Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wir nur von den Grenzstaaten, daß sie daraus eingehen. Wenn sie nur Ja
sagen, so ist unser Zweck erreicht, das Spiel gewonnen.

Dies die Grundgedanken der Lincolnschen Botschaft. Der Ton derselben
ist der eines Mannes, der allen Ernstes das Mittel gefunden zu haben glaubt,
einen beklagenswerthen Streit zum Austrag zu bringen, und der seine Lands¬
leute nun feierlich auffordert, seine Darlegung redlichen Sinnes zu prüfen.

Fragen wir, wie dieser Aufforderung vermuthlich entsprochen werden wird,
so müssen wir uns zuvörderst erinnern, daß ein derartiger Vorschlag eines
amerikanischen Präsidenten an den Congreß keine Bill, wie sie ein englisches
Cabinet dem Unterhaus, und kein Gesetzentwurf, wie ihn etwa ein preußisches
Ministerium dem Landtag vorlegt, sondern einfach eine Meinungsäußerung, ein
Rathschlag oder eine Anregung ist, aus welche der Kongreß nach Belieben hö¬
ren oder nicht hören kann, und welche er wahrscheinlich zunächst einem Comitü
überweisen und später ganz in derselben Weise und mit demselben Grad von
Beachtung discutiren wird, als wenn sie von dem Mitglied für Ohio oder
Connecticut oder irgend einem andern Abgeordneten ausgegangen wäre. Sehr
wahrscheinlich wird es geraume Zeit dauern, bevor die Maßregel auch nur
ernstlich vom Congreß in Betracht gezogen werden wird. (Das ' Repräsen¬
tantenhaus hat sich bereits günstig darüber geäußert. D. N.) Sie scheint das
amerikanische Publicum mehr in Erstaunen versetzt als erfreut zu haben. Die
Presse ist verschiedener Meinung über den Werth derselben. Die Abolitionisten
werden sich stark dagegen auflehnen, da sie schon die bloße Idee einer Ent¬
schädigung der Sklavenhalter als sündhafte Verschwendung bezeichnen, und nicht
weniger unwillkommen wird sie dem großen Haufen der gedankenlosen Schwär¬
mer sein, welche die Grenzstaaten schon fest und für immer zu haben glauben
und den Borschlag, mit Geld zu kaufen, was man mit den Waffen gewonnen,
für eine Abgeschmacktheit erklären. Nehmen wir an, daß der Widerstand dieser
Parteien sich überwinden läßt, so erhebt sich dahinter die andere weit wichtigere
Frage: Wie ist der Kauf zu bewerkstelligen? wieviel Geld ist zu der Entschädi¬
gung erforderlich und wie ist es zu beschaffen? Die Zahl der Sklaven in den
Grenzstaaten ist nach dem letzten Census (von 1860) .folgende.

Kentucky ........ 226,000
Missouri............115,000
Tennessee ............ 283,000
Birginien............ 496,000
Maryland ........... 85,000

Etwas mehr als zwölfmalhunderttausend Sklaven also wären zu kaufen und
freizugeben. Der Durchschnittswerth eines Negers, Mann, Frau oder Kind, wird
von den Sklavenhaltern gewöhnlich aus 400 Dollars angegeben, und man kann
sicher sein, daß, wenn das Land der Käufer wäre,-die Eigenthümer den Preis


wir nur von den Grenzstaaten, daß sie daraus eingehen. Wenn sie nur Ja
sagen, so ist unser Zweck erreicht, das Spiel gewonnen.

Dies die Grundgedanken der Lincolnschen Botschaft. Der Ton derselben
ist der eines Mannes, der allen Ernstes das Mittel gefunden zu haben glaubt,
einen beklagenswerthen Streit zum Austrag zu bringen, und der seine Lands¬
leute nun feierlich auffordert, seine Darlegung redlichen Sinnes zu prüfen.

Fragen wir, wie dieser Aufforderung vermuthlich entsprochen werden wird,
so müssen wir uns zuvörderst erinnern, daß ein derartiger Vorschlag eines
amerikanischen Präsidenten an den Congreß keine Bill, wie sie ein englisches
Cabinet dem Unterhaus, und kein Gesetzentwurf, wie ihn etwa ein preußisches
Ministerium dem Landtag vorlegt, sondern einfach eine Meinungsäußerung, ein
Rathschlag oder eine Anregung ist, aus welche der Kongreß nach Belieben hö¬
ren oder nicht hören kann, und welche er wahrscheinlich zunächst einem Comitü
überweisen und später ganz in derselben Weise und mit demselben Grad von
Beachtung discutiren wird, als wenn sie von dem Mitglied für Ohio oder
Connecticut oder irgend einem andern Abgeordneten ausgegangen wäre. Sehr
wahrscheinlich wird es geraume Zeit dauern, bevor die Maßregel auch nur
ernstlich vom Congreß in Betracht gezogen werden wird. (Das ' Repräsen¬
tantenhaus hat sich bereits günstig darüber geäußert. D. N.) Sie scheint das
amerikanische Publicum mehr in Erstaunen versetzt als erfreut zu haben. Die
Presse ist verschiedener Meinung über den Werth derselben. Die Abolitionisten
werden sich stark dagegen auflehnen, da sie schon die bloße Idee einer Ent¬
schädigung der Sklavenhalter als sündhafte Verschwendung bezeichnen, und nicht
weniger unwillkommen wird sie dem großen Haufen der gedankenlosen Schwär¬
mer sein, welche die Grenzstaaten schon fest und für immer zu haben glauben
und den Borschlag, mit Geld zu kaufen, was man mit den Waffen gewonnen,
für eine Abgeschmacktheit erklären. Nehmen wir an, daß der Widerstand dieser
Parteien sich überwinden läßt, so erhebt sich dahinter die andere weit wichtigere
Frage: Wie ist der Kauf zu bewerkstelligen? wieviel Geld ist zu der Entschädi¬
gung erforderlich und wie ist es zu beschaffen? Die Zahl der Sklaven in den
Grenzstaaten ist nach dem letzten Census (von 1860) .folgende.

Kentucky ........ 226,000
Missouri............115,000
Tennessee ............ 283,000
Birginien............ 496,000
Maryland ........... 85,000

Etwas mehr als zwölfmalhunderttausend Sklaven also wären zu kaufen und
freizugeben. Der Durchschnittswerth eines Negers, Mann, Frau oder Kind, wird
von den Sklavenhaltern gewöhnlich aus 400 Dollars angegeben, und man kann
sicher sein, daß, wenn das Land der Käufer wäre,-die Eigenthümer den Preis


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113858"/>
          <p xml:id="ID_186" prev="#ID_185"> wir nur von den Grenzstaaten, daß sie daraus eingehen. Wenn sie nur Ja<lb/>
sagen, so ist unser Zweck erreicht, das Spiel gewonnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_187"> Dies die Grundgedanken der Lincolnschen Botschaft. Der Ton derselben<lb/>
ist der eines Mannes, der allen Ernstes das Mittel gefunden zu haben glaubt,<lb/>
einen beklagenswerthen Streit zum Austrag zu bringen, und der seine Lands¬<lb/>
leute nun feierlich auffordert, seine Darlegung redlichen Sinnes zu prüfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_188"> Fragen wir, wie dieser Aufforderung vermuthlich entsprochen werden wird,<lb/>
so müssen wir uns zuvörderst erinnern, daß ein derartiger Vorschlag eines<lb/>
amerikanischen Präsidenten an den Congreß keine Bill, wie sie ein englisches<lb/>
Cabinet dem Unterhaus, und kein Gesetzentwurf, wie ihn etwa ein preußisches<lb/>
Ministerium dem Landtag vorlegt, sondern einfach eine Meinungsäußerung, ein<lb/>
Rathschlag oder eine Anregung ist, aus welche der Kongreß nach Belieben hö¬<lb/>
ren oder nicht hören kann, und welche er wahrscheinlich zunächst einem Comitü<lb/>
überweisen und später ganz in derselben Weise und mit demselben Grad von<lb/>
Beachtung discutiren wird, als wenn sie von dem Mitglied für Ohio oder<lb/>
Connecticut oder irgend einem andern Abgeordneten ausgegangen wäre. Sehr<lb/>
wahrscheinlich wird es geraume Zeit dauern, bevor die Maßregel auch nur<lb/>
ernstlich vom Congreß in Betracht gezogen werden wird. (Das ' Repräsen¬<lb/>
tantenhaus hat sich bereits günstig darüber geäußert. D. N.) Sie scheint das<lb/>
amerikanische Publicum mehr in Erstaunen versetzt als erfreut zu haben. Die<lb/>
Presse ist verschiedener Meinung über den Werth derselben. Die Abolitionisten<lb/>
werden sich stark dagegen auflehnen, da sie schon die bloße Idee einer Ent¬<lb/>
schädigung der Sklavenhalter als sündhafte Verschwendung bezeichnen, und nicht<lb/>
weniger unwillkommen wird sie dem großen Haufen der gedankenlosen Schwär¬<lb/>
mer sein, welche die Grenzstaaten schon fest und für immer zu haben glauben<lb/>
und den Borschlag, mit Geld zu kaufen, was man mit den Waffen gewonnen,<lb/>
für eine Abgeschmacktheit erklären. Nehmen wir an, daß der Widerstand dieser<lb/>
Parteien sich überwinden läßt, so erhebt sich dahinter die andere weit wichtigere<lb/>
Frage: Wie ist der Kauf zu bewerkstelligen? wieviel Geld ist zu der Entschädi¬<lb/>
gung erforderlich und wie ist es zu beschaffen? Die Zahl der Sklaven in den<lb/>
Grenzstaaten ist nach dem letzten Census (von 1860) .folgende.</p><lb/>
          <list>
            <item> Kentucky ........ 226,000</item>
            <item> Missouri............115,000</item>
            <item> Tennessee ............ 283,000</item>
            <item> Birginien............ 496,000</item>
            <item> Maryland ........... 85,000</item>
          </list><lb/>
          <p xml:id="ID_189" next="#ID_190"> Etwas mehr als zwölfmalhunderttausend Sklaven also wären zu kaufen und<lb/>
freizugeben. Der Durchschnittswerth eines Negers, Mann, Frau oder Kind, wird<lb/>
von den Sklavenhaltern gewöhnlich aus 400 Dollars angegeben, und man kann<lb/>
sicher sein, daß, wenn das Land der Käufer wäre,-die Eigenthümer den Preis</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0078] wir nur von den Grenzstaaten, daß sie daraus eingehen. Wenn sie nur Ja sagen, so ist unser Zweck erreicht, das Spiel gewonnen. Dies die Grundgedanken der Lincolnschen Botschaft. Der Ton derselben ist der eines Mannes, der allen Ernstes das Mittel gefunden zu haben glaubt, einen beklagenswerthen Streit zum Austrag zu bringen, und der seine Lands¬ leute nun feierlich auffordert, seine Darlegung redlichen Sinnes zu prüfen. Fragen wir, wie dieser Aufforderung vermuthlich entsprochen werden wird, so müssen wir uns zuvörderst erinnern, daß ein derartiger Vorschlag eines amerikanischen Präsidenten an den Congreß keine Bill, wie sie ein englisches Cabinet dem Unterhaus, und kein Gesetzentwurf, wie ihn etwa ein preußisches Ministerium dem Landtag vorlegt, sondern einfach eine Meinungsäußerung, ein Rathschlag oder eine Anregung ist, aus welche der Kongreß nach Belieben hö¬ ren oder nicht hören kann, und welche er wahrscheinlich zunächst einem Comitü überweisen und später ganz in derselben Weise und mit demselben Grad von Beachtung discutiren wird, als wenn sie von dem Mitglied für Ohio oder Connecticut oder irgend einem andern Abgeordneten ausgegangen wäre. Sehr wahrscheinlich wird es geraume Zeit dauern, bevor die Maßregel auch nur ernstlich vom Congreß in Betracht gezogen werden wird. (Das ' Repräsen¬ tantenhaus hat sich bereits günstig darüber geäußert. D. N.) Sie scheint das amerikanische Publicum mehr in Erstaunen versetzt als erfreut zu haben. Die Presse ist verschiedener Meinung über den Werth derselben. Die Abolitionisten werden sich stark dagegen auflehnen, da sie schon die bloße Idee einer Ent¬ schädigung der Sklavenhalter als sündhafte Verschwendung bezeichnen, und nicht weniger unwillkommen wird sie dem großen Haufen der gedankenlosen Schwär¬ mer sein, welche die Grenzstaaten schon fest und für immer zu haben glauben und den Borschlag, mit Geld zu kaufen, was man mit den Waffen gewonnen, für eine Abgeschmacktheit erklären. Nehmen wir an, daß der Widerstand dieser Parteien sich überwinden läßt, so erhebt sich dahinter die andere weit wichtigere Frage: Wie ist der Kauf zu bewerkstelligen? wieviel Geld ist zu der Entschädi¬ gung erforderlich und wie ist es zu beschaffen? Die Zahl der Sklaven in den Grenzstaaten ist nach dem letzten Census (von 1860) .folgende. Kentucky ........ 226,000 Missouri............115,000 Tennessee ............ 283,000 Birginien............ 496,000 Maryland ........... 85,000 Etwas mehr als zwölfmalhunderttausend Sklaven also wären zu kaufen und freizugeben. Der Durchschnittswerth eines Negers, Mann, Frau oder Kind, wird von den Sklavenhaltern gewöhnlich aus 400 Dollars angegeben, und man kann sicher sein, daß, wenn das Land der Käufer wäre,-die Eigenthümer den Preis

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/78
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/78>, abgerufen am 08.01.2025.