Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

tirung sich in die Sklavenherbergen geflüchtet hatten. Hadrian hob endlich die
Bqgno's ganz aus. Dennoch gelang es nie vollständig, diese schändlichen An¬
stalten zu unterdrücken, und die Negierung ließ selbst die Arbeitshäuser der
Staatssklaven noch fortbestehen. -- Außer diesen Ackersklaven erscheint nun aber
auch in den Rechtsquellen der konstantinischen Zeit ein leibeigener Bauernstand,
der die den Herren gehörigen Felder gegen eine Abgabe vom Ertrage bewirth¬
schaftet, aber an die Scholle gefesselt ist. Die Herren durften nie baare Münze
von ihnen verlangen, sie auch nicht ohne das dazu gehörige Land verkaufen.
Die Entlaufenen wurden streng bestraft und wieder zurückgebracht. Die Kolo¬
nisten waren vom Kriegsdienste frei und zahlten Kopfsteuer, die, wie früher in
Nußland, vom Gutsherrn im Ganzen ausgelegt und dann von den Einzelnen
wieder eingetrieben wurde. Doch lassen sich unter diesen Leibeigenen wieder
zwei Klassen deutlich erkennen; die eine besteht aus wirklichen Sklaven, auf
deren Eigenthum der Herr Ansprüche machen kann; die andere aus ursprünglich
freien Kolonisten, die nach Ablauf von 30 Jahren dem leibeigenen Stande ver¬
fielen, ohne ihre persönliche Freiheit und ihr Dispositionsrecht zu verlieren.
Die Entstehung dieser merkwürdigen Verhältnisse ist nicht klar. Es wird Wohl
zuweilen vorgekommen sein, daß Gutsbesitzer einzelne Parzellen den eigenen
Sklaven in Naturalpacht gegeben haben, und daraus könnte jene erste Klasse
entstanden sein. Die in freieren Verhältnissen lebenden Kolonisten sind aber
wahrscheinlich Barbaren, besonders Germanen gewesen, die zu verschiedenen
Zeiten und schon von Augustus an, in die Provinzen übergesiedelt worden sind,
um dem Landbau aufzuhelfen. Uebrigens sei es zur Ehre des menschlichen
Gefühls erwähnt, daß sowohl bei Verkäufen als auch bei Gütertheilungen die
nächsten Verwandten unter den Ackersklaven nicht von einander gerissen wur¬
den. "Wer sollte es mit ansehen können," sagt der Kaiser Konstantin in
einem Edikte, "daß Kinder von ihren Eltern, Schwestern von ihren Brüdern,
Weiber von den Männern getrennt werden?" Man hat diese Milderung dem
Einflüsse des Christenthums zuschreiben wollen; daß aber schon früher auf die
Verwandtschaft Rücksicht genommen wurde, ergiebt sich aus folgendem Zusätze
Ulpians zum ädilischen Edict: "Gewöhnlich werden vom Käufer wegen der mit
Krankheit behafteten Sklaven auch die gesunden dem Händler zurückgegeben,
wenn sie nicht getrennt werden können, ohne großen Verlust oder nur mit Ver¬
letzung der Pietätsrücksichte". Denn sollte man wohl mit Zurückhaltung des
Sohnes dessen Eltern dem Händler wiedergeben wollen? Dasselbe muß auch
bei Brüdern und bei verheirateten Personen beobachtet werden."

Wenn man nun ferner die verschiedenen Beschäftigungen der städtischen
Sklaven ins Auge faßt, so kann hier Manches übergangen werden, was theils
mit griechischer Sitte übereinstimmt, theils in andere, nicht hierher gehörige
Gebiete einschlägt. Unter denjenigen Sklaven, welche das Vertrauen ihres Herrn


tirung sich in die Sklavenherbergen geflüchtet hatten. Hadrian hob endlich die
Bqgno's ganz aus. Dennoch gelang es nie vollständig, diese schändlichen An¬
stalten zu unterdrücken, und die Negierung ließ selbst die Arbeitshäuser der
Staatssklaven noch fortbestehen. — Außer diesen Ackersklaven erscheint nun aber
auch in den Rechtsquellen der konstantinischen Zeit ein leibeigener Bauernstand,
der die den Herren gehörigen Felder gegen eine Abgabe vom Ertrage bewirth¬
schaftet, aber an die Scholle gefesselt ist. Die Herren durften nie baare Münze
von ihnen verlangen, sie auch nicht ohne das dazu gehörige Land verkaufen.
Die Entlaufenen wurden streng bestraft und wieder zurückgebracht. Die Kolo¬
nisten waren vom Kriegsdienste frei und zahlten Kopfsteuer, die, wie früher in
Nußland, vom Gutsherrn im Ganzen ausgelegt und dann von den Einzelnen
wieder eingetrieben wurde. Doch lassen sich unter diesen Leibeigenen wieder
zwei Klassen deutlich erkennen; die eine besteht aus wirklichen Sklaven, auf
deren Eigenthum der Herr Ansprüche machen kann; die andere aus ursprünglich
freien Kolonisten, die nach Ablauf von 30 Jahren dem leibeigenen Stande ver¬
fielen, ohne ihre persönliche Freiheit und ihr Dispositionsrecht zu verlieren.
Die Entstehung dieser merkwürdigen Verhältnisse ist nicht klar. Es wird Wohl
zuweilen vorgekommen sein, daß Gutsbesitzer einzelne Parzellen den eigenen
Sklaven in Naturalpacht gegeben haben, und daraus könnte jene erste Klasse
entstanden sein. Die in freieren Verhältnissen lebenden Kolonisten sind aber
wahrscheinlich Barbaren, besonders Germanen gewesen, die zu verschiedenen
Zeiten und schon von Augustus an, in die Provinzen übergesiedelt worden sind,
um dem Landbau aufzuhelfen. Uebrigens sei es zur Ehre des menschlichen
Gefühls erwähnt, daß sowohl bei Verkäufen als auch bei Gütertheilungen die
nächsten Verwandten unter den Ackersklaven nicht von einander gerissen wur¬
den. „Wer sollte es mit ansehen können," sagt der Kaiser Konstantin in
einem Edikte, „daß Kinder von ihren Eltern, Schwestern von ihren Brüdern,
Weiber von den Männern getrennt werden?" Man hat diese Milderung dem
Einflüsse des Christenthums zuschreiben wollen; daß aber schon früher auf die
Verwandtschaft Rücksicht genommen wurde, ergiebt sich aus folgendem Zusätze
Ulpians zum ädilischen Edict: „Gewöhnlich werden vom Käufer wegen der mit
Krankheit behafteten Sklaven auch die gesunden dem Händler zurückgegeben,
wenn sie nicht getrennt werden können, ohne großen Verlust oder nur mit Ver¬
letzung der Pietätsrücksichte». Denn sollte man wohl mit Zurückhaltung des
Sohnes dessen Eltern dem Händler wiedergeben wollen? Dasselbe muß auch
bei Brüdern und bei verheirateten Personen beobachtet werden."

Wenn man nun ferner die verschiedenen Beschäftigungen der städtischen
Sklaven ins Auge faßt, so kann hier Manches übergangen werden, was theils
mit griechischer Sitte übereinstimmt, theils in andere, nicht hierher gehörige
Gebiete einschlägt. Unter denjenigen Sklaven, welche das Vertrauen ihres Herrn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113848"/>
          <p xml:id="ID_167" prev="#ID_166"> tirung sich in die Sklavenherbergen geflüchtet hatten. Hadrian hob endlich die<lb/>
Bqgno's ganz aus.  Dennoch gelang es nie vollständig, diese schändlichen An¬<lb/>
stalten zu unterdrücken, und die Negierung ließ selbst die Arbeitshäuser der<lb/>
Staatssklaven noch fortbestehen. &#x2014; Außer diesen Ackersklaven erscheint nun aber<lb/>
auch in den Rechtsquellen der konstantinischen Zeit ein leibeigener Bauernstand,<lb/>
der die den Herren gehörigen Felder gegen eine Abgabe vom Ertrage bewirth¬<lb/>
schaftet, aber an die Scholle gefesselt ist.  Die Herren durften nie baare Münze<lb/>
von ihnen verlangen, sie auch nicht ohne das dazu gehörige Land verkaufen.<lb/>
Die Entlaufenen wurden streng bestraft und wieder zurückgebracht.  Die Kolo¬<lb/>
nisten waren vom Kriegsdienste frei und zahlten Kopfsteuer, die, wie früher in<lb/>
Nußland, vom Gutsherrn im Ganzen ausgelegt und dann von den Einzelnen<lb/>
wieder eingetrieben wurde.  Doch lassen sich unter diesen Leibeigenen wieder<lb/>
zwei Klassen deutlich erkennen; die eine besteht aus wirklichen Sklaven, auf<lb/>
deren Eigenthum der Herr Ansprüche machen kann; die andere aus ursprünglich<lb/>
freien Kolonisten, die nach Ablauf von 30 Jahren dem leibeigenen Stande ver¬<lb/>
fielen, ohne ihre persönliche Freiheit und ihr Dispositionsrecht zu verlieren.<lb/>
Die Entstehung dieser merkwürdigen Verhältnisse ist nicht klar.  Es wird Wohl<lb/>
zuweilen vorgekommen sein, daß Gutsbesitzer einzelne Parzellen den eigenen<lb/>
Sklaven in Naturalpacht gegeben haben, und daraus könnte jene erste Klasse<lb/>
entstanden sein.  Die in freieren Verhältnissen lebenden Kolonisten sind aber<lb/>
wahrscheinlich Barbaren, besonders Germanen gewesen, die zu verschiedenen<lb/>
Zeiten und schon von Augustus an, in die Provinzen übergesiedelt worden sind,<lb/>
um dem Landbau aufzuhelfen.  Uebrigens sei es zur Ehre des menschlichen<lb/>
Gefühls erwähnt, daß sowohl bei Verkäufen als auch bei Gütertheilungen die<lb/>
nächsten Verwandten unter den Ackersklaven nicht von einander gerissen wur¬<lb/>
den.  &#x201E;Wer sollte es mit ansehen können," sagt der Kaiser Konstantin in<lb/>
einem Edikte, &#x201E;daß Kinder von ihren Eltern, Schwestern von ihren Brüdern,<lb/>
Weiber von den Männern getrennt werden?" Man hat diese Milderung dem<lb/>
Einflüsse des Christenthums zuschreiben wollen; daß aber schon früher auf die<lb/>
Verwandtschaft Rücksicht genommen wurde, ergiebt sich aus folgendem Zusätze<lb/>
Ulpians zum ädilischen Edict: &#x201E;Gewöhnlich werden vom Käufer wegen der mit<lb/>
Krankheit behafteten Sklaven auch die gesunden dem Händler zurückgegeben,<lb/>
wenn sie nicht getrennt werden können, ohne großen Verlust oder nur mit Ver¬<lb/>
letzung der Pietätsrücksichte».  Denn sollte man wohl mit Zurückhaltung des<lb/>
Sohnes dessen Eltern dem Händler wiedergeben wollen? Dasselbe muß auch<lb/>
bei Brüdern und bei verheirateten Personen beobachtet werden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_168" next="#ID_169"> Wenn man nun ferner die verschiedenen Beschäftigungen der städtischen<lb/>
Sklaven ins Auge faßt, so kann hier Manches übergangen werden, was theils<lb/>
mit griechischer Sitte übereinstimmt, theils in andere, nicht hierher gehörige<lb/>
Gebiete einschlägt. Unter denjenigen Sklaven, welche das Vertrauen ihres Herrn</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0068] tirung sich in die Sklavenherbergen geflüchtet hatten. Hadrian hob endlich die Bqgno's ganz aus. Dennoch gelang es nie vollständig, diese schändlichen An¬ stalten zu unterdrücken, und die Negierung ließ selbst die Arbeitshäuser der Staatssklaven noch fortbestehen. — Außer diesen Ackersklaven erscheint nun aber auch in den Rechtsquellen der konstantinischen Zeit ein leibeigener Bauernstand, der die den Herren gehörigen Felder gegen eine Abgabe vom Ertrage bewirth¬ schaftet, aber an die Scholle gefesselt ist. Die Herren durften nie baare Münze von ihnen verlangen, sie auch nicht ohne das dazu gehörige Land verkaufen. Die Entlaufenen wurden streng bestraft und wieder zurückgebracht. Die Kolo¬ nisten waren vom Kriegsdienste frei und zahlten Kopfsteuer, die, wie früher in Nußland, vom Gutsherrn im Ganzen ausgelegt und dann von den Einzelnen wieder eingetrieben wurde. Doch lassen sich unter diesen Leibeigenen wieder zwei Klassen deutlich erkennen; die eine besteht aus wirklichen Sklaven, auf deren Eigenthum der Herr Ansprüche machen kann; die andere aus ursprünglich freien Kolonisten, die nach Ablauf von 30 Jahren dem leibeigenen Stande ver¬ fielen, ohne ihre persönliche Freiheit und ihr Dispositionsrecht zu verlieren. Die Entstehung dieser merkwürdigen Verhältnisse ist nicht klar. Es wird Wohl zuweilen vorgekommen sein, daß Gutsbesitzer einzelne Parzellen den eigenen Sklaven in Naturalpacht gegeben haben, und daraus könnte jene erste Klasse entstanden sein. Die in freieren Verhältnissen lebenden Kolonisten sind aber wahrscheinlich Barbaren, besonders Germanen gewesen, die zu verschiedenen Zeiten und schon von Augustus an, in die Provinzen übergesiedelt worden sind, um dem Landbau aufzuhelfen. Uebrigens sei es zur Ehre des menschlichen Gefühls erwähnt, daß sowohl bei Verkäufen als auch bei Gütertheilungen die nächsten Verwandten unter den Ackersklaven nicht von einander gerissen wur¬ den. „Wer sollte es mit ansehen können," sagt der Kaiser Konstantin in einem Edikte, „daß Kinder von ihren Eltern, Schwestern von ihren Brüdern, Weiber von den Männern getrennt werden?" Man hat diese Milderung dem Einflüsse des Christenthums zuschreiben wollen; daß aber schon früher auf die Verwandtschaft Rücksicht genommen wurde, ergiebt sich aus folgendem Zusätze Ulpians zum ädilischen Edict: „Gewöhnlich werden vom Käufer wegen der mit Krankheit behafteten Sklaven auch die gesunden dem Händler zurückgegeben, wenn sie nicht getrennt werden können, ohne großen Verlust oder nur mit Ver¬ letzung der Pietätsrücksichte». Denn sollte man wohl mit Zurückhaltung des Sohnes dessen Eltern dem Händler wiedergeben wollen? Dasselbe muß auch bei Brüdern und bei verheirateten Personen beobachtet werden." Wenn man nun ferner die verschiedenen Beschäftigungen der städtischen Sklaven ins Auge faßt, so kann hier Manches übergangen werden, was theils mit griechischer Sitte übereinstimmt, theils in andere, nicht hierher gehörige Gebiete einschlägt. Unter denjenigen Sklaven, welche das Vertrauen ihres Herrn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/68
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/68>, abgerufen am 08.01.2025.