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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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ständischen Gottesdienstes wieder aufzurichten, manche neubegründete Gemeinde
zu ermuntern und zu fördern.

Dies gilt zunächst von verschiedenen Provinzen des Königreichs Bayern.
Im Bisthum Bcunberg war einst kein Dorf ohne evangelischen Pfarrer, und
im Rathe der Stadt befanden sich nur noch zwei katholische Mitglieder. Spä¬
ter wurde hier der Protestantismus völlig ausgerottet, und nur auf einigen
ritterschaftlichen Besitzungen, die als Enclaven im Bisthum zerstreut lagen, fri¬
stete er seine Existenz. In neuester Zeit aber hat er an mehren Punkten wie¬
der Boden gewonnen. Eine zweite Gegend dieser Art ist die Oberpfalz. wo
die Concordienformel im letzten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts von
mehr als zweihundert Geistlichen unterschrieben wurde, während fünfzig Jahre
später der ganze kurpfälzische Theil wieder katholisch gemacht war. Amberg.
jetzt ein Mittelpunkt des starrsten Katholicismus, war vor Zeiten eine Metro¬
pole evangelischer Lehre. Aehnlich verhält sichs mit Oberschwaben, wo sich der
Protestantismus nur in den ehemals reichsstädtischen Gebieten gehalten hat.
Bekannt ist. daß erst im Jahre t799 der erste protestantische Bürger auf kur¬
fürstlichen Jmmedialbcfehl in München aufgenommen wurde, und daß vor die¬
ser Zeit in ganz Altbayern ebenso wenig wie bisher in Tirol Protestanten sich
niederlassen durften. Nicht minder bekannt sind die niederträchtigen Chicanen
des Ministeriums Adel, die wir Alle noch erlebt haben, und noch ist es keine
anderthalb Jahrzehnt her seit dem Sturz einer Herrschaft von katholischen Fa¬
natikern in Bayern, unter welcher nicht nur der Beitritt zum Gustav-Adols-
Verein, sondern auch die Annahme von Gaben desselben als Verbrechen geahndet
wurde.

Jetzt ist das anders geworden, und man darf hoffen, für immer. An den
verschiedensten Orten regen sich die Evangelischen, bilden Gemeinden, bauen
Kirchen und Schulen, senden Reiseprediger aus und treten mit dem Gustav-
Adolf-Verein in Verbindung. Wir geben auch von dieser Bewegung einige
charakteristische Beispiele.

In Amberg, der Hauptstadt der Oberpfalz, hat sich eine protestantische Ge¬
meinde gebildet, die bis jetzt in einem frühern Salzmagazin ihren Gottesdienst
hielt. Dieses Gebäude sollte dann verkauft werden, und die Gemeinde wäre
um ihr Bethaus gekommen, wenn sie es nicht selbst erworben hätte. Dasselbe
wurde für 12,000 Gulden getauft, ein Drittel davon sofort erlegt; der Rest
muß in Abschlagszahlungen von 2000 Gulden getilgt werden, wozu die Bei-
hülf der Glaubensgenossen erbeten wird. Für die in den oberschwäbischen
Orten Innenstadt. Bleichach und Sonthofen, sowie an der tiroler Grenz"
wohnenden Evangelischen ist die Begründung eines Vicariats und der Bau
eines Bethauses im Werke, zu welker Organisation indeß Beistand von aus¬
wärts erforderlich ist. Man hat in Neuburg an der Donau, in Untermaxfeld,


Grenzboten III. 1862. 13

ständischen Gottesdienstes wieder aufzurichten, manche neubegründete Gemeinde
zu ermuntern und zu fördern.

Dies gilt zunächst von verschiedenen Provinzen des Königreichs Bayern.
Im Bisthum Bcunberg war einst kein Dorf ohne evangelischen Pfarrer, und
im Rathe der Stadt befanden sich nur noch zwei katholische Mitglieder. Spä¬
ter wurde hier der Protestantismus völlig ausgerottet, und nur auf einigen
ritterschaftlichen Besitzungen, die als Enclaven im Bisthum zerstreut lagen, fri¬
stete er seine Existenz. In neuester Zeit aber hat er an mehren Punkten wie¬
der Boden gewonnen. Eine zweite Gegend dieser Art ist die Oberpfalz. wo
die Concordienformel im letzten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts von
mehr als zweihundert Geistlichen unterschrieben wurde, während fünfzig Jahre
später der ganze kurpfälzische Theil wieder katholisch gemacht war. Amberg.
jetzt ein Mittelpunkt des starrsten Katholicismus, war vor Zeiten eine Metro¬
pole evangelischer Lehre. Aehnlich verhält sichs mit Oberschwaben, wo sich der
Protestantismus nur in den ehemals reichsstädtischen Gebieten gehalten hat.
Bekannt ist. daß erst im Jahre t799 der erste protestantische Bürger auf kur¬
fürstlichen Jmmedialbcfehl in München aufgenommen wurde, und daß vor die¬
ser Zeit in ganz Altbayern ebenso wenig wie bisher in Tirol Protestanten sich
niederlassen durften. Nicht minder bekannt sind die niederträchtigen Chicanen
des Ministeriums Adel, die wir Alle noch erlebt haben, und noch ist es keine
anderthalb Jahrzehnt her seit dem Sturz einer Herrschaft von katholischen Fa¬
natikern in Bayern, unter welcher nicht nur der Beitritt zum Gustav-Adols-
Verein, sondern auch die Annahme von Gaben desselben als Verbrechen geahndet
wurde.

Jetzt ist das anders geworden, und man darf hoffen, für immer. An den
verschiedensten Orten regen sich die Evangelischen, bilden Gemeinden, bauen
Kirchen und Schulen, senden Reiseprediger aus und treten mit dem Gustav-
Adolf-Verein in Verbindung. Wir geben auch von dieser Bewegung einige
charakteristische Beispiele.

In Amberg, der Hauptstadt der Oberpfalz, hat sich eine protestantische Ge¬
meinde gebildet, die bis jetzt in einem frühern Salzmagazin ihren Gottesdienst
hielt. Dieses Gebäude sollte dann verkauft werden, und die Gemeinde wäre
um ihr Bethaus gekommen, wenn sie es nicht selbst erworben hätte. Dasselbe
wurde für 12,000 Gulden getauft, ein Drittel davon sofort erlegt; der Rest
muß in Abschlagszahlungen von 2000 Gulden getilgt werden, wozu die Bei-
hülf der Glaubensgenossen erbeten wird. Für die in den oberschwäbischen
Orten Innenstadt. Bleichach und Sonthofen, sowie an der tiroler Grenz«
wohnenden Evangelischen ist die Begründung eines Vicariats und der Bau
eines Bethauses im Werke, zu welker Organisation indeß Beistand von aus¬
wärts erforderlich ist. Man hat in Neuburg an der Donau, in Untermaxfeld,


Grenzboten III. 1862. 13
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/105>, abgerufen am 05.02.2025.