinem Namen alle Freunde, und ver¬
gessen Sie keinen. Ich scheide von dieser Welt und habe keinen andern Kummer
als den, daß ich unsre Sache überall so verlassen sehen muß, wie sie jetzt ist.
Beten Sie für die Ruhe meiner Seele.

Ich bitte Sie, den Blutkuß empfangen zu wollen, den ich Ihnen schicke
beim Abschied por dieser Welt, bis ich Ihnen einst im Himmel, unserm Bater¬
lande, den Friedenskuß geben werde, und bin jetzt, wo ich der Erde Lebewohl
sage, sowie ich auch im Himmel verbleiben werde, Ihr ergebner Diener und
Freund


Louis Gicquel.
Beten Sie zu Gott für mich.

Das klang sehr traurig, sehr betrübend. Noch betrübender für die Freunde


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[0120] Auch eilt Märtyrer für den Plipst. Im Sommer 1860 ließ die katholische Geistlichkeit in Poitiers Freiwillige für das Heer werben, welches unter Lamoriciöre den Nest des Kirchenstaats gegen die italienische» Unionisten zu vertheidigen, unter Umständen auch das verlorengegangene zurückzuerobern bestimmt war. Unter andern Rekruten mel¬ dete sich bei dem mit diesem frommen Werk Betrauten, einem Herrn von Cour- sac, der Tischlergesell Louis Gicquel aus der Bretagne. Sein Leumund war nicht tadellos, indeß man sah davon ab, und mit dem Segen des hochwürdig¬ sten Herrn Erzbischofs versehen, wurde er mit den Uebrigen nach Civitavecchia eingeschifft und später der päpstlichen Armee einverleibt. Euiige Monate vergingen, die Schlacht bei Castelfidardo wurde geschlagen, und bald darauf langte bei jenen geistlichen Herrn zu Poitiers die Trauerbot¬ schaft an, daß sie verloren worden. Unter den Briefen, die dies meldeten, war auch der folgende rührende Erguß des sterbenden Gicquel: Tivoli, K. October 1860. Ich theile Ihnen mit, daß ich am rechten Beine Nein theurer Freund! verwundet, am linken von Kartätschenkugeln getroffen wurde. Ich sterbe mit der Hoffnung, Sie im Himmel wiederzusehen, der mein Vaterland ist. An die Erde darf ich nicht mehr denken; denn es ist um mich geschehn. Ich habe mein Blut für meinen Glauben verspritzt, ich bin zufrieden und glücklich und hauche meinen letzten Athemzug aus mit dem Bewußtsein, daß ich meine Pflicht gcihan und brav gehandelt habe. Ich sterbe und lasse unsre Sache in den Handen des Herrn, welcher unsre Waffenbrüder nicht verlassen wird. Den kurzen Augenblick, der mir übrig bleibt, benutze ich, um Ihnen durch einen meiner Kameraden schreiben zu lassen, der verwundet und gefangen ist wie ich. Grüßen Sie gefälligst zum Abschied in meinem Namen alle Freunde, und ver¬ gessen Sie keinen. Ich scheide von dieser Welt und habe keinen andern Kummer als den, daß ich unsre Sache überall so verlassen sehen muß, wie sie jetzt ist. Beten Sie für die Ruhe meiner Seele. Ich bitte Sie, den Blutkuß empfangen zu wollen, den ich Ihnen schicke beim Abschied por dieser Welt, bis ich Ihnen einst im Himmel, unserm Bater¬ lande, den Friedenskuß geben werde, und bin jetzt, wo ich der Erde Lebewohl sage, sowie ich auch im Himmel verbleiben werde, Ihr ergebner Diener und Freund Louis Gicquel. Beten Sie zu Gott für mich. Das klang sehr traurig, sehr betrübend. Noch betrübender für die Freunde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/120>, abgerufen am 24.08.2024.