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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Ludwigsmoos und Carlsfeld, Langengeringen und Marienstcin Gemeinden und
zum Theil Kirchen gegründet, aber alle diese Schöpfungen sind nur mit großen
Opfern seitens der zunächst Betheiligten zu Stande gebracht worden und der
Hülfe des Gustav-Adolf-Vereins noch mehr oder minder bedürftig. In Ober-
bayern ist für die kirchliche Versorgung der,hier weitzerstreuten Protestanten
durch Anstellung von zwei Reisepredigcrn Wesentliches geschehen. An vierzehn
verschiedenen Stationen finden theils monatlich, theils vierteljährlich regelmäßige
Gottesdienste statt, und an zwei Stationen, zu Starnberg und Reichenhall, sind
neue Betsäle errichtet worden.

Ferner hat sich in Freising eine evangelische Gemeinde gebildet, der es ge¬
lungen ist, die Anstellung eines Hülfsgeistlichen zu sichern. Aber die Stadt
hat keinen zur Abhaltung des Gottesdienstes geeigneten Ort, das bisher be¬
nutzte Lokal ist viel zu eng, und die Gemeinde bedarf dringend einer Kirche.
Aehnliches gilt von mehren andern Gemeinden, z. B. von der in Landstuhl
RKeinvayern), die ihren Betsaal durch Ablauf des Mithcontracts zu verlieren
in Gefahr steht und eine andere geeignete Räumlichkeit miethweise nicht be¬
schaffen kann.

Besondere Theilnahme verdient endlich, um nicht zu sehr ins Detail
zu gehen, das Schicksal jdcr Evangelischen in Donamvörth. In dieser alten
Reichsstadt fand die Reformation frühzeitig Eingang. Trotz Verbannung und
Gütcrconfiscativn wuchs die Zahl der Protestanten fortwährend, so daß in der
zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts die Einwohnerschaft deren unge¬
fähr ebenso viele als Katholiken zählte und zu Anfang des siebzehnten sämmt¬
liche Kirchen der Stadt mit alleiniger Ausnahme der Klosterkirche zum heiligen
Kreuz den Evangelischen gehörten. Da veranstaltete der Abt jenes Klosters im
Jahre 1607 im Vertrauen auf die damalige Reaction einen katholischen Um¬
zug durch die jetzt beinahe ganz protestantische Stadt, und seine Absicht wurde
erfüllt. Es fanden Zusammenrottungen der Bürger statt, die Prozession wurde
gestört, die Theilnehmer derselben ergriffen die Flucht und retteten sich, schein¬
bar verfolgt, in das Kloster, dessen Abt ohne Verzug Klage beim Kaiser erhob.
Die Folge war die Verhängung der Reichsacht über Donauwörth. Die Voll¬
streckung derselben wurde dem nachherigen Kurfürsten Maximilian übertragen,
und dieser benutzte die ihm verliehene Vollmacht dazu, die alte freie Reichs¬
stadt in eine bayerische Stadt zu verwandeln und zu gleicher Zeit die Ein¬
wohner in die katholische Kirche zurückzunöthigcn. Zunächst wurden letzterer
alle gottesdienstlichen Stätten wieder zugesprochen, und wer der evangelischen
Lehre treublieb, mußte seine Erbauung bei den protestantischen Gemeinden der
Nachbarschaft suchen, sich dort trauen, seine Kinder dort taufen lassen. Bald
wurde jedoch auch dies verboten und durch eine Verordnung die gesammte Be¬
völkerung der Stadt verpflichtet, alle geistlichen Handlungen durch den katho-


Ludwigsmoos und Carlsfeld, Langengeringen und Marienstcin Gemeinden und
zum Theil Kirchen gegründet, aber alle diese Schöpfungen sind nur mit großen
Opfern seitens der zunächst Betheiligten zu Stande gebracht worden und der
Hülfe des Gustav-Adolf-Vereins noch mehr oder minder bedürftig. In Ober-
bayern ist für die kirchliche Versorgung der,hier weitzerstreuten Protestanten
durch Anstellung von zwei Reisepredigcrn Wesentliches geschehen. An vierzehn
verschiedenen Stationen finden theils monatlich, theils vierteljährlich regelmäßige
Gottesdienste statt, und an zwei Stationen, zu Starnberg und Reichenhall, sind
neue Betsäle errichtet worden.

Ferner hat sich in Freising eine evangelische Gemeinde gebildet, der es ge¬
lungen ist, die Anstellung eines Hülfsgeistlichen zu sichern. Aber die Stadt
hat keinen zur Abhaltung des Gottesdienstes geeigneten Ort, das bisher be¬
nutzte Lokal ist viel zu eng, und die Gemeinde bedarf dringend einer Kirche.
Aehnliches gilt von mehren andern Gemeinden, z. B. von der in Landstuhl
RKeinvayern), die ihren Betsaal durch Ablauf des Mithcontracts zu verlieren
in Gefahr steht und eine andere geeignete Räumlichkeit miethweise nicht be¬
schaffen kann.

Besondere Theilnahme verdient endlich, um nicht zu sehr ins Detail
zu gehen, das Schicksal jdcr Evangelischen in Donamvörth. In dieser alten
Reichsstadt fand die Reformation frühzeitig Eingang. Trotz Verbannung und
Gütcrconfiscativn wuchs die Zahl der Protestanten fortwährend, so daß in der
zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts die Einwohnerschaft deren unge¬
fähr ebenso viele als Katholiken zählte und zu Anfang des siebzehnten sämmt¬
liche Kirchen der Stadt mit alleiniger Ausnahme der Klosterkirche zum heiligen
Kreuz den Evangelischen gehörten. Da veranstaltete der Abt jenes Klosters im
Jahre 1607 im Vertrauen auf die damalige Reaction einen katholischen Um¬
zug durch die jetzt beinahe ganz protestantische Stadt, und seine Absicht wurde
erfüllt. Es fanden Zusammenrottungen der Bürger statt, die Prozession wurde
gestört, die Theilnehmer derselben ergriffen die Flucht und retteten sich, schein¬
bar verfolgt, in das Kloster, dessen Abt ohne Verzug Klage beim Kaiser erhob.
Die Folge war die Verhängung der Reichsacht über Donauwörth. Die Voll¬
streckung derselben wurde dem nachherigen Kurfürsten Maximilian übertragen,
und dieser benutzte die ihm verliehene Vollmacht dazu, die alte freie Reichs¬
stadt in eine bayerische Stadt zu verwandeln und zu gleicher Zeit die Ein¬
wohner in die katholische Kirche zurückzunöthigcn. Zunächst wurden letzterer
alle gottesdienstlichen Stätten wieder zugesprochen, und wer der evangelischen
Lehre treublieb, mußte seine Erbauung bei den protestantischen Gemeinden der
Nachbarschaft suchen, sich dort trauen, seine Kinder dort taufen lassen. Bald
wurde jedoch auch dies verboten und durch eine Verordnung die gesammte Be¬
völkerung der Stadt verpflichtet, alle geistlichen Handlungen durch den katho-


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[0106] Ludwigsmoos und Carlsfeld, Langengeringen und Marienstcin Gemeinden und zum Theil Kirchen gegründet, aber alle diese Schöpfungen sind nur mit großen Opfern seitens der zunächst Betheiligten zu Stande gebracht worden und der Hülfe des Gustav-Adolf-Vereins noch mehr oder minder bedürftig. In Ober- bayern ist für die kirchliche Versorgung der,hier weitzerstreuten Protestanten durch Anstellung von zwei Reisepredigcrn Wesentliches geschehen. An vierzehn verschiedenen Stationen finden theils monatlich, theils vierteljährlich regelmäßige Gottesdienste statt, und an zwei Stationen, zu Starnberg und Reichenhall, sind neue Betsäle errichtet worden. Ferner hat sich in Freising eine evangelische Gemeinde gebildet, der es ge¬ lungen ist, die Anstellung eines Hülfsgeistlichen zu sichern. Aber die Stadt hat keinen zur Abhaltung des Gottesdienstes geeigneten Ort, das bisher be¬ nutzte Lokal ist viel zu eng, und die Gemeinde bedarf dringend einer Kirche. Aehnliches gilt von mehren andern Gemeinden, z. B. von der in Landstuhl RKeinvayern), die ihren Betsaal durch Ablauf des Mithcontracts zu verlieren in Gefahr steht und eine andere geeignete Räumlichkeit miethweise nicht be¬ schaffen kann. Besondere Theilnahme verdient endlich, um nicht zu sehr ins Detail zu gehen, das Schicksal jdcr Evangelischen in Donamvörth. In dieser alten Reichsstadt fand die Reformation frühzeitig Eingang. Trotz Verbannung und Gütcrconfiscativn wuchs die Zahl der Protestanten fortwährend, so daß in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts die Einwohnerschaft deren unge¬ fähr ebenso viele als Katholiken zählte und zu Anfang des siebzehnten sämmt¬ liche Kirchen der Stadt mit alleiniger Ausnahme der Klosterkirche zum heiligen Kreuz den Evangelischen gehörten. Da veranstaltete der Abt jenes Klosters im Jahre 1607 im Vertrauen auf die damalige Reaction einen katholischen Um¬ zug durch die jetzt beinahe ganz protestantische Stadt, und seine Absicht wurde erfüllt. Es fanden Zusammenrottungen der Bürger statt, die Prozession wurde gestört, die Theilnehmer derselben ergriffen die Flucht und retteten sich, schein¬ bar verfolgt, in das Kloster, dessen Abt ohne Verzug Klage beim Kaiser erhob. Die Folge war die Verhängung der Reichsacht über Donauwörth. Die Voll¬ streckung derselben wurde dem nachherigen Kurfürsten Maximilian übertragen, und dieser benutzte die ihm verliehene Vollmacht dazu, die alte freie Reichs¬ stadt in eine bayerische Stadt zu verwandeln und zu gleicher Zeit die Ein¬ wohner in die katholische Kirche zurückzunöthigcn. Zunächst wurden letzterer alle gottesdienstlichen Stätten wieder zugesprochen, und wer der evangelischen Lehre treublieb, mußte seine Erbauung bei den protestantischen Gemeinden der Nachbarschaft suchen, sich dort trauen, seine Kinder dort taufen lassen. Bald wurde jedoch auch dies verboten und durch eine Verordnung die gesammte Be¬ völkerung der Stadt verpflichtet, alle geistlichen Handlungen durch den katho-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/106>, abgerufen am 25.08.2024.