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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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einigen Jahren in Italien kundgibt. Die Hemmnisse, welche hier die mit
Rom verbündeten absolutistischen Regierungen der evangelischen Lehre entgegen¬
stellten, sind durch Vertreibung dieser Regierungen hinwcggcschafft, und Victor
Emanuel. der König des befreiten Italien, gestattet seinen Unterthanen nicht
blos volle politische, sondern auch religiöse Freibeit. Es ist nicht völlig un¬
denkbar, daß sich die Hoffnungen derer erfüllen, welche von einem fortgesetzten
von poskumus des Papstes gegenüber den berechtigten politischen Forderungen
der Italiener einen großen Abfall von dem römischen Wesen erwarten. Wahr¬
scheinlich ist der Eintritt eines solchen Ereignisses indeß aus mehren Gründen
nicht, und aller menschlichen Voraussicht nach würde ein solches Ausscheiden aus
dem Verbände mit Rom mit einen, Uebertritt zum evangelischen Bekenntniß
nicht zusammenfallen.

Wohl aber haben die jüngsten Ereignisse, zunächst die Verkündigung der
Glaubensfreiheit, dann die durch Roms Widerstand gegen den nationalen Ge¬
danken allgemein gewordene feindselige Stimmung des italienischen Volks ge-
gen den päpstlichen Stuhl der evangelischen Mission in Italien die Thür ge¬
öffnet und den empfänglichen Boden bereitet, auf dem sie im Einzelnen Erfolge
zu erzielen vetmag.

Vor Allem kam die neue freie Luft den bis 1848 schwer bedrückten, bis
dahin nur durch Preußens Jntercession vor völliger Unterdrückung bewahrten
Wal den fern zu Gute, über deren Fortschritte auf der Versammlung des
GustaV-Adolf-Vereins zü Ulm ein eigner Abgesandter, der Pfarrer Ravet, Prä¬
sident der Waldcnsertafcl zu Latour in Piemont, ausführlich Bericht erstattete.
Nach langer Einschließung in die engen Grenzen einiger Thäler Piemonts
malte ihnen durch das königliche Patent vom 1?. Fclnuar 1848, welches ihnen
gleiche Rechte mit der katholischen Bevölkerung des Landes verlieh, gestattet,
sich im ganzen Königreich niederzulassen und ihren Glauben nicht blos offen
zu bekennen, sondern auch zu perbreiten. Diese Erlaubniß wurde ohne Verzug
benutzt. Sie erwarben sich zunächst in Pignerole Grundbesitz und bauten dort
ML Kilche. die am 29. Juni 1851 eingeweiht wurde und als ein um so er¬
freulicheres Zeichen besserer Zeiten galt, als Pignerole der Ort war, von wo
früher alle Maßregeln zur Erstickung der Ketzerei von Latour ausgegangen wä¬
ret". Kurze Zeit darauf, im Jahre 1853 erstand in Turin selbst, der Hauptstadt,
eine zweite Waldenserkirche. 1860 weihte Man in Genua die dritte ein, und
bald nachher kam in Nizza die vierte hinzu. Außer diesen Bauten widmeten
steh die jetzt völlig unbehinderten Vorsteher der Waldenser mit Eifer der Ver¬
breitung ihres Glaubens durch Missionen, einem Werke, dem durch die Ereig¬
nisse von 1859 und 1860 noch weitere Gebiete eröffnet wurden. Sie gründe¬
ten evangelische Missionsstationen in Turin. Pignerole und Genua, in Aosta.
VbglM und Alessandria, in Livorno Und Florenz, in Parma und zuletzt in


einigen Jahren in Italien kundgibt. Die Hemmnisse, welche hier die mit
Rom verbündeten absolutistischen Regierungen der evangelischen Lehre entgegen¬
stellten, sind durch Vertreibung dieser Regierungen hinwcggcschafft, und Victor
Emanuel. der König des befreiten Italien, gestattet seinen Unterthanen nicht
blos volle politische, sondern auch religiöse Freibeit. Es ist nicht völlig un¬
denkbar, daß sich die Hoffnungen derer erfüllen, welche von einem fortgesetzten
von poskumus des Papstes gegenüber den berechtigten politischen Forderungen
der Italiener einen großen Abfall von dem römischen Wesen erwarten. Wahr¬
scheinlich ist der Eintritt eines solchen Ereignisses indeß aus mehren Gründen
nicht, und aller menschlichen Voraussicht nach würde ein solches Ausscheiden aus
dem Verbände mit Rom mit einen, Uebertritt zum evangelischen Bekenntniß
nicht zusammenfallen.

Wohl aber haben die jüngsten Ereignisse, zunächst die Verkündigung der
Glaubensfreiheit, dann die durch Roms Widerstand gegen den nationalen Ge¬
danken allgemein gewordene feindselige Stimmung des italienischen Volks ge-
gen den päpstlichen Stuhl der evangelischen Mission in Italien die Thür ge¬
öffnet und den empfänglichen Boden bereitet, auf dem sie im Einzelnen Erfolge
zu erzielen vetmag.

Vor Allem kam die neue freie Luft den bis 1848 schwer bedrückten, bis
dahin nur durch Preußens Jntercession vor völliger Unterdrückung bewahrten
Wal den fern zu Gute, über deren Fortschritte auf der Versammlung des
GustaV-Adolf-Vereins zü Ulm ein eigner Abgesandter, der Pfarrer Ravet, Prä¬
sident der Waldcnsertafcl zu Latour in Piemont, ausführlich Bericht erstattete.
Nach langer Einschließung in die engen Grenzen einiger Thäler Piemonts
malte ihnen durch das königliche Patent vom 1?. Fclnuar 1848, welches ihnen
gleiche Rechte mit der katholischen Bevölkerung des Landes verlieh, gestattet,
sich im ganzen Königreich niederzulassen und ihren Glauben nicht blos offen
zu bekennen, sondern auch zu perbreiten. Diese Erlaubniß wurde ohne Verzug
benutzt. Sie erwarben sich zunächst in Pignerole Grundbesitz und bauten dort
ML Kilche. die am 29. Juni 1851 eingeweiht wurde und als ein um so er¬
freulicheres Zeichen besserer Zeiten galt, als Pignerole der Ort war, von wo
früher alle Maßregeln zur Erstickung der Ketzerei von Latour ausgegangen wä¬
ret». Kurze Zeit darauf, im Jahre 1853 erstand in Turin selbst, der Hauptstadt,
eine zweite Waldenserkirche. 1860 weihte Man in Genua die dritte ein, und
bald nachher kam in Nizza die vierte hinzu. Außer diesen Bauten widmeten
steh die jetzt völlig unbehinderten Vorsteher der Waldenser mit Eifer der Ver¬
breitung ihres Glaubens durch Missionen, einem Werke, dem durch die Ereig¬
nisse von 1859 und 1860 noch weitere Gebiete eröffnet wurden. Sie gründe¬
ten evangelische Missionsstationen in Turin. Pignerole und Genua, in Aosta.
VbglM und Alessandria, in Livorno Und Florenz, in Parma und zuletzt in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/115>, abgerufen am 25.08.2024.