Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

rungsmittel nachtrug und kochte, zornig oder unwillig geworden sei, sondern
demselben, wenn es seine Zeit erlaubte, bei der Zubereitung der Speisen ge¬
holfen habe.

- Daher sagt auch derselbe Schriftsteller in der Lebensbeschreibung Coriolans:
"Man behandelte damals die Sklaven mit vieler Mäßigung, indem man da¬
durch, daß man selbst mit arbeitete und gemeinschaftlich mit ihnen aß, sie mehr
an sich heranzog und gewöhnte." Wenn aber Cato selbst in seiner Schrift
über den Ackerbau den Rath gibt, ebenso wie fehlerhaftes Vieh, alte Wägen,
altes Eisen, alte Ochsen, auch alte und kränkliche Sklaven zu verkaufen, so
war diese Inhumanität weniger eine Durchführung altrömischer Anschauungs¬
weise, als ein Beweis für seinen Geiz und seine Gewinnsucht, und Plutarch
hat vollkommen Recht, deshalb an dem Edelmuthe seines Charakters zu zwei¬
feln. Dabei stellt Letzterer sich selbst ein besseres Zeugniß aus, indem er hin¬
zufügt: "Ich für meine Person würde nicht einmal einen Ochsen, den ich zur
Bestellung meines Feldes gebraucht hätte, wegen seines Alters wegschaffen oder
verlausen, viel weniger einen alten Knecht aus meinem Hause, als aus seiner
Heimath, und aus meiner Kost und meinen Diensten, deren er gewohnt gewesen
ist, verjagen und um eines geringen Gewinns willen verkaufen, zumal er dem
Käufer eben so unnütz als dem Verkäufer sein würde." Auf einen humaneren
Umgang mit den Sklaven weist endlich auch Seneca hin, indem er schreibt:
"Jene Sklaven, die nicht nur in Gegenwart ihrer Herrn sprachen-, sondern auch
sich mit denselben selbst unterhielten, deren Mund nicht zugenäht wurde, waren
auch bereit, für den Herrn ihre Brust darzubieten, die drohende Gefahr
auf ihr Haupt zu lenken. Bei den Gastmählern redeten sie; aber auf
der Folter verstanden sie zu schweigen." Mit der Vergrößerung des römischen
Gebietes und dem Steigen des Luxus wuchs das Bedürfniß nach Sklaven, und
es wurden bisweilen Unmassen von Kriegsgefangenen nach Italien geschleppt.
So brachte Regulus eine Anzahl Sklaven aus Afrika mit, die dem fünften
Theile der damaligen Bürgerschaft gleichgekommen sein soll, und im Lager des
Lucullus verkaufte man die Gefangenen zu vier Drachmen. Großgriechenland,
Gallien, Spanien. Jllyrien, Afrika und Vorderasien lieferten ihre Kontingente,
und da das Geschäft für Wuchrer äußerst verlockend war, so entwickelte sich bald
ein Sklavenhandel, der den griechischen an Ausdehnung weit übertraf. Außer
Delos traten nun Tanais und Byzanz unter den Bezugsquellen des Menschen¬
handels in erste Reihe. Jenes, eine Pflanzstadt von Milet, lag am Ausflusse
des Don und tauschte gegen Wein und Kleiderstoffe von den Nomaden des
Innern, besonders von den am kaspischen Meere wohnenden Dahern Sklaven
und Pelzwerk ein; Byzanz, die lüderlichste Stadt des Alterthums, deren Ein¬
wohner die Häuser sammt den Frauen an Fremde vermiethctcn und ihre
Wohnung in den Kneipen nahmen, und deren Milizen einst in Kriegsgefahr


rungsmittel nachtrug und kochte, zornig oder unwillig geworden sei, sondern
demselben, wenn es seine Zeit erlaubte, bei der Zubereitung der Speisen ge¬
holfen habe.

- Daher sagt auch derselbe Schriftsteller in der Lebensbeschreibung Coriolans:
„Man behandelte damals die Sklaven mit vieler Mäßigung, indem man da¬
durch, daß man selbst mit arbeitete und gemeinschaftlich mit ihnen aß, sie mehr
an sich heranzog und gewöhnte." Wenn aber Cato selbst in seiner Schrift
über den Ackerbau den Rath gibt, ebenso wie fehlerhaftes Vieh, alte Wägen,
altes Eisen, alte Ochsen, auch alte und kränkliche Sklaven zu verkaufen, so
war diese Inhumanität weniger eine Durchführung altrömischer Anschauungs¬
weise, als ein Beweis für seinen Geiz und seine Gewinnsucht, und Plutarch
hat vollkommen Recht, deshalb an dem Edelmuthe seines Charakters zu zwei¬
feln. Dabei stellt Letzterer sich selbst ein besseres Zeugniß aus, indem er hin¬
zufügt: „Ich für meine Person würde nicht einmal einen Ochsen, den ich zur
Bestellung meines Feldes gebraucht hätte, wegen seines Alters wegschaffen oder
verlausen, viel weniger einen alten Knecht aus meinem Hause, als aus seiner
Heimath, und aus meiner Kost und meinen Diensten, deren er gewohnt gewesen
ist, verjagen und um eines geringen Gewinns willen verkaufen, zumal er dem
Käufer eben so unnütz als dem Verkäufer sein würde." Auf einen humaneren
Umgang mit den Sklaven weist endlich auch Seneca hin, indem er schreibt:
„Jene Sklaven, die nicht nur in Gegenwart ihrer Herrn sprachen-, sondern auch
sich mit denselben selbst unterhielten, deren Mund nicht zugenäht wurde, waren
auch bereit, für den Herrn ihre Brust darzubieten, die drohende Gefahr
auf ihr Haupt zu lenken. Bei den Gastmählern redeten sie; aber auf
der Folter verstanden sie zu schweigen." Mit der Vergrößerung des römischen
Gebietes und dem Steigen des Luxus wuchs das Bedürfniß nach Sklaven, und
es wurden bisweilen Unmassen von Kriegsgefangenen nach Italien geschleppt.
So brachte Regulus eine Anzahl Sklaven aus Afrika mit, die dem fünften
Theile der damaligen Bürgerschaft gleichgekommen sein soll, und im Lager des
Lucullus verkaufte man die Gefangenen zu vier Drachmen. Großgriechenland,
Gallien, Spanien. Jllyrien, Afrika und Vorderasien lieferten ihre Kontingente,
und da das Geschäft für Wuchrer äußerst verlockend war, so entwickelte sich bald
ein Sklavenhandel, der den griechischen an Ausdehnung weit übertraf. Außer
Delos traten nun Tanais und Byzanz unter den Bezugsquellen des Menschen¬
handels in erste Reihe. Jenes, eine Pflanzstadt von Milet, lag am Ausflusse
des Don und tauschte gegen Wein und Kleiderstoffe von den Nomaden des
Innern, besonders von den am kaspischen Meere wohnenden Dahern Sklaven
und Pelzwerk ein; Byzanz, die lüderlichste Stadt des Alterthums, deren Ein¬
wohner die Häuser sammt den Frauen an Fremde vermiethctcn und ihre
Wohnung in den Kneipen nahmen, und deren Milizen einst in Kriegsgefahr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113842"/>
          <p xml:id="ID_159" prev="#ID_158"> rungsmittel nachtrug und kochte, zornig oder unwillig geworden sei, sondern<lb/>
demselben, wenn es seine Zeit erlaubte, bei der Zubereitung der Speisen ge¬<lb/>
holfen habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_160" next="#ID_161"> - Daher sagt auch derselbe Schriftsteller in der Lebensbeschreibung Coriolans:<lb/>
&#x201E;Man behandelte damals die Sklaven mit vieler Mäßigung, indem man da¬<lb/>
durch, daß man selbst mit arbeitete und gemeinschaftlich mit ihnen aß, sie mehr<lb/>
an sich heranzog und gewöhnte." Wenn aber Cato selbst in seiner Schrift<lb/>
über den Ackerbau den Rath gibt, ebenso wie fehlerhaftes Vieh, alte Wägen,<lb/>
altes Eisen, alte Ochsen, auch alte und kränkliche Sklaven zu verkaufen, so<lb/>
war diese Inhumanität weniger eine Durchführung altrömischer Anschauungs¬<lb/>
weise, als ein Beweis für seinen Geiz und seine Gewinnsucht, und Plutarch<lb/>
hat vollkommen Recht, deshalb an dem Edelmuthe seines Charakters zu zwei¬<lb/>
feln. Dabei stellt Letzterer sich selbst ein besseres Zeugniß aus, indem er hin¬<lb/>
zufügt: &#x201E;Ich für meine Person würde nicht einmal einen Ochsen, den ich zur<lb/>
Bestellung meines Feldes gebraucht hätte, wegen seines Alters wegschaffen oder<lb/>
verlausen, viel weniger einen alten Knecht aus meinem Hause, als aus seiner<lb/>
Heimath, und aus meiner Kost und meinen Diensten, deren er gewohnt gewesen<lb/>
ist, verjagen und um eines geringen Gewinns willen verkaufen, zumal er dem<lb/>
Käufer eben so unnütz als dem Verkäufer sein würde." Auf einen humaneren<lb/>
Umgang mit den Sklaven weist endlich auch Seneca hin, indem er schreibt:<lb/>
&#x201E;Jene Sklaven, die nicht nur in Gegenwart ihrer Herrn sprachen-, sondern auch<lb/>
sich mit denselben selbst unterhielten, deren Mund nicht zugenäht wurde, waren<lb/>
auch bereit, für den Herrn ihre Brust darzubieten, die drohende Gefahr<lb/>
auf ihr Haupt zu lenken. Bei den Gastmählern redeten sie; aber auf<lb/>
der Folter verstanden sie zu schweigen." Mit der Vergrößerung des römischen<lb/>
Gebietes und dem Steigen des Luxus wuchs das Bedürfniß nach Sklaven, und<lb/>
es wurden bisweilen Unmassen von Kriegsgefangenen nach Italien geschleppt.<lb/>
So brachte Regulus eine Anzahl Sklaven aus Afrika mit, die dem fünften<lb/>
Theile der damaligen Bürgerschaft gleichgekommen sein soll, und im Lager des<lb/>
Lucullus verkaufte man die Gefangenen zu vier Drachmen. Großgriechenland,<lb/>
Gallien, Spanien. Jllyrien, Afrika und Vorderasien lieferten ihre Kontingente,<lb/>
und da das Geschäft für Wuchrer äußerst verlockend war, so entwickelte sich bald<lb/>
ein Sklavenhandel, der den griechischen an Ausdehnung weit übertraf. Außer<lb/>
Delos traten nun Tanais und Byzanz unter den Bezugsquellen des Menschen¬<lb/>
handels in erste Reihe. Jenes, eine Pflanzstadt von Milet, lag am Ausflusse<lb/>
des Don und tauschte gegen Wein und Kleiderstoffe von den Nomaden des<lb/>
Innern, besonders von den am kaspischen Meere wohnenden Dahern Sklaven<lb/>
und Pelzwerk ein; Byzanz, die lüderlichste Stadt des Alterthums, deren Ein¬<lb/>
wohner die Häuser sammt den Frauen an Fremde vermiethctcn und ihre<lb/>
Wohnung in den Kneipen nahmen, und deren Milizen einst in Kriegsgefahr</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] rungsmittel nachtrug und kochte, zornig oder unwillig geworden sei, sondern demselben, wenn es seine Zeit erlaubte, bei der Zubereitung der Speisen ge¬ holfen habe. - Daher sagt auch derselbe Schriftsteller in der Lebensbeschreibung Coriolans: „Man behandelte damals die Sklaven mit vieler Mäßigung, indem man da¬ durch, daß man selbst mit arbeitete und gemeinschaftlich mit ihnen aß, sie mehr an sich heranzog und gewöhnte." Wenn aber Cato selbst in seiner Schrift über den Ackerbau den Rath gibt, ebenso wie fehlerhaftes Vieh, alte Wägen, altes Eisen, alte Ochsen, auch alte und kränkliche Sklaven zu verkaufen, so war diese Inhumanität weniger eine Durchführung altrömischer Anschauungs¬ weise, als ein Beweis für seinen Geiz und seine Gewinnsucht, und Plutarch hat vollkommen Recht, deshalb an dem Edelmuthe seines Charakters zu zwei¬ feln. Dabei stellt Letzterer sich selbst ein besseres Zeugniß aus, indem er hin¬ zufügt: „Ich für meine Person würde nicht einmal einen Ochsen, den ich zur Bestellung meines Feldes gebraucht hätte, wegen seines Alters wegschaffen oder verlausen, viel weniger einen alten Knecht aus meinem Hause, als aus seiner Heimath, und aus meiner Kost und meinen Diensten, deren er gewohnt gewesen ist, verjagen und um eines geringen Gewinns willen verkaufen, zumal er dem Käufer eben so unnütz als dem Verkäufer sein würde." Auf einen humaneren Umgang mit den Sklaven weist endlich auch Seneca hin, indem er schreibt: „Jene Sklaven, die nicht nur in Gegenwart ihrer Herrn sprachen-, sondern auch sich mit denselben selbst unterhielten, deren Mund nicht zugenäht wurde, waren auch bereit, für den Herrn ihre Brust darzubieten, die drohende Gefahr auf ihr Haupt zu lenken. Bei den Gastmählern redeten sie; aber auf der Folter verstanden sie zu schweigen." Mit der Vergrößerung des römischen Gebietes und dem Steigen des Luxus wuchs das Bedürfniß nach Sklaven, und es wurden bisweilen Unmassen von Kriegsgefangenen nach Italien geschleppt. So brachte Regulus eine Anzahl Sklaven aus Afrika mit, die dem fünften Theile der damaligen Bürgerschaft gleichgekommen sein soll, und im Lager des Lucullus verkaufte man die Gefangenen zu vier Drachmen. Großgriechenland, Gallien, Spanien. Jllyrien, Afrika und Vorderasien lieferten ihre Kontingente, und da das Geschäft für Wuchrer äußerst verlockend war, so entwickelte sich bald ein Sklavenhandel, der den griechischen an Ausdehnung weit übertraf. Außer Delos traten nun Tanais und Byzanz unter den Bezugsquellen des Menschen¬ handels in erste Reihe. Jenes, eine Pflanzstadt von Milet, lag am Ausflusse des Don und tauschte gegen Wein und Kleiderstoffe von den Nomaden des Innern, besonders von den am kaspischen Meere wohnenden Dahern Sklaven und Pelzwerk ein; Byzanz, die lüderlichste Stadt des Alterthums, deren Ein¬ wohner die Häuser sammt den Frauen an Fremde vermiethctcn und ihre Wohnung in den Kneipen nahmen, und deren Milizen einst in Kriegsgefahr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/62
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/62>, abgerufen am 08.01.2025.