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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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bares Geflügel; ein anderer reicht, wie ein Weib herausgeputzt, den Wein; ein
Dritter sammelt niedergebückt die Ueberbleibsel der Trunkenen. Gute Götter!
wieviel Leute setzt der eine Magen in Bewegung!" Die Zahl der Sklavinnen
welche des Wirth der Gebieterin gewärtig waren, überstieg die bei den Athe¬
nern gewöhnliche ebenfalls bedeutend. Von den Launen der Herrin hatte die
ganze Dienerschaft oft mehr zu leiden, als von der Strenge des Hausherrn.
Martial und Ovid enthalten Schilderungen weiblicher Grausamkeit. Am besten
aber charakterisier eine ungnädige Tyrannin Juvenal: "Wenn sich die Herrin
geärgert bat, ist die Spinnmeisterin verloren, die Garderobiers bringen nie die
rechten Kleider, der Sänftenträger kommt zu spät; auf dem einen zerbrechen
die Ruthen, den andern röther die Peitsche, den dritten die Knute; manche
Frauen zahlen den Folterknechten ein besonderes Jahrgeld. Sie läßt zuschlagen
und schminkt sich dabei das Antlitz; sie gibt ihren Freundinnen Audienz oder
betrachtet die breite Goldstickerei ihres Gewandes, und dabei regnet es Schläge;
sie überliefe die langen Zeilen des langen Ausgebejournäls: die Schläge fallen
fort und fort, bis endlich die schlagenden ermüden und ein donnerndes: Hinaus
erschallt." Dann schildert Juvenal die Leiden des unglücklichen Geschöpfes,
das die schwere Aufgabe hatte, das Haar der Gebieterin nach der Mode zu
frisiren, und mit bloßen Schultern und zerrauftem Haar vor ihr steht: "Warum
ist diese Locke höher als die ändere? ruft die Dame unwillig, und sofort straft
der Ochsenziemer das 'Zerbrechen. Bezeichnend genug ist auch das Zwiegespräch
zwischen Frau und Mann bei demselben Dichter: "Laß für den Sklaven ein
Kreuz, errichten!" -- "Durch welches Verbrechen hat er die Todesstrafe verdient?
Wer ist Zeuge davon? wer hat ihn angezeigt? Merk wohl! Kein Zaudern über
eines Menschen Tod ist zu lange!" -- "O Thor! Also ist wohl der Sklave
ein Mensch? Er mag nichts gethan habe"; .gut! Aber ich will es; ich befehle
es, und mein Wille ist Grund genug!" -- leider liegt in den letzten Worten
mehr als ein Beweis für die tyrannische Willkür mancher Herren; sie enthal¬
ten zugleich, die römische, vom Gase-ez bestätigte Ansicht über das unbeschränkte
Recht des Herrn gegen Leib und Leben des Leibeigenen. Während in Athen
die eigenmächtige Tödtung der Sklaven verboten war, konnte in Rom der Herr
seinen Sklaven strafen, martern und quälen; er konnte ihn nach Belieben töd-
ten, ohne Rechenschaft zu geben. Dieses strenge Recht scheint nur in älterer
Zeit weniger zur Ausübung gekommen zu sein, als in späterer, und wurde
überhaupt in verschiedenen Familien verschieden geübt; es gab aber doch zu
jeder Zeit grausamen Charakteren Gelegenheit, ihre böse Lust zu stillen. Noch
zu Cicero's Zeit ließen Privatleute ihre Sklaven nicht unmenschlich foltern,
sondern auch hinrichten. Mehrere Schriftsteller erzählen von der Grausamkeit
eines Vedius Pollio, der zu Augusts Zeit lebte. Als der Kaiser einst bei ihm
speiste,' zerbrach ein Sklave ein kostbares Krystallgefäß. Vedius befahl densel-


bares Geflügel; ein anderer reicht, wie ein Weib herausgeputzt, den Wein; ein
Dritter sammelt niedergebückt die Ueberbleibsel der Trunkenen. Gute Götter!
wieviel Leute setzt der eine Magen in Bewegung!" Die Zahl der Sklavinnen
welche des Wirth der Gebieterin gewärtig waren, überstieg die bei den Athe¬
nern gewöhnliche ebenfalls bedeutend. Von den Launen der Herrin hatte die
ganze Dienerschaft oft mehr zu leiden, als von der Strenge des Hausherrn.
Martial und Ovid enthalten Schilderungen weiblicher Grausamkeit. Am besten
aber charakterisier eine ungnädige Tyrannin Juvenal: „Wenn sich die Herrin
geärgert bat, ist die Spinnmeisterin verloren, die Garderobiers bringen nie die
rechten Kleider, der Sänftenträger kommt zu spät; auf dem einen zerbrechen
die Ruthen, den andern röther die Peitsche, den dritten die Knute; manche
Frauen zahlen den Folterknechten ein besonderes Jahrgeld. Sie läßt zuschlagen
und schminkt sich dabei das Antlitz; sie gibt ihren Freundinnen Audienz oder
betrachtet die breite Goldstickerei ihres Gewandes, und dabei regnet es Schläge;
sie überliefe die langen Zeilen des langen Ausgebejournäls: die Schläge fallen
fort und fort, bis endlich die schlagenden ermüden und ein donnerndes: Hinaus
erschallt." Dann schildert Juvenal die Leiden des unglücklichen Geschöpfes,
das die schwere Aufgabe hatte, das Haar der Gebieterin nach der Mode zu
frisiren, und mit bloßen Schultern und zerrauftem Haar vor ihr steht: „Warum
ist diese Locke höher als die ändere? ruft die Dame unwillig, und sofort straft
der Ochsenziemer das 'Zerbrechen. Bezeichnend genug ist auch das Zwiegespräch
zwischen Frau und Mann bei demselben Dichter: „Laß für den Sklaven ein
Kreuz, errichten!" — „Durch welches Verbrechen hat er die Todesstrafe verdient?
Wer ist Zeuge davon? wer hat ihn angezeigt? Merk wohl! Kein Zaudern über
eines Menschen Tod ist zu lange!" — „O Thor! Also ist wohl der Sklave
ein Mensch? Er mag nichts gethan habe»; .gut! Aber ich will es; ich befehle
es, und mein Wille ist Grund genug!" — leider liegt in den letzten Worten
mehr als ein Beweis für die tyrannische Willkür mancher Herren; sie enthal¬
ten zugleich, die römische, vom Gase-ez bestätigte Ansicht über das unbeschränkte
Recht des Herrn gegen Leib und Leben des Leibeigenen. Während in Athen
die eigenmächtige Tödtung der Sklaven verboten war, konnte in Rom der Herr
seinen Sklaven strafen, martern und quälen; er konnte ihn nach Belieben töd-
ten, ohne Rechenschaft zu geben. Dieses strenge Recht scheint nur in älterer
Zeit weniger zur Ausübung gekommen zu sein, als in späterer, und wurde
überhaupt in verschiedenen Familien verschieden geübt; es gab aber doch zu
jeder Zeit grausamen Charakteren Gelegenheit, ihre böse Lust zu stillen. Noch
zu Cicero's Zeit ließen Privatleute ihre Sklaven nicht unmenschlich foltern,
sondern auch hinrichten. Mehrere Schriftsteller erzählen von der Grausamkeit
eines Vedius Pollio, der zu Augusts Zeit lebte. Als der Kaiser einst bei ihm
speiste,' zerbrach ein Sklave ein kostbares Krystallgefäß. Vedius befahl densel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/70>, abgerufen am 08.01.2025.