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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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des Lokals, wo jetzt der Gottesdienst stattfindet, auf Gewinnung eines geeigne¬
ten Bethauses Bedacht genommen werden.

Nächst der protestantischen Diaspora in Deutschland und den östlichen Pro¬
vinzen Preußens verdient vor Allem die italienische unser Interesse und unsre
Unterstützung und zwar nicht blos aus den Gründen, aus denen der Politiker
dem ncuaufstrebendcn italienischen Volk Glück und Gedeihen wünscht, sondern
auch deshalb, weil jede dieser Gemeinden ein in unmittelbarer Nähe angesetzter
Keil zur Sprengung des Ultramontanismus in seinem Hauptbollwerk ist. Auch
der unkirchlich gesinnte Politiker wird ihnen allen Erfolg gönnen, weil sie
mittelbar für die Ueberwindung Roms durch Italien arbeiten. Auch der nicht
an politischen Angelegenheiten Interesse nehmende Protestant wird andrerseits
wünschen müssen, daß die neue Gestalt Italiens erhalten bleibe, weil nur so
der Bestand evangelischer Gemeinden gesichert und eine weitere Entwickelung
derselben möglich ist.

Dem bisher Betrachteten gegenüber ist das Weitere von geringem Interesse,
und so geben wir davon nur so viel, als zu einiger Vollständigkeit des Bildes
erforderlich ist.

In Serbien hat sich 1853 zu Belgrad eine protestantische Gemeinde ge¬
bildet, welche jetzt etwa 400 Seelen zählt, eine ihr vom Fürsten eingeräumte
Kapelle benutzt und eine Schule besitzt, deren Lehrer ein Zögling des Rauben
Hauses ist, und zu deren passender Einrichtung vorzüglich Serben beigetragen
haben.

In Rumänien gibt es zu Turnn Severin, Piteschti, Oltenitza, Krcijowa,
Plojeschti, Galatz und Braila protestantische Gemeinden, die zum Theil unter¬
stützt zu werden verdienen. Die in Turnu Severin zählte 1861 circa 150, die
in Plojcschti gegen 400, die in Krajowa, der von 30,000 Menschen bewohnten
Hauptstadt der sogenannten Kleinen Walachei, 200 und die in Galatz ebenfalls
200 Mitglieder.

Die europäische Türkei hat in Konstantinopel und Atmadscha evange¬
lische Gemeinden. Das kirchliche Leben der aus etwa 600 Seelen bestehenden
deutsch-evangelischen Gemeinde zu Konstantinopel soll in der letzten Zeit einen
unverkennbaren Aufschwung genommen haben, wozu indeß der Zank, den der
Prediger Pischon durch seinen bekannten ungebührlichen Ausfall gegen den preu¬
ßischen Gesandten hervorrief, nicht beigetragen haben wird. Der Gottesdienst
wird in der Kapelle der preußischen Gesandtschaft gehalten, die Schule, an der
zwei Lehrer und eine Lehrerin wirken, wird von SO Kindern besucht; außerdem
stehen in Verbindung mit der Gemeinde ein Wohlthätigkeitsvercin, ein Fraucn-
hülfsverein und .ein von Kaiserswerther Diakonissen geleitetes Hospital, welches
jährlich im Durchschnitt 150 Kranke verpflegt. Die Gemeinde möchte ein eignes
Bethaus haben und hofft, daß die preußische Regierung ihr dazu verhelfen


des Lokals, wo jetzt der Gottesdienst stattfindet, auf Gewinnung eines geeigne¬
ten Bethauses Bedacht genommen werden.

Nächst der protestantischen Diaspora in Deutschland und den östlichen Pro¬
vinzen Preußens verdient vor Allem die italienische unser Interesse und unsre
Unterstützung und zwar nicht blos aus den Gründen, aus denen der Politiker
dem ncuaufstrebendcn italienischen Volk Glück und Gedeihen wünscht, sondern
auch deshalb, weil jede dieser Gemeinden ein in unmittelbarer Nähe angesetzter
Keil zur Sprengung des Ultramontanismus in seinem Hauptbollwerk ist. Auch
der unkirchlich gesinnte Politiker wird ihnen allen Erfolg gönnen, weil sie
mittelbar für die Ueberwindung Roms durch Italien arbeiten. Auch der nicht
an politischen Angelegenheiten Interesse nehmende Protestant wird andrerseits
wünschen müssen, daß die neue Gestalt Italiens erhalten bleibe, weil nur so
der Bestand evangelischer Gemeinden gesichert und eine weitere Entwickelung
derselben möglich ist.

Dem bisher Betrachteten gegenüber ist das Weitere von geringem Interesse,
und so geben wir davon nur so viel, als zu einiger Vollständigkeit des Bildes
erforderlich ist.

In Serbien hat sich 1853 zu Belgrad eine protestantische Gemeinde ge¬
bildet, welche jetzt etwa 400 Seelen zählt, eine ihr vom Fürsten eingeräumte
Kapelle benutzt und eine Schule besitzt, deren Lehrer ein Zögling des Rauben
Hauses ist, und zu deren passender Einrichtung vorzüglich Serben beigetragen
haben.

In Rumänien gibt es zu Turnn Severin, Piteschti, Oltenitza, Krcijowa,
Plojeschti, Galatz und Braila protestantische Gemeinden, die zum Theil unter¬
stützt zu werden verdienen. Die in Turnu Severin zählte 1861 circa 150, die
in Plojcschti gegen 400, die in Krajowa, der von 30,000 Menschen bewohnten
Hauptstadt der sogenannten Kleinen Walachei, 200 und die in Galatz ebenfalls
200 Mitglieder.

Die europäische Türkei hat in Konstantinopel und Atmadscha evange¬
lische Gemeinden. Das kirchliche Leben der aus etwa 600 Seelen bestehenden
deutsch-evangelischen Gemeinde zu Konstantinopel soll in der letzten Zeit einen
unverkennbaren Aufschwung genommen haben, wozu indeß der Zank, den der
Prediger Pischon durch seinen bekannten ungebührlichen Ausfall gegen den preu¬
ßischen Gesandten hervorrief, nicht beigetragen haben wird. Der Gottesdienst
wird in der Kapelle der preußischen Gesandtschaft gehalten, die Schule, an der
zwei Lehrer und eine Lehrerin wirken, wird von SO Kindern besucht; außerdem
stehen in Verbindung mit der Gemeinde ein Wohlthätigkeitsvercin, ein Fraucn-
hülfsverein und .ein von Kaiserswerther Diakonissen geleitetes Hospital, welches
jährlich im Durchschnitt 150 Kranke verpflegt. Die Gemeinde möchte ein eignes
Bethaus haben und hofft, daß die preußische Regierung ihr dazu verhelfen


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[0117] des Lokals, wo jetzt der Gottesdienst stattfindet, auf Gewinnung eines geeigne¬ ten Bethauses Bedacht genommen werden. Nächst der protestantischen Diaspora in Deutschland und den östlichen Pro¬ vinzen Preußens verdient vor Allem die italienische unser Interesse und unsre Unterstützung und zwar nicht blos aus den Gründen, aus denen der Politiker dem ncuaufstrebendcn italienischen Volk Glück und Gedeihen wünscht, sondern auch deshalb, weil jede dieser Gemeinden ein in unmittelbarer Nähe angesetzter Keil zur Sprengung des Ultramontanismus in seinem Hauptbollwerk ist. Auch der unkirchlich gesinnte Politiker wird ihnen allen Erfolg gönnen, weil sie mittelbar für die Ueberwindung Roms durch Italien arbeiten. Auch der nicht an politischen Angelegenheiten Interesse nehmende Protestant wird andrerseits wünschen müssen, daß die neue Gestalt Italiens erhalten bleibe, weil nur so der Bestand evangelischer Gemeinden gesichert und eine weitere Entwickelung derselben möglich ist. Dem bisher Betrachteten gegenüber ist das Weitere von geringem Interesse, und so geben wir davon nur so viel, als zu einiger Vollständigkeit des Bildes erforderlich ist. In Serbien hat sich 1853 zu Belgrad eine protestantische Gemeinde ge¬ bildet, welche jetzt etwa 400 Seelen zählt, eine ihr vom Fürsten eingeräumte Kapelle benutzt und eine Schule besitzt, deren Lehrer ein Zögling des Rauben Hauses ist, und zu deren passender Einrichtung vorzüglich Serben beigetragen haben. In Rumänien gibt es zu Turnn Severin, Piteschti, Oltenitza, Krcijowa, Plojeschti, Galatz und Braila protestantische Gemeinden, die zum Theil unter¬ stützt zu werden verdienen. Die in Turnu Severin zählte 1861 circa 150, die in Plojcschti gegen 400, die in Krajowa, der von 30,000 Menschen bewohnten Hauptstadt der sogenannten Kleinen Walachei, 200 und die in Galatz ebenfalls 200 Mitglieder. Die europäische Türkei hat in Konstantinopel und Atmadscha evange¬ lische Gemeinden. Das kirchliche Leben der aus etwa 600 Seelen bestehenden deutsch-evangelischen Gemeinde zu Konstantinopel soll in der letzten Zeit einen unverkennbaren Aufschwung genommen haben, wozu indeß der Zank, den der Prediger Pischon durch seinen bekannten ungebührlichen Ausfall gegen den preu¬ ßischen Gesandten hervorrief, nicht beigetragen haben wird. Der Gottesdienst wird in der Kapelle der preußischen Gesandtschaft gehalten, die Schule, an der zwei Lehrer und eine Lehrerin wirken, wird von SO Kindern besucht; außerdem stehen in Verbindung mit der Gemeinde ein Wohlthätigkeitsvercin, ein Fraucn- hülfsverein und .ein von Kaiserswerther Diakonissen geleitetes Hospital, welches jährlich im Durchschnitt 150 Kranke verpflegt. Die Gemeinde möchte ein eignes Bethaus haben und hofft, daß die preußische Regierung ihr dazu verhelfen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/117>, abgerufen am 24.08.2024.